Private Mails bei Gericht
Pflichtverletzung. Wiener Verwaltungsrichter wollte Anliegen seiner Lebensgefährtin mehr Nachdruck verleihen. Schuldeinsicht hatte er aber keine.
Um seiner Lebensgefährtin im Streit mit einem Fitnessclub zu helfen, verschickte ein Richter private Dienstmails, mit Folgen.
Wien. „Ein solches Verhalten ist schon als beleidigend, nicht bloß rechtlich und sachlich inkorrekt zu bezeichnen.“So apodiktisch urteilte ein Mitglied des Landesverwaltungsgerichts Wien in einem E-Mail darüber, wie seine Lebensgefährtin in einem Fitnessclub behandelt worden war. Gerichtet war das Schreiben an den Club, dessen Franchisezentrale sowie den Verein für Konsumenteninformation, und am Ende stand, wiewohl es sich um eine Privatsache handelte, die Dienstsignatur des Richters samt Adresse des Gerichts.
Die Korrespondenz, zu der noch weitere E-Mails gehörten, sollte dem Wunsch der Lebensgefährtin Nachdruck verleihen, den Fitnessclub ohne Zusatzkosten zu verlassen. Sie ist schon vier Jahre her, und doch steht bis heute nur fest, dass der Richter gegen seine Dienstpflichten verstoßen hat. Hingegen ist noch immer offen, welche Strafe angemessen ist.
Um es kurz zu machen: Erst hatte der Disziplinarausschuss gar nichts an der Vermengung von
Dienst- und Privatsphäre auszusetzen gefunden, was der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) auf Antrag der Disziplinaranwältin der Stadt Wien korrigierte. Dann sprach das Bundesverwaltungsgericht den Richter schuldig.
Dem Vertrauen geschadet
Mit den E-Mails in einer Privatangelegenheit, die er von seiner Dienstadresse verschickt hat, habe er unterlassen, alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte, hat das Gericht erkannt. Folge: Geldbuße in Höhe eines halben Monatsgehalts, bedingt nachgesehen auf dreijährige Bewährung.
Die Disziplinaranwältin fand auch das noch zu milde und brachte den Fall nochmals vor den VwGH. Der bestätigt nun, dass das Verwaltungsgericht sein Ermessen überschritten hat: Denn es hat ein Tatsachen- und Schuldeingeständnis als Milderungsgrund angenommen, obwohl keines von beiden vorgelegen ist. Der Richter hat weder wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen, noch hat er reumütig gestanden und seine Tat gesinnungsmäßig missbilligt.
Zwar hat er angekündigt, so etwas nicht mehr zu tun, „allerdings nur, um sich die nachfolgenden Probleme zu ersparen“. Für die Heranziehung eines Geständnisses als Milderungsgrund bleibt damit kein Platz (Ro 2020/09/0002).
Richtigerweise wurden jedoch die Unbescholtenheit und ausgezeichnete Dienstverrichtung mildernd gewertet, ebenso das überlange Verfahren. Bis das Bundesverwaltungsgericht neu entscheidet, dauert es jetzt noch länger.