Wiener Börse: Wo gibt es Chancen?
Kurssturz. Der Corona-Crash traf den heimischen Aktienmarkt hart, es könnte aber bald auch Gewinner geben. Warum ihm jetzt z. B. Banktitel gefallen, erklärt Fondsmanager Günther Schmitt.
Wien. Von der Coronakrise blieb kaum eine Anlageklasse verschont, wenn auch die Verluste unterschiedlich ausfielen. Der ATX, der Leitindex der Wiener Börse, verlor jedenfalls kräftig. Das Börsenbarometer sackte Mitte März beinahe auf das Niveau von 2009 ab – den Tiefstand nach Ausbruch der Finanzkrise.
Die Kursentwicklung ist aber nicht das Einzige, was zählt. Bisher konnten langfristige Anleger immerhin regelmäßige Dividendenzahlungen lukrieren, relativiert Günther Schmitt, Fondsmanager des Raiffeisen-Österreich-Aktienfonds, im Gespräch mit der „Presse“. Diese fielen in den vergangenen Jahren gerade in Österreich teilweise recht großzügig aus. Allein die ATX-Konzerne schütteten im Vorjahr mehr als drei Milliarden Euro an ihre Aktionäre aus.
Fraglich bleibt allerdings, wie üppig das heuer ausfallen wird. Denn für das Geschäftsjahr 2019 beschließen viele Unternehmen Dividendenkürzungen und -streichungen. So werden etwa Flughafen Wien und Lenzing gar keine Ausschüttung vornehmen. Und selbst die Österreichische Post und die Telekom Austria, die sonst hohe Dividenden zahlen, kürzen diese jetzt. „Das spiegelt die Dramatik der aktuellen Krise wider“, sagt Schmitt. „Die Unternehmen werden vorsichtiger.“
Banken „zu Unrecht abgestraft“
Doch trotz – oder sogar aufgrund – des schwierigen Umfelds sieht Schmitt auch Chancen, etwa beim Kartonhersteller Mayr-Melnhof.
Der Konzern profitiere von der Flut an Online-Bestellungen, für die viel Verpackungsmaterial gebraucht wird. Zudem seien die Preise für Altpapier zuletzt kräftig gesunken, weil China jetzt weniger aus Europa importiert. Das macht die Rohstoffe für die Kartonproduktion günstiger.
Schmitt hat zuletzt aber auch bei Aktien der Erste Group und der RBI kräftig aufgestockt. Die zwei Banktitel sind nunmehr die größten Fondspositionen. Die Aktien seien zu Unrecht im Crash abgestraft worden, sagt der Fondsmanager und zieht einen Vergleich zur Finanzkrise von 2008. Damals habe es sich um eine Bankenkrise gehandelt. Da seien Kursverluste bei solchen Titeln nachvollziehbar gewesen. Doch jetzt stehe man vor einer Wirtschaftskrise, ausgelöst durch die Coronapandemie. „Die Banken spielen sogar eine wichtige Rolle bei der Liquiditätsversorgung für Unternehmen.“
Chancen sieht der Experte aber beispielsweise auch – trotz des Ölpreissturzes – bei der OMV. Und selbst in der Hightech-Branche wird Schmitt fündig, wenn auch nicht an der Wiener Börse, wie er bedauert. Denn das würde dem Wiener Markt in
Zeiten, in denen Technologietitel stark gefragt seien, zugutekommen. Im
März stockte der Fondsmanager mittels Kapitalerhöhung seine Position beim heimischen Halbleiterhersteller AMS auf, dessen Aktien an der Börse Zürich notieren. Ihm gefällt der innovative Ansatz des Konzerns, aber auch, dass AMS anhand zahlreicher Zukäufe erfolgreich wachsen konnte.
Vorsicht bei Industrietiteln
Die aktuelle Übernahme des deutschen Leuchtenherstellers Osram wertet Schmitt ebenso positiv. Osram ist vor allem in der Automobil- und in der Halbleiterbranche tätig. Die aktuelle Wachstumsschwäche im Automobilsektor sei da zwar wenig erfreulich, aber: „Es werden in Zukunft trotzdem immer mehr Hightech-Komponenten in Autos eingebaut werden. Davon profitiert die AMS.“
Weitaus vorsichtiger gibt sich Schmitt bei klassischen heimischen Industriewerten, denn viele sind besonders konjunktursensibel. So ist zum Beispiel der oberösterreichische Stahlkocher Voestalpine von der deutschen Automobilindustrie stark abhängig. „Zudem wird die Umstellung auf eine nachhaltigere Stahlproduktion teuer für den Konzern.“
Ganz generell warnt Schmitt derzeit vor allzu viel Euphorie an der Börse. Die jüngste Kurserholung sei zügig erfolgt. Anleger müssten jedoch auch mit Rückschlägen rechnen.
Banken spielen jetzt eine wichtige Rolle bei der Versorgung der Unternehmen mit Liquidität.
Günther Schmitt, Fondsmanager bei RCM