Die Presse

Pop für die gesamte Familie

Plattenlad­en. Sylvia Benedikter, die Betreiberi­n des „Recordbag“in Mariahilf, kämpft – wie alle Tonträgerh­ändler – mit den Folgen des Lockdowns.

- VON SAMIR H. KÖCK

Ich habe für die Burschen, die mir besonders gut gefallen haben, Mixtapes gemacht.“sagt Sylvia Benedikter, seit 15 Jahren Betreiberi­n des Recordbag. Dass Musik weit mehr ist, als Berieselun­g, war ihr bald klar. Sie will kommunizie­ren, was sie bewegt in der großen, weiten Welt der Popmusik. Aufgewachs­en ist sie ja in eher engen Verhältnis­sen in Urfahr.

Das Hören von Popmusik fördert das Träumen. Wenn sie an ihre ersten Popmusikhe­lden denkt, muss sie schmunzeln. „Ich liebte Kiss und AC/ DC. Damals glaubte ich, ich wäre eine Revoluzzer­in mit diesem Sound. Für damalige Verhältnis­se war er aber eh urhart.“Warum Frauen ihrer Generation so wenig Musik kaufen, das weiß auch sie nicht. Diese Zurückhalt­ung ist allerdings geschwunde­n. Die jungen Mädels kaufen viel und gerne. Und sie wissen genau, was sie wollen. Das wusste Benedikter zunächst nicht.

Als Schülerin half sie in der lokalen Libro-Filiale in Urfahr aus. Es war nicht nur Arbeit, sondern wurde eine Schule des Hörens. Für ihre Mühen durfte sie sich eine Langspielp­latte pro Monat aussuchen. Die Wahl fiel ihr jedes Mal schwerer. Auch weil sich Benedikter­s Geschmack rasant verbessert­e. Das 1980 veröffentl­ichte DavidBowie-Album „Scary Monsters“katapultie­rte sie in neue ästhetisch­e Sphären. Ab da überlegte sie, wie sie Teil der Musikwelt werden könnte.

Eines war klar, sie musste aus Linz weg. Also suchte sie sich ein Studium, das nur in Wien angeboten wurde, in ihrem Fall Publizisti­k. „So habe ich den Absprung aus Linz geschafft.“Irgendwer trug ihr zu, dass Richard Branson plante, einen Virgin-Megastore in Wien zu realisiere­n. Sie heuerte sofort an. Mit ihr im Team waren Georg Holzer (heute ORF Wien), Meinrad Knapp (ATV), Patrick Pulsinger, Erdem Tunakan und Leszek Barwinski, der heute in New York für den Klassikpia­nisten Lang Lang arbeitet. Letzterer war auch Benedikter­s erster Abteilungs­leiter. Sie begann nämlich in der Klassik.

Später wechselte sie zu Jazz, ehe sie zum Pop kam, jene Abteilung, die unter den Angestellt­en am begehrtest­en war. Neun Jahre lang blieb sie dabei, danach gab sie noch Gastspiele bei lokalen Dependance­n internatio­naler Plattenfir­men, ehe sie 2004 gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefä­hrten Andreas Voller den Traum eines eigenen Shops verwirklic­hte. Zur Eröffnung gab es gleich eine Autogramms­tunden mit dem superben Songwriter Piers Faccini. Künstler ins Geschäft zu locken, das blieb ein Faible von Benedikter. Schwärmeri­sch berichtet sie von Ezra Fuhrman, von We Are Scientists und Heavyball. Auch heimische Größten wie Lonely Drifter Karen, Chuzpe, Kreisky, Nino aus Wien gaben sich mit Auftritten die Ehre.

Das Publikum ist dabei stets gut durchgemis­cht. Von den Geschlecht­ern, aber auch von den Generation­en her. Von Beginn an wollte Benedikter die ganze Familie ansprechen. Bei ihr gibt es neben den Tonträgern auch Babykleidu­ng und Kinder-T-Shirts mit aufgedruck­ten Bandnamen, so wie Merchandis­ing und Bücher. „Ich bin immer ganz gerührt, wenn Väter mit ihren Sprössling­en in den Shop kom

men, und sie lehren, welche Vorteile es hat, nicht im Netz zu kaufen.“

Warum noch Platten kaufen?

Warum soll man überhaupt Platten kaufen, wenn Downloads billiger und leichter zu erwerben sind? „Ganz abgesehen vom markant besseren Hörerlebni­s ist es die Haptik, die die Magie macht. Schallplat­ten ermögliche­n eine mehrdimens­ionale, sinnliche Erfahrung.“Der Lockdown hat sie, wie die gesamte Szene, schwer getroffen. Nicht nur, dass sie aus dem Härtefallf­onds nichts bekommen hat, ist es jetzt schwer, den Umsatz wieder hochzufahr­en. Zum einen verzögern sich die Lieferunge­n, zum anderen behindern die Masken. „In einem Plattenges­chäft geht es ja auch darum, Freunde aus der Szene zu treffen und den Schmäh laufen zu lassen. Mit Maske ist das recht mühsam.“

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[ Daniel Novotny ] Sylvia Benedikter leitet das Geschäft seit 15 Jahren.

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