Erzrivalen wollen die Macht teilen
Afghanistan. Der monatelange Streit und politische Stillstand könnten beendet sein: Präsident Ghani und sein Feind Abdullah Abdullah unterzeichneten einen Deal.
Kabul. Acht Monate lang hat der innenpolitische Streit die Politik in Afghanistan gelähmt. Nun gibt es Hoffnung auf Fortschritte: Am Sonntag haben sich die beiden Hauptrivalen, der afghanische Präsident Ashraf Ghani und sein langjähriger Erzfeind und Wahlrivale Abdullah Abdullah, auf eine Machtteilung geeinigt.
Abdullah soll nun Vorsitzender des Nationalen Aussöhnungsrates werden – der Rat für Friedensgespräche mit den radikalislamischen Taliban. Zudem werden Mitglieder seines Wahlkampfteams ins Regierungskabinett aufgenommen: Dies verkündete Ghanis Sprecher Sedik Sedikki am Sonntag überraschend über den Kurzmitteilungsdienst Twitter. Ghani und sein Wahlrivale Abdullah hätten die politische Vereinbarung für eine Machtteilung in Kabul am Sonntag unterzeichnet, wie Regierungssprecher Sedikki mitteilte.
Beide Politiker hatten nach der Präsidentschaftswahl im vergangenen Herbst den Sieg für sich reklamiert und sich im März als Staatschefs vereidigen lassen.
Die politische Elite war nach dem Ausgang der Präsidentenwahl im Herbst 2019 gespalten. Die Wahlkommission erklärte Ghani zwar im Februar mit knapper Mehrheit zum Sieger, Abdullah erkannte das Ergebnis aber nicht an.
Auch er ließ sich nach Ghanis Amtseid von seinen Anhängern zum Präsidenten erklären. Ghani baute daraufhin sein Kabinett in dem präsidialen System um und setzte Abdullah ab. Der ehemalige Regierungsgeschäftsführer Abdullah hatte immer von Wahlbetrug gesprochen.
Vermittlungsversuche durch US-Außenminister Mike Pompeo Ende März schlugen fehl. Die USA hatten daraufhin mehr als eine Milliarde Dollar Hilfsgelder eingestellt und mit weiteren Einschnitten gedroht. Bereits nach der Präsidentenwahl 2014 hatten die beiden Rivalen Ghani und Abdullah über den Sieg gestritten. Als Kompromiss wurde damals mit Vermittlung der Vereinigten Staaten nach Monaten eine Einheitsregierung gebildet.
Weg frei für Friedensdialog?
Am 29. Februar unterzeichneten die USA mit den Taliban ein Abkommen, das einen schrittweisen Abzug internationaler Truppen aus Afghanistan vorsieht. Die Regierung in Kabul war nicht daran beteiligt, weil die Taliban direkte Gespräche mit ihr abgelehnt hatten. Der Deal sieht einen Gefangenenaustausch vor und soll den Weg für Friedensgespräche ebnen.
Zudem hatten Anschläge zuletzt die Hoffnungen auf ein Ende der Feindseligkeiten gedämpft: Die Regierung rief zur Vergeltung und einer Offensive auf – eine weitere Phase des Krieges könnte somit bevorstehen. Offen bleibt nun, ob eine Verständigung der beiden Kontrahenten neue Schritte Richtung Frieden ermöglicht. (ag.)