Die Presse

Stark gefallene Aktien sind nicht unbedingt die beste Wahl

Ölaktien haben seit dem Krisentief am stärksten zugelegt. Dass sie auch die Bestperfor­mer der Zukunft sind, ist dennoch wenig wahrschein­lich. In der Erholung fiel das Plus bei den Konsumakti­en unterdurch­schnittlic­h aus.

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Ist die Krise an den Aktienmärk­ten wirklich schon vorbei? Das weiß keiner. Der Vergleich mit früheren Krisen stimmt aber kaum zuversicht­lich. Sowohl während der Dotcom-Krise (2000 bis 2002) als auch der Finanzkris­e (2008/09) hatte es nach dem Absturz eine Scheinerho­lung gegeben, der ein noch tieferes Tief folgen sollte, bevor endgültig die Erholung einsetzte.

Ob auch die gegenwärti­ge Erholung eine Scheinerho­lung ist oder schon wieder der Beginn eines neuen mehrjährig­en Bullenmark­ts, muss sich erst herausstel­len. Inzwischen ist es fast zwei Monate her, dass die Aktienmärk­te ihr Coronatief erreicht haben. Zeit für einen Rückblick: Binnen nur fünf Wochen war der Dow Jones um 37 Prozent abgestürzt. Alle 30 Werte hatten nachgegebe­n. Am glimpflich­sten war die Aktie des Einzelhänd­lers Walmart mit einem Minus von drei Prozent zwischen 19. Februar (Rekordhoch des Index) und 23. März (Tief ) davongekom­men. Am schlimmste­n erwischt hatte es das Papier des Flugzeughe­rstellers Boeing, das mehr als zwei Drittel seines Werts verloren hatte, gefolgt vom Ölkonzern Chevron (minus 51 Prozent).

Und seitdem? Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte man genau die Aktien kaufen sollen, die am tiefsten gefallen sind. Bestperfor­mer seit 23. März ist Chevron mit einem Plus von 66 Prozent. Die krisenfest­e Walmart-Aktie hingegen ist mit einem Plus von nur acht Prozent der drittschwä­chste Wert in der Erholung.

Ein zweiter Blick zeigt, dass die Sache nicht so einfach ist. Krisenverl­ierer Boeing landete auch in der Erholung mit einem Plus von 16 Prozent nur auf Platz 23 von 30. Die Pharmawert­e Pfizer und Johnson & Johnson hielten sich hingegen in beiden Marktphase­n unter den Top zehn.

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch, wenn man die Entwicklun­g der elf Sektoren im Weltaktien­index MSCI World vergleicht. Die schlechtes­ten Branchen während des Absturzes waren Ölwerte, Banken, Immobilien­titel und Industriea­ktien. Die Ölkonzerne litten unter dem Angebotsüb­erhang und dem Nachfrager­ückgang, eine Kombinatio­n, die den Preis für die US-Ölsorte WTI zeitweise in den negativen Bereich drehen ließ.

Den Bankaktien machte die Befürchtun­g zu schaffen, es könnte vermehrt zu Kreditausf­ällen kommen, den Immobilien­papieren die geschlosse­nen Geschäfte und die Sorge, viele Firmen könnten dauerhaft auf Home-Office umsteigen und dann weniger Bürofläche benötigen. Die Industriek­onzerne wiederum litten unter der allgemeine­n Konjunktur­schwäche und den weltweiten Betriebsst­illlegunge­n.

Überdurchs­chnittlich gut schlugen sich Aktien aus dem defensiven Konsum (dazu zählen etwa Lebensmitt­elhändler oder -hersteller), Gesundheit, Telekom und IT, wenngleich auch diese Aktien im Schnitt zweistelli­g verloren haben.

In der Erholungsp­hase fiel das Plus bei den Konsumtite­ln hingegen unterdurch­schnittlic­h aus, mit Ölwerten hätte man am meisten verdienen können. Umgekehrte Verhältnis­se? Nicht wirklich. Die Ölwerte waren übertriebe­n stark nach unten geprügelt worden, das hat der Markt nun korrigiert. IT- und Gesundheit­saktien performten sowohl in der Absturz- als auch der Erholungsp­hase überdurchs­chnittlich gut, Finanz- und Immobilien­werte hinkten hingegen auch in der Erholungsp­hase hinterher.

Dass sich in Krisen die Verhältnis­se umkehren, scheint eher die Ausnahme denn die Regel zu sein. Das zeigte sich auch nach der Finanzkris­e, die etwa globalen Ölwerten und europäisch­en Banktiteln schwer zugesetzt hatte. Diese Werte setzten zunächst zu einer steilen Erholung an. Jetzt sind sie noch billiger zu haben als auf dem Finanzkris­entief.

E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

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