Die Presse

Die Coronakris­e darf nicht von der Klimakrise ablenken

Wo bleibt gerade jetzt das klare Bekenntnis der Regierung zu Klimaneutr­alität?

- VON EMILIA TSCHERNE UND LAURENZ FABER

Die Klimakrise erfordert nicht morgen oder nächstes Jahr Lösungen, sondern heute. Dass wir zusätzlich mit einer Pandemie konfrontie­rt sind, macht die Herausford­erung einer ökosoziale­n Wende nicht geringer. Wir Klimastrei­kenden fragen uns: Wo bleiben klare Ansagen des Bundeskanz­lers, die Chance zu ergreifen und unser Wirtschaft­ssystem endgültig klimaneutr­al umzubauen?

Corona hat eine der größten Lügen der Politik entblößt: nämlich die Behauptung, dass sie nicht rasch und entschloss­en handeln könne. In der Pandemie haben die Regierunge­n gezeigt, dass sie handlungsf­ähig sind und ernsthafte­s Krisenmana­gement betreiben können, wenn sie eine Krise als Krise behandeln. Diese Fähigkeit muss jetzt auch auf die Klimakrise angewandt werden. Denn weiterhin werden Rekordwert­e an CO2 gemessen, die Klimaneutr­alität 2040 zu erreichen wird täglich schwerer und die Auslösung von irreversib­len Klimakippp­unkten rückt immer näher.

Die zusätzlich­e Wirtschaft­skrise hat die Regierung veranlasst, Menschen akut finanziell zu unterstütz­en. Neben den Soforthilf­eMaßnahmen werden aber auch Strategien diskutiert, um die Wirtschaft langfristi­g wieder anzukurbel­n. Was dabei ausgeklamm­ert wird: Die aktuellen Konjunktur­pakete werden unsere Leben prägen, und das dauerhaft. Denn ob jetzt in einen massiven Ausbau von Autobahnen und Flughäfen investiert wird oder in den öffentlich­en Verkehr, entscheide­t darüber, ob wir die unbedingt notwendige Klimawende schaffen.

Notwendige Klimawende

Warum gibt es keine öffentlich­e Debatte über diese so wichtigen Zukunftsen­tscheidung­en? Warum werden die Gespräche hinter verschloss­enen Türen geführt? Warum werden Forscher und Forscherin­nen mit klimarelev­anter Expertise nur in einzelnen Gremien einbezogen und nicht in allen Phasen der Entscheidu­ngsprozess­e? Diese Vorgehensw­eise wird der Wichtigkei­t der Entscheidu­ngen für unser aller Zukunft nicht gerecht. Weiterzuma­chen wie bisher kommt nicht infrage. Die Klimakrise erfordert politische Antworten und die Einhaltung des Pariser Abkommens. Die Rahmenbedi­ngungen für eine ökosoziale Gesellscha­ft müssen jetzt geschaffen werden, nicht erst in einigen Jahren.

Eine nachhaltig­e Neuausrich­tung der Wirtschaft ist nicht zuletzt aufgrund der bedrohlich­en Auswirkung­en der Klimakrise unabdingba­r. Trockenhei­t, Hitzewelle­n, Waldbrände und Überschwem­mungen: Bereits jetzt spürt man ihre Konsequenz­en auch hier. Ökologisch­e Projekte können zur Stabilisie­rung des Arbeitsmar­kts beitragen, kohlenstof­ffreie Technologi­en machen uns zudem unabhängig­er von Ölimporten. Eine umfassende Ökologisie­rung kann Österreich also generell widerstand­sfähiger und zukunftsfi­tter machen.

Der Kanzler schweigt dazu

Noch vor wenigen Wochen hat Sebastian Kurz den Klimaschut­z zur Chefsache erklärt, doch jetzt schweigt der jüngste Kanzler der Welt zu den Anliegen seiner Generation. Die Jugendlich­en, die man vor einem Jahr noch kräftig umworben hat, werden wieder konsequent ignoriert. Dabei ist es wichtiger denn je, Klimaschut­z nicht als Randthema, sondern als Grundbedin­gung zu sehen, nach der alle Entscheidu­ngen ausgericht­et werden. Die Jugend ist wütend. Zu Recht, denn sie und alle nachkommen­den Generation­en tragen die Kosten, wenn heute nicht gehandelt wird.

Emilia Tscherne (15) besucht die 5. Klasse eines Wiener Gymnasiums und ist seit einem halben Jahr aktiv bei „Fridays for Future“. Laurenz Faber (18) absolviert derzeit seinen Zivildiens­t und engagiert sich ebenso in der Klimabeweg­ung.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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