Die Tücken des neuen Schulalltags
Die erste Woche ist fast geschafft. Gröbere Pannen sind bei der Öffnung ausgeblieben. Doch es mehrt sich die Kritik an den strengen Verhaltensregeln. Es soll vor allem mehr Bewegung für Kinder geben.
In einer „fast normalen Schule“hat Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) die Kinder am Montag, bei ihrer Rückkehr, willkommen geheißen. Die Bezeichnung „ganz normal“wäre auch übertrieben gewesen. Zu viele Vorschriften und Veränderungen hat es dafür gegeben.
Die rund 700.000 Sechs- bis 14-Jährigen werden bis zu den Ferien im Schichtbetrieb in den Klassen Platz nehmen. Sie haben auf den Gängen einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und dürfen ihn nur während des Unterrichts abnehmen. Den Ein-Meter-Mindestabstand haben sie ständig einzuhalten. Durch alle diese Vorschriften haben sich viele Veränderungen für den Unterricht selbst und auch für das Miteinander ergeben. Ein Überblick.
1 Wie ist der Neustart in den Schulen bisher gelaufen?
Ganz gut. Nur eine Schule blieb wegen eines Corona-Verdachtsfalls vorübergehend einen Tag geschlossen. Abgesehen davon sind gröbere Pannen ausgeblieben. Der Schulbetrieb scheint auch unter verschärften Hygienevorschriften zu funktionieren. Angesichts der „unklaren Etappenpläne, der widersprüchlichen Richtlinien und der verspäteten Informationsschreiben ist der gute Start bemerkenswert“, sagt der oberste Lehrergewerkschafter, Paul Kimberger, mit einer Spitze gegen die politisch Verantwortlichen. Die Schulen hätten beweisen, „dass man sich auf sie verlassen kann“.
2 Wird den Schulen tatsächlich generell ein gutes Zeugnis ausgestellt?
Nein. Es ist wie immer in der Bildung: Die Erfahrungen sind von Schule zu Schule, von Kind zu Kind und damit von Eltern zu Eltern verschieden. „Natürlich wird es die ganze Bandbreite geben“, sagt Kimberger. An manchen Standorten dürften die Regeln laut einzelnen Schilderungen besonders locker gehandhabt werden. Zu locker für das Empfinden manch besorgter Eltern. Andere Schulen legen die Regeln besonders streng aus. Dort müssen die Kinder, damit der Mindestabstand eingehalten werden kann, auch in den Pausen auf ihren Plätzen sitzen. Mancherorts dürfen sie laut Elternberichten dabei offenbar nicht einmal miteinander sprechen. So will man Tröpfchenübertragungen vermeiden.
3 Wird es bei diesen strengen Vorschriften für Schüler bleiben?
Vorerst schon. Es müsse bei all diesen Dingen, warnte der Minister, „ein gewisser Hausverstand“angewendet werden. Die Kritik an den Vorschriften mehrt sich aber bereits – von Elternseite (inklusive Unterschriftenaktionen) und auf politischer Ebene. Neos-Parteichefin Beate Meinl- Reisinger sprach von einer „militärischen Disziplinierung“der Kinder. Besonders umstritten ist die Maskenpflicht. Sie gilt für alle Personen im Schulgebäude – nur während des Unterrichts darf der Schutz abgenommen werden. Die Neos wollen die Pflicht für Sechs- bis 14-Jährige aufheben. Damit sind sie nicht allein. Die FPÖ hält diese für „schikanös“und „absurd“. Seit Mittwoch kann sich auch die SPÖ Lockerungen vorstellen. „Das Maskentragen bei Kindern sollte man sich fachlich genauer anschauen“, sagte Pamela Rendi-Wagner. Die Sinnhaftigkeit und die wissenschaftliche Evidenz müssten analysiert werden.
4 Wie denkt Bildungsminister Heinz Faßmann über die Maskenpflicht?
Aufheben will er sie nicht. Doch auch der Bildungsminister plädiert, wie „Die Presse“ bereits berichtet hat, für ein „tolerantes Vorgehen“bei den Volksschulkindern. Generell müssten Masken nur dort getragen werden, wo der Abstand nicht eingehalten werden kann. Schulen mit viel Platz können hier weniger strenge Vorgaben machen als andere.
5 Wie sieht es mit den anderen Einschränkungen – etwa mit der Bewegung – aus?
Auch hier wird der Unmut ggrößer. Neben den Neos will nun auch die SPÖ Einschränkungen für Kinder aufheben. Denn die Hygienevorschriften haben dazu geführt, dass in vielen Schulen nicht mehr gespielt, weniger musiziert und seltener an gemeinsamen Projekten gearbeitet wird. Von einer Rückkehr des Frontalunterrichts ist da etwa die Rede (siehe Erfahrungsbericht von Direktoren auf Seite 2). Damit seien für das Wohlbefinden von Kindern wichtige Aktivitäten ver
boten, sagte Kärntens Landeshauptmann, Peter Kaiser (SPÖ), am Mittwoch. Spielen, Musik oder gemeinsame Projekte sollen schnell wieder ermöglicht werden.
Auch den Sport wünscht sich die SPÖ zurück in die Schulen. Der Turnunterricht ist derzeit nämlich gestrichen. „Sport und Bewegung völlig von den Schulen zu verbannen ist Unfug. Wenn es gelingt, für Sportvereine sinnvolle Regeln zu treffen, dann ist das auch im Schulbereich machbar“, sagte SPÖBildungssprecherin Sonja Hammerschmid zur „Presse“. Ähnliches haben auch Sportler, Sportwissenschaftler und Funktionäre schon gefordert. Und auch Lehrergewerkschafter Kimberger kann das Verbot „nicht nachvollziehen“.
Bewegungseinheiten seien nicht verboten, hieß es zuletzt aus dem Ministerium. Die können im Freien durchgeführt werden. Generell müsse man die Situation im Lauf der Zeit immer wieder neu bewerten.