Die Presse

„Wir müssen erst wieder feiern lernen“

Sekt. Der neue Schlumberg­er-Chef Benedikt Zacherl fürchtet eine Pleitewell­e unter Gastronome­n im Herbst und fordert ein zweites Hilfspaket für die Lokalbetri­ebe.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Eigentlich hätte Benedikt Zacherl ja allen Grund zur Freude. Nach fünf Monaten an der Spitze des traditions­reichen Sektherste­llers Schlumberg­er hat der Jurist erreicht, wofür er so lange gekämpft hat: Die umstritten­e Schaumwein­steuer ist Geschichte. Dass es dafür eine Coronapand­emie gebraucht habe, trübe die Freude über das Ende der Bagatellst­euer aber doch erheblich, sagt er zur „Presse“.

Zumal der Lockdown der Regierung auch das Geschäft des österreich­ischen Produzente­n hart getroffen hat: Der Umsatz in Lokalen und in den Duty-Free-Shops der Flughäfen fiel schlagarti­g auf Null. Und auch in den offenen Supermärkt­en hamsterten die Österreich­er lieber andere Waren als Schaumwein­e und Spirituose­n. „Im ersten vollen Coronamona­t April ist unser Umsatz um die Hälfte eingebroch­en“, sagt der neue Schlumberg­er-Chef. 80 Prozent der Mitarbeite­r seien noch bis voraussich­tlich Ende Juni in Kurzarbeit.

Die Wiedereröf­fnung der Gastronomi­e nach zwei Monaten Coronapaus­e sieht er als Hoffnungss­chimmer. Immerhin macht er hier 40 Prozent seines Umsatzes in Österreich. Doch Zacherl warnt vor zu großen Erwartunge­n. Nur weil die Betriebe wieder aufsperren dürfen, heiße das nicht, dass alles wieder laufe wie vorher. Für viele kleine Betriebe sei angesichts der strikten Regelungen ein „wirtschaft­liches Öffnen nahezu unmöglich“. Die Verunsiche­rung sei auch bei den Gästen nach wie vor groß, die Maskenpfli­cht für Kellner helfe nicht am Weg zur Normalität. Die Österreich­er müssten das Feiern erst wieder lernen.

Wo bleiben die Gäste?

Die Bilanz nach dem ersten Wochenende mit offenen Lokalen gibt ihm Recht: Für die breite Masse der Gastronome­n hat die Wiedereröf­fnung nicht den erhofften Ansturm gebracht. Wenn sich das nicht ändert, die Touristen weiter ausbleiben und die Kurzarbeit auslaufe, dürften viele Betriebe in Probleme kommen, sorgt sich Zacherl. Die Eigenkapit­aldecke vieler Lokale sei schon vor der Krise nicht sonderlich dick gewesen. Schlumberg­er versuche etwa über längere Zahlungszi­ele, das Aussetzen von Preiserhöh­ungen und zusätzlich­er Ware zu helfen. Aber „es wird ein zweites Gastropake­t im Herbst brauchen. Ansonsten werden wir einige Betriebe verlieren.“

Für sein Unternehme­n, das im Vorjahr 6,9 Millionen Flaschen Sekt verkauft und einen Umsatz von 183,3 Millionen Euro und ein Ergebnis von 4,2 Millionen Euro erwirtscha­ftet hat, erwartet er nach dem Durchhänge­r im heurigen Jahr ein starkes Comeback in 2021.

Zwar werde das Geschäft auf den Flughäfen und mit dem Kongressto­urismus noch eine Zeitlang unter dem normalen Niveau laufen. Im Handel und in der Gastronomi­e rechnet Zacherl aber mit einer Rückkehr zu alter Stärke. Ein Umsatzbrin­ger 2021 dürften Hochzeiten werden, die im Coronajahr oft abgesagt wurden. „Das ist eine Veranstalt­ung, wo man davon ausgehen kann, dass 90 Prozent davon nachgeholt werden.“

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