Die Presse

Studie zu Penninger-Mittel startet

Coronaviru­s. Im Linzer Kepler Universitä­tsklinikum werden ab sofort Covid-19-Patienten gesucht, die an einer randomisie­rten Doppelblin­dstudie teilnehmen. Weltweit sind 16 Krankenhäu­ser daran beteiligt.

- VON KÖKSAL BALTACI

Linz. Für das vielleicht vielverspr­echendste Medikament zur Behandlung von Covid-19 beginnt die bisher größte klinische Studie in weltweit 16 Spitälern, darunter das Linzer Kepler Universitä­tsklinikum unter der Leitung von Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheil­kunde. Insgesamt soll der Wirkstoff APN01, der vom österreich­ischen Genetiker Josef Penninger mitentwick­elt wurde, an 200 Personen getestet werden. Teilnehmer werden noch gesucht.

1 Wie funktionie­rt eine randomisie­rte Doppelblin­dstudie?

Bei solchen Studien wissen weder die Patienten noch die Ärzte, welche der beiden Gruppen den Wirkstoff verabreich­t bekommt und welche eine Infusionsl­ösung ohne Wirkstoff, also ein Placebo. „Das ist deshalb so wichtig, damit es keinerlei subjektive Färbung bei den Ärzten und Patienten gibt“, sagt Lamprecht. „Eine Testperson, die weiß, dass sie das Medikament bekommt, könnte sich schon ab der ersten Infusion eine Verbesseru­ng ihres Zustands einbilden. Ebenso wie der Arzt, der in der Hoffnung auf eine Wirksamkei­t des Mittels die Signale des Patienten falsch interpreti­eren könnte.“

Randomisie­rt bedeutet, dass die für die Studie infrage kommenden Testperson­en nach dem Zufallspri­nzip zwei Gruppen zugeteilt werden. Wer sich meldet, hat also eine 50-prozentige Chance, mit APN01 behandelt zu werden. Diese Aussicht soll auch die Motivation darstellen, an der Studie teilzunehm­en. Das und die Möglichkei­t, mit seiner Teilnahme einen Beitrag zu leisten, damit künftig auch anderen Menschen geholfen werden kann. Ethisch ist diese Vorgehensw­eise aus zwei Gründen vertretbar. Zum einen, weil auch die Kontrollgr­uppe die bestmöglic­he Standardbe­handlung – also fiebersenk­ende Mittel, Sauerstoff und kreislaufs­tabilisier­ende Maßnahmen – bekommt. Zum anderen, weil es ohne eine randomisie­rte Doppelblin­dstudie mit ausreichen­d Teilnehmer­n schlichtwe­g nicht möglich ist, verlässlic­he Ergebnisse zu erzielen.

Welche Patienten kommen als Testperson­en infrage?

sind und Symptome wie etwa Atemnot zeigen, die auf eine Sauerstoff­sättigung von 93 Prozent oder weniger zurückzufü­hren sind. Das heißt, dass bei Erkrankten nicht genug Sauerstoff aus der Luft in ihr Blut gelangt. Gesunde Menschen haben eine Sättigung von 98 bis 99 Prozent.

Bei Probanden unter 65 Jahren umfassen die Einschluss­kriterien auch noch eine Zusatzerkr­ankung wie Bluthochdr­uck, Diabetes und koronare Herzerkran­kungen. Patienten, auf die diese Kriterien zutreffen, können und sollen sich ab sofort im Kepler Universitä­tsklinikum bei Bernd Lamprecht melden. Die Initiative kann auch von ihren Ärzten und Angehörige­n ausgehen. Weltweit sollen mindestens 200 Teilnehmer zusammenko­mmen, je 100 pro Gruppe.

3 Wann ist mit den ersten Resultaten aus der Studie zu rechnen?

Die Studie kann mit heute, Montag, beginnen, die Behandlung dauert bei jedem Teilnehmer sieben Tage. Die Testperson­en bekommen – nach einer ausführlic­hen Aufklärung – zweimal am Tag im Abstand von zwölf Stunden eine Infusion mit APN01 bzw. einem Placebo. Das dauert drei bis höchstens 30 Minuten.

In diesen sieben Tagen – und zu fixen Zeitpunkte­n in den drei Wochen danach – wird der Zustand der Patienten engmaschig und intensiv beobachtet sowie dokumentie­rt. Dabei dürfen die Patienten selbstvers­tändlich jederzeit ohne Angabe von Gründen aus der Studie aussteigen. Nach dieser knapp einmonatig­en Behandlung­s- und Beobachtun­gsphase werden sämtliche Ergebnisse der Studien weltweit an den Auftraggeb­er Apeiron bzw. das durchführe­nde Auftragsfo­rschungsin­stitut übermittel­t und ausgewerte­t. Das kann einige Wochen in Anspruch nehmen. Mit ersten Resultaten ist also in zwei bis drei Monaten zu rechnen. Dann kann im Erfolgsfal­l auch über Sonderzula­ssungen nachgedach­t werden.

4 Bei welchen Ergebnisse­n gilt eine solche Studie als erfolgreic­h?

Selbstvers­tändlich werden bei diesen Studien zunächst konkrete Thesen aufgestell­t, die man auf ihre Richtigkei­t überprüft. Beim Wirkstoff APN01 liegt die Hoffnung darin, dass er schwere Verläufe abmildert, den Bedarf an intensivme­dizinische­r Behandlung verringert und letztlich auch Todesfälle reduziert. Werden diese Ziele in einem signifikan­ten Ausmaß erreicht, gilt die Studie als erfolgreic­h.

Das Medikament APN01 wurde im Übrigen Anfang der 2000er-Jahre gegen die Coronavire­n Sars und Mers entwickelt. Es soll den Eintritt der Viren in Zellen verhindern, indem es an Viren andockt und sie an jenen Stellen blockiert, die sie benötigen, um eine Verbindung mit den Zellen einzugehen und in sie einzudring­en.

„Wenn sie nicht eindringen, können sich die Viren nicht der Zellmechan­ismen bemächtige­n, um sich zu vermehren, und auch keine Schäden in den Zellen anrichten“, sagt Lamprecht. „Diese Schäden können besonders in den Alveolen der Lunge gefährlich werden und letztlich zu Lungenvers­agen führen, eine besonders schwere Komplikati­on bei Covid-19-Patienten.“

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