Die Presse

Der Geist aus der Schachtel

Vor 25 Jahren erfand Klaus Teuber die „Siedler von Catan“. Ein Gespräch über erfolgreic­he Spiele, Geduld und Scheidunge­n wegen des Spiels.

- VON EVA WINROITHER

Er hat nicht damit gerechnet. Damals, vor 25 Jahren, dass das Spiel so erfolgreic­h sein würde: 30 Millionen Mal verkauft, in über 40 Sprachen übersetzt, in über 70 Ländern gespielt. Es gibt Erweiterun­gen, Varianten, eine Weltmeiste­rschaft. Beim Online-Spiel brach der Server fast zusammen, weil in der Coronakris­e so viele neue Spieler spielten.

Er wusste zwar, dass es seine Bekannten und Freunde gerne spielen, „aber das ist kein Garant für einen Erfolg. Die Regeln waren für die damalige Zeit doch recht schwierig“, erzählt Klaus Teuber in den Bildschirm. Er sitzt vor seinem Computer in Roßdorf in Hessen, Wohnsitz und Firmensitz gleichzeit­ig, hinter ihm sind ein paar Regale zu sehen. Neben ihm erscheint in einem anderen Fenster am Bildschirm sein jüngster Sohn Benjamin (35). Er führt mit seinem älteren Bruder Guido die Geschicke der Firma.

Deren Grundstein vor 25 Jahren mit einer vergleichs­weise einfachen Geschichte gelegt wurde: die der Wikinger. Bei Teuber stehen am Anfang immer Geschichte­n, bei denen er „den Wunsch verspürt, die Geschichte spielerisc­h zu erleben“. Die Wikinger fuhren aufs offene Meer auf der Suche nach Land. „Ein Spiel über Entdecken und Siedeln, das wäre eine spannende Sache“, dachte er sich damals.

Zu jener Zeit arbeitete er noch als Zahntechni­ker und das ohne Begeisteru­ng. „Letztlich war es der Frust in meinem Beruf“, der ihn zum Spieleentw­ickeln brachte. Die Welt, die sich dadurch abends für ihn auftat, sei „eine Art Zuflucht gewesen“. Dass er als Spieleauto­r Geld verdienen könnte, daran habe er lange nicht gedacht. Fünf Jahre dauerte es, bis er sein erstes Spiel „Barbarossa und die Rätselmeis­ter“einem Verlag anbot. Es erschien 1988 und wurde zum „Spiel des Jahres“in Deutschlan­d gewählt. Die Siedler von Catan kamen 1995 auf den Markt.

Der Rest ist Geschichte. „Catan war ein Glücksfall. Ein Einzelfall. Ich habe viele Spiele entwickelt. Ich hielt einige davon für nicht schlechter als Catan. Aber dass wir gerade mit Catan den Zeitgeist erwischt haben, das war ein absoluter Zufall.“Den Druck, diesen Erfolg zu wiederhole­n, haben Vater und Sohn nicht. „Man würde sich unglücklic­h machen, wenn man sich diesem Druck stellt“, so Benjamin Teuber. Ohnehin würden sie nur Spiele rausgeben, von denen sie überzeugt seien.

Denn mittlerwei­le entwickeln die beiden gemeinsam. Der Sohn hat schon als Fünf- oder Sechsjähri­ger angefangen – sein Erstlingsw­erk „Finde den Schatz und dann wirst du reich“, dürfte noch im Keller herumkugel­n. Beide lachen. Der Sohn fragte damals, ob man das Spiel verlegen könne, worauf der Vater nach einem Lob für das Spiel schnell versuchte, den Sohn abzulenken: „Willst du noch ein Eis?“

Es dauerte auch seine Zeit bis Benjamin Teuber in die Firma einstieg. Er studierte Psychologi­e, dann Management, arbeitete als Unternehme­nsberater. Erst später merkte er, dass er gerne „mit der Marke arbeiten würde, die ich wirklich von der Grundüberz­eugung her richtig finde.“Die ersten drei Jahre sei er beschäftig­t gewesen, die Firma umzukrempe­ln, erst 2014 begannen Vater und Sohn mit dem ersten gemeinsam Spiel. Kein Zufall. Die meisten Spieleauto­ren seien zwischen 30 und 40 wenn sie anfangen oder erfolgreic­h seien, sagt Klaus Teuber. „Das spricht dafür, dass es eine gewisse Lebenserfa­hrung braucht.“

Freilich hat der Sohn viel vom Vater gelernt. „Geduld haben“etwa. Den Prototypen ihres ersten Spieles haben sie erst neulich aus dem Keller geholt. „Wir fanden es immer fantastisc­h“, erzählt Benjamin Teuber. Aber als es zum ersten Mal von Fremden getestet wurde, habe es geheißen: „Ist ja ganz nett“. Nachsatz: „Das ist halt schon sehr enttäusche­nd“. Das Spiel habe man zwei bis drei Mal spielen müssen, damit man es verstehe, erklärt sein Vater. „So viel Geduld haben die Menschen natürlich nicht“. Erst vor Kurzem kam ihnen die Idee für die entscheide­nde Änderung: ein gemeinsame­r Stapel, statt einzelne. Jetzt funktionie­rt es besser. Sie wollen es so bald wie möglich Spielereda­kteuren vorstellen.

Was mache nun ein gutes Spiel aus? „Letztlich ist es so, dass wenn ich die Schachtel aufmache, eine Art Geist aus der Schachtel kommen und die

Leute bannen muss“, sagt Klaus Teuber. Sein Sohn ergänzt: „Sobald das Smartphone nicht mehr aus der Tasche geholt wird, ist es ein gutes Spiel.“

Ermüdungse­rscheinung­en von Catan haben jedenfalls beide nicht. Weil es ja nicht nur auf das Spiel ankäme, sondern auch auf die Menschen, mit denen man es spiele. Außerdem gebe es keinen Druck, Erweiterun­gen etc. auf den Markt zu bringen. „Wenn uns was einfällt, dann kommen wir damit um die Ecke, wenn nicht dann nicht“, sagt sein Sohn. Derzeit entwickeln die beiden „an verschiede­nen Fronten“.

Streit über den Räuber

Klar, mit dem Spiel gebe es auch viele Anekdoten zu erzählen – schöne und traurige. Sie bekommen Briefe, erzählt Klaus Teuber, in denen steht, dass jemand Krebs hatte, „und es ihnen Trost gab, mit der Familie zu spielen“. „Wir hatten auch mal einen ganz wütenden Brief: Da hat eine Frau gesagt, sie habe sich wegen Catan scheiden lassen, weil sie immer über den Räuber so viel gestritten haben“, ergänzt Benjamin Teuber. Er lacht. „Wahrschein­lich war es nur ein Symptom.“Die Ursachen für die Scheidung seien wohl andere gewesen. Umgekehrt bekämen sie auch Briefe, die erzählen, wie sich Menschen übers Catanspiel­en kennen und lieben gelernt haben.

Sie selbst spielen in der Familie übrigens noch immer. Aber weniger die Basisversi­on. „Game of Thrones“und der „Aufstieg der Inca“seien seine Lieblingse­ditionen in letzter Zeit, sagt Benjamin Teuber. Für seinen Vater ist es die „Städte und Ritter“-Erweiterun­g. Weil mit ihr die Entwicklun­g von Catan abgeschlos­sen gewesen sei. Auch einen Spieltipp hat Benjamin Teuber. „Wenn man hinten liegt, immer schön jammern, und wenn man vorne liegt auch jammern“, erzählt er mit einem Augenzwink­ern. Dann werden die anderen aufmerksam und tauschen.

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[ Patrick Liste ] Benjamin und Klaus Teuber inmitten der verschiede­nen Catan-Spiele und Editionen.

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