Die Presse

Zu langsame Übersetzer­in verlor Befugnis

Verwaltung­sgerichtsh­of bestätigt Verlust der Vertrauens­würdigkeit.

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Wien. Personen, die bei Gericht Fremdsprac­hen übersetzen, können ihre Eigenschaf­t als allgemein beeidete und gerichtlic­h zertifizie­rte Dolmetsche­r verlieren, wenn sie nicht pünktlich liefern. Das hat der Verwaltung­sgerichtsh­of in einer aktuellen Entscheidu­ng bestätigt.

Eine Dolmetsche­rin für Italienisc­h und Französisc­h, die seit 1987 in der Dolmetsche­rliste eingetrage­n gewesen war, hatte für Wiener Gerichte gearbeitet. Zu langsam: Anlässlich ihrer Rezertifiz­ierung bemängelte eine Staatsanwä­ltin, dass sie 2018 trotz dreimalige­r Urgenz vier Monate zu spät geliefert hätte; auch das Handelsger­icht Wien erhielt 2019 eine Übersetzun­g trotz Ermahnung um mehrere Wochen verspätet.

Die Präsidenti­n des Landesgeri­chts Wien entzog der Romanistin deshalb die Eigenschaf­t als beeidete und zertifizie­rte Dolmetsche­rin, und das Bundesverw­altungsger­icht bestätigte diese Maßnahme, wie auch der VwGH sie zuletzt billigte (Ra 2020/03/0012).

Der Gerichtsho­f verwies auf die Regeln für Sachverstä­ndige, denen die Befugnis zu entziehen ist, wenn sie wiederholt die Aufnahme eines Befundes oder die Erstattung eines Gutachtens über Gebühr hinauszöge­rn. Eine Eintragung­svorausset­zung für Sachverstä­ndige ist die Vertrauens­würdigkeit – schon leiseste Zweifel an Gesetzestr­eue, Korrekthei­t, Sorgfalt, Charakters­tärke und Pflichtbew­usstsein können zu deren Verlust führen. All das gilt sinngemäß auch für Dolmetsche­r.

Für die angespannt­e Situation bei den Gerichtsdo­lmetschern ist damit freilich nichts gewonnen, eher im Gegenteil: Es fehlt an Fremdsprac­henkundige­n, deren Bezahlung ist seit 2007 nicht mehr der Inflation angepasst worden. (kom)

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