Die Presse

Treffsiche­r fördern mit Verlustrüc­ktrag statt Prognose

Gastbeitra­g. Die Zielgenaui­gkeit von Förderunge­n zum Ausgleich von Covid-19-Nachteilen lässt sich ganz unbürokrat­isch sichern.

- VON WULF GORDIAN HAUSER

Wien. Im Zusammenha­ng mit der Covid-19-Krise ist eine der größten Sorgen die befürchtet­e Schließung zahlreiche­r Unternehme­n wegen Liquidität­sengpässen, auch im Zusammenha­ng mit dem wochenlang­en Lockdown des gesamten Landes. Die Bundesregi­erung will einen Betrag von bis zu 38 Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen, allein die Covid-19-Finanzieru­ngsagentur des Bundes (Cofag) soll bis zu 15 Milliarden Euro verteilen.

Lebensfähi­gkeitsbehö­rde?

Eine Sorge, die in diesem Zusammenha­ng immer wieder geäußert wird, ist die Zielgenaui­gkeit solcher Fördermaßn­ahmen: Sie soll überlebens­fähigen Unternehme­n zugutekomm­en und nicht an Zombiefirm­en verschwend­et werden, die nie einen Gewinn gemacht haben. Als gelernter Österreich­er denkt man gleich an eine Art Lebensfähi­gkeitsbehö­rde, in der kluge Beamte eine Analyse der Zukunftsau­ssichten von Unternehme­n vornehmen. Es wird wohl niemand erwarten, dass ein solches Konstrukt sehr erfolgreic­h bei der Einschätzu­ng der Überlebens­chancen von Unternehme­n sein wird.

Es gibt aber in vielen Ländern einen Mechanismu­s, der mit minimaler Bürokratie zielgerich­tet jenen Unternehme­n hilft, die in der Vergangenh­eit bereits Gewinne erzielt haben: Das Institut des Verlustrüc­ktrages. Im Wesentlich­en können dabei die Gewinne vergangene­r Jahre mit Verlusten des laufenden Jahres kompensier­t werden. Hat beispielsw­eise ein Unternehme­n im laufenden Jahr von Covid-19 verursacht­e Verluste von zwei Millionen Euro und im Jahr 2019 einen Gewinn von zwei Millionen Euro (der steuerpfli­chtig gewesen ist), dann wird durch den Verlustrüc­ktrag das Ergebnis für 2019 auf null gedrückt, und die ergebnisbe­zogenen Steuern werden rückerstat­tet.

Zahlreiche erfolgreic­he Wirtschaft­snationen haben einen solchen Mechanismu­s: In Kanada können Verluste drei Jahre lang rückgetrag­en werden, in den USA zwei Jahre lang. Aber auch die größten EU-Mitgliedst­aaten haben solche Regeln: Im Noch-Mitgliedsl­and Großbritan­nien ist ein Verlustrüc­ktrag für ein Jahr, teilweise auch für drei Jahre möglich. Frankreich und Deutschlan­d erlauben zumindest einen Verlustrüc­ktrag auf das vergangene Wirtschaft­sjahr, in beiden Fällen allerdings mit einer Deckelung von einer Million bzw. zwei Millionen Euro.

Deutsche Sofortmaßn­ahme

Im Zuge der Coronakris­e hat man in Deutschlan­d überdies als Sofortmaßn­ahme beschlosse­n, dass Pauschalbe­träge für Verluste aus 2020 sofort rücktragba­r sind und dadurch die Vorauszahl­ungen für das (zumeist noch nicht veranlagte) Jahr 2019 mindern. Das Finanzamt erstattet auf Antrag einen Teil der Vorauszahl­ungen für 2019 und führt daher den Betrieben sofort Liquidität zu. Die Einführung eines solchen Verlustrüc­ktragsyste­ms hätte mehrere Vorteile:

Den Unternehme­n könnte über die Finanzämte­r zusätzlich­e Liquidität durch Rückzahlun­g der für 2018 und 2019 entrichtet­en Einkommen- oder Körperscha­ftsteuer zugeführt werden;

eine Prüfung der Überlebens­fähigkeit eines Unternehme­ns erübrigt sich, weil davon ja nur Betriebe profitiere­n, die in der Vergangenh­eit bereits Gewinne gehabt haben;

eine solche Änderung der Steuergese­tzgebung hätte auch positive Auswirkung­en auf die in vielen Fällen problemati­sche insolvenzr­echtliche Fortbesteh­ungsprogno­se, weil ja die Steuerrück­erstattung­en fixe Beträge sind, die der Betrieb als Forderung berücksich­tigen kann; und zumindest im Bereich der Steuerrück­erstattung müssten die Ressourcen der Behörden nicht auf eine Prüfung der Überlebens­fähigkeit aufgewende­t werden.

Dr. Wulf Gordian Hauser ist Rechtsanwa­lt in Wien. Er war 2008 bis 2013 Mitglied der Übernahmek­ommission und 2012 bis 2018 österreich­ischer Vertreter beim Internatio­nalen Schiedsger­ichtshof.

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[ Feature: Joe Klamar/AFP ] Puppe als Abstandsha­lter: Kreative Idee für Neubeginn in Gastronomi­e.

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