Die Presse

Wahres von foischn Wienern

Musik. Martin Spengler mischt das Neue Wienerlied mit souligen Liedern auf. Das neue Werk „Es könnt oba a ois gaunz aundas sein“ist sein bislang schönstes.

- VON SAMIR H. KÖCK

ann man sich das berühmte „Weana Gmiat“wie eine Kapuze überstülpe­n oder muss man prädisponi­ert sein?

Martin Spengler, der schon 1993 aus dem oberösterr­eichischen Micheldorf zugereiste Musiker, reagiert mit einem etwas säuerliche­n Lächeln auf diese Frage. „Zum einen bin ich schon mehr Jahre in Wien als ich in Oberösterr­eich zugebracht habe, zum anderen sind mit der Definition des ,Weana Gmiat‘ zu viele Klischees verbunden. Aber wenn man es positiv sehen will, dann ist dieser idealisier­te mentale Zustand eine Form von alkoholind­uziertem Stoizismus.“

Recht gelassen nimmt Spengler auch die durch das Coronaviru­s ausgelöste Lähmung der hiesigen Szene hin. Kein Wunder, frönt der Mann doch als Geschichts- und Musiklehre­r einer klandestin­en, bürgerlich­en Existenz. Zwar hat es ihm die konzertant­en Feierlichk­eiten zum Release des Albums verhagelt, aber die prinzipiel­l gute Laune ließ er sich nicht nehmen.

Die Zeit der Quarantäne hat Spengler in seinem Schallarch­iv verbracht. Er hat Material gesichtet, das sich über die Jahre so angesammel­t hat. „Die souligen Stücke, die bekommen die foischn Wiener, anderes kam in jenes Töpfchen, in dem mein Soloprojek­t mit Gottfried Gfrerer schön langsam Gestalt annimmt. Das geht mehr in Richtung Townes-Van-ZandtCount­ry.“

5/8erl in Ehr’n als Inspiratio­n

Auf diese überrasche­nde Wende im Werk von Spengler kann man sich freuen. Mit seiner souligen Wienerlied­truppe, mit der er seit 2012 Alben macht, nascht er am selben Publikumss­egment wie die 5/8erl in Ehr’n. Deren Lied „Es muß was Wunderbare­s sein“war so etwas wie die Initialzün­dung für die soulige Wienerlied­musik von Spengler. Davor hat er die Rockband Guy Montag (benannt nach dem Protagonis­ten von Ray Bradburys „Fahrenheit 451“) geführt, mit der er öfter das Chelsea ausverkauf­t hat.

„Vor zehn Jahren habe ich begonnen, wieder deutschspr­achige Lieder zu schreiben. Ohne Hintergeda­nken. Dann hörte ich dieses Lied von den 5/8erl in Ehr’n. Das hat alles verändert für mich.“Zwei Jahre später waren Martin Spengler & die foischn Wiener fixer Bestandtei­l des kleinen Weltzirkus des neuen Wienerlied­s.

Mit dem famosen aktuellen Opus „Es könnt oba a ois gaunz aundas sein“stärkten sie ihre Position. Es bietet zehn sensible, hochmelodi­öse Lieder, die mit Gesellscha­ftskritik nicht geizen. „Den Gedanken, der zum Titel führte, las ich bei einem Soziologen. Mir hat der Satz gefallen, obwohl ich ihn im Kontext gar nicht verstanden habe. Geplant war die neue Liedersamm­lung als beinhartes Protestalb­um. Dann ist es wieder viel schöner und optimistis­cher geworden“, meint Spengler beinah resignativ.

Tatkräftig mitgeholfe­n hat Sängerin Manuela Diem. Was er an ihr schätzt? „Alles!“, poltert es aus ihm raus. „Ich nenne sie manchmal mein Effektgerä­t, weil sie meine Stimme so viel schöner macht. Mir gefallen Frauenstim­men, wenn sie in Momenten der Innigkeit total abreißen. Lylit kann das und auch Manuela. Schreien können ja viele. Ich aber finde gerade das Brüchige an Stimmen toll.“

In der Szene ist Spengler nicht stark vernetzt. „Da gibt es viele Cliquen, ich aber bin eher ein Unikum. Als Hörer liebe ich die Gesangskap­elle Hermann und die Strottern. Die Herren vom Kollegium Kalksburg sind überhaupt die Größten.“Letztere agieren gern im Soziotop Weinhaus Sittl.

Proben im Pelikanstü­berl

In dieser Räumlichke­it hat sich auch Spenglers Band gefunden. Geübt wurde im Pelikanstü­berl. Die junge Band wurde rasch geadelt. „Schon unser zweites Konzert fand in ,Trost und Rat‘, der Radiosendu­ng von Willi Resetarits statt. Wir sangen ,Schokolade­nwind‘. Ein paar Tage später hat mich der Willi gefragt, ob er es mit seinem Stubnblues covern darf. Was für eine Freude! Es war der ideale Startschus­s für uns.“Routine hat sich dennoch keine eingestell­t. Spenglers heiteres Resümee: „Unter Kontrolle habe ich gar nichts.“Und das ist gut so.

 ?? [ Akos´ Burg ] ?? Martin Spengler im Wiener Cafe´ Westend.
[ Akos´ Burg ] Martin Spengler im Wiener Cafe´ Westend.

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