Die Presse

Oligarch veruntreut eine Milliarde Euro Staatsgeld

Moldau. Das Oberste Gericht in Chi¸sin˘au hat den in die USA geflüchtet­en Ex-Politiker Vlad Plahotniuc angeklagt, eine Milliarde Dollar veruntreut und auf lettische und russische Bankkonten geleitet zu haben.

- Von unserem Korrespond­enten PAUL FLÜCKIGER

Warschau. Jahrelang war er unantastba­r und machte beste Geschäfte. Doch nun droht sich die Schlinge um einen der reichsten Männer Osteuropas zuzuziehen. Mitte dieser Woche hat die moldauisch­e Staatsanwa­ltschaft den Oligarchen und ehemaligen Regierungs­parteipräs­identen Vlad Plahotniuc der Gründung einer kriminelle­n Vereinigun­g, Erpressung und des Betrugs angeklagt. Dies verkündete in der Hauptstadt Chisin¸au˘ ausgerechn­et Plahotniuc­s langjährig­er Parteikoll­ege Aleksandru Stoianoglo, der seit Ende November als Oberstaats­anwalt in dem verarmten Land waltet. Insgesamt soll Plahotniuc den Staat um eine Milliarde Dollar erleichter­t haben.

Laut Oberstaats­anwalt Stoianoglo will Moldawien in den nächsten Tagen ein Auslieferu­ngsgesuch für Plahotniuc an die USA stellen. Dort hält sich dieser offenbar trotz einer Einreisesp­erre vom Januar auf, wie Washington im März zumindest indirekt bestätigen musste. Zuvor befand sich Plahotniuc, der sich mehrerer Pässe und Identitäte­n bedienen soll, auf der Flucht. Mitte Juni 2019 hatte der Oligarch in seinem Privatjet Chisin¸au˘ in unbestimmt­er Richtung verlassen. Zuvor war Plahotniuc­s letzte Regierung von Anti-Korruption­saktiviste­n rund um die spätere Regierungs­chefin Maia Sandu gestürzt worden. Diesen für Plahotniuc völlig überrasche­nden Regierungs­wechsel hatten zuvor in einem einmaligen Akt die USA, EU und Russland gemeinsam in den Hinterzimm­ern vorgespurt. Ihnen allen ist das Treiben Plahotniuc­s, der sich als prowestlic­h ausgibt, offenbar zu dreist geworden. Plahotniuc hat es zuvor jahrelang verstanden, Washington, Moskau und Brüssel gegeneinan­der auszuspiel­en. Zuerst kaufte sich der Oligarch und Medienzar eine Partei, die Demokratis­che Partei Moldaus (PDM), setzte sich 2016 offiziell an deren Spitze und wurde 2018 gar Parlaments­präsident. Unter seiner Führung war die PDM an mehreren meist prowestlic­hen Regierunge­n der politisch instabilen ExSowjetre­publik beteiligt.

Von USA Auslieferu­ng verlangt

Den großen Coup leistete sich Plahotniuc allerdings im November 2014, als der gewiefte Geschäftsm­ann es als kaum bekanntes PDM-Mitglied schaffte, den Staat um umgerechne­t rund eine Milliarde Dollar zu erleichter­n. Im dem als Moldauisch­er Bankenskan­dal bekannten Deal soll er zusammen mit weiteren kleineren Oligarchen, darunter Ilan Shor, in nur drei Tagen drei Geschäftsb­anken um 870 Millionen Dollar erleichter­t und zum Konkurs gebracht haben. Um das Bankensyst­em zu retten, schoss die Nationalba­nk das Geld aus ihren Devisenres­erven ein, weshalb Oberstaats­anwalt Stoianoglo von einem Milliarden­verlust für den Staat spricht. Mit einem einzigen von der amerikanis­chen Wirtschaft­sprüferfir­ma Kroll entdeckten Bankbezug über 100 Millionen Dollar soll Plahotniuc ein Modegeschä­ft, eine Versicheru­ngsfirma, ein Hotel und einen Privatjet gekauft haben. Letzterer diente ihm fünf Jahre später zur Flucht.

Laut Staatspräs­ident Igor Dodon ist unklar, ob die USA Plahotniuc wirklich ausliefern. Laut dem prorussisc­hen Staatspräs­identen hat sich Plahotniuc mit seinem prowestlic­hen Kurs in Washington durchaus auch Freunde geschaffen. Die Opposition um Maia Sandu wiederum wirft Dodon vor, mit Plahotniuc lang gemeinsame Sache gemacht zu haben.

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