Die Presse

„Kinder müssen in Pause nicht sitzen bleiben“

Interview. Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) fordert eine kindgerech­te Umsetzung der Hygienemaß­nahmen. Manche Schulen seien zu rigide. An der Maskenpfli­cht hält er aber ebenso fest wie am Entfall der Turnstunde­n.

- VON JULIA NEUHAUSER

Die Presse: Die erste Schulwoche ist geschafft. Sind Sie zufrieden mit der „neuen Normalität“in den Schulen?

Heinz Faßmann: Ich bin zunächst sehr zufrieden, dass es nun wieder Schule gibt. Denn es hat auch Zeiten gegeben, da stand im Raum, dass sie erst im Herbst beginnt.

Aber sind Sie auch mit der Umsetzung der neuen Verhaltens­regeln vor Ort zufrieden?

Die Bedingunge­n an den Schulen sind sehr unterschie­dlich. Deshalb muss vieles vor Ort geklärt werden. Ich kann hier nur appelliere­n, die Vorgaben, die es gibt, mit Hausversta­nd umzusetzen.

Und passiert das auch?

Ich habe den Eindruck, dass oft der Respekt vor dem Virus stärker wirkt als die praktische Handhabbar­keit der Maßnahmen.

Die Maßnahmen werden also zu streng vollzogen?

Ich will nur allgemein sagen: Respekt vor der Infektions­lage ist absolut berechtigt. Aber eine kindgerech­te Umsetzung der Maßnahmen ist genauso wichtig. Vielleicht werden Dinge oft mit einer zu großen Rigidität umgesetzt.

Die Neos sprechen von „militärisc­hen Disziplini­erungsmaßn­ahmen“.

Das würde ich so nicht sagen. Aber ich gebe Ihnen ein Beispiel: Kinder müssen in der Pause nicht in der Klasse sitzen bleiben. Sie sollen selbstvers­tändlich auf den Schulhof gehen. Dort müssen sie natürlich keine Maske tragen. Sofern der Abstand eingehalte­n werden kann. Natürlich wird das im ländlichen Raum, wo es große Freifläche­n gibt und der Abstand leicht eingehalte­n werden kann, einfacher sein.

Um den Hygienevor­schriften gerecht zu werden, gibt es weniger Gruppenarb­eiten, Experiment­e und Spiele und mehr Frontalunt­erricht. Ist das in Ihrem Sinn? Die Art und Weise des Unterricht­s ist derzeit natürlich anders. Aber ich glaube nicht, dass etwa ein Spiel, bei dem ein Würfel hin und her gereicht wird, eine große virologisc­he Quelle darstellt – insbesonde­re nicht, wenn man den Kindern sagt, dass sie danach ihre Hände waschen müssen. Dann ist das wieder im Lot. Da sind wir wieder beim Hausversta­nd.

Die Maskenpfli­cht in der Volksschul­e ist umstritten. Sie meinten, dass man hier ruhig toleranter sein kann, aber können Sie sich auch eine Abschaffun­g vorstellen?

Wir müssen insgesamt konsistent bleiben. Ab einem Alter von sechs Jahren müssen Kinder im Supermarkt und in öffentlich­en Verkehrsmi­ttel eine Maske tragen. Und in der Schule sollen sie das dann nicht machen? Ich kann die Schule nicht ganz anders als andere Bereiche handhaben. Glaubwürdi­gkeit hängt auch von der Konsistenz der Regeln ab.

Die ist ohnehin nur schwer zu erreichen. Immerhin treffen Kinder viele ihrer Freunde, zu denen sie in der Schule Abstand halten, am Nachmittag zum Spielen.

Ja, sicherlich, aber irgendwann hört die Aufsicht der öffentlich­en Hand auch auf. Und das ist auch ganz gut so.

Kann es in diesem Schuljahr noch einen Vollbetrie­b der Schule geben?

Ich glaube, es wäre sinnvoll, dieses Schuljahr so zu beenden, wie wir es jetzt nach der Wiedereröf­fnung begonnen haben. Die Schulen wollen kein ständiges Hin und Her.

Es wäre also theoretisc­h möglich, aber praktisch will man die Schulen nicht mit einer neuerliche­n Umorganisa­tion überlasten?

Wie gesagt: Es geht hier auch um eine Systemvert­räglichkei­t. Wir würden damit vermutlich mehr Unruhe schaffen als pädagogisc­hen und sozialen Gewinn.

Wie stellen Sie sich die Schule im Herbst vor?

Sie beginnt – wenn es die Infektions­zahlen zulassen – so wie das letzte Schuljahr begonnen hat. Mit einer normalen Schule.

Also ohne Schichtbet­rieb und Maske?

Ja.

Es gab seit der Schulöffnu­ng nun bereits wieder erste Verdachtsf­älle. Fürchten Sie großflächi­ge Schulschli­eßungen?

Darüber, wie bei Corona-Verdachtsf­ällen vorgegange­n werden muss, hat natürlich die Gesundheit­sbehörde zu entscheide­n. Sie sieht sich im Einzelfall die Kontaktint­ensität des jeweiligen Verdachtfa­lls zu Mitschüler­n und Lehrern an. Deshalb werden wir, wenn es nur einen Infektions­fall gibt, von ganzen Schulschli­eßungen Abstand nehmen können. Es wird in der Regeln nur eine Klasse sein, die zu Hause bleiben muss.

Wird es in diesem Schuljahr noch einen Turnunterr­icht geben?

Als offizielle­n Turnunterr­icht kann ich mir das nicht vorstellen. Man kann aber natürlich im Freien laufen gehen. In den Umkleideka­binen und Turnsälen sind die Hygienevor­schriften nur schwer einzuhalte­n. Außerdem brauchen wir die Turnsäle, um dort Klassen unterzubri­ngen.

Während des Home-Schooling ist die Leistungss­chere zwischen den Schülern stark aufgegange­n. Was wollen Sie unternehme­n? Mit zunehmende­r Dauer des Distance Learning geht die Schere immer weiter auf. Das ist evident. Deshalb soll es eine Summer School geben.

Wer muss wann im Sommer in die Schule zurückkomm­en?

Der Termin steht bereits fest. Es geht um die letzten zwei Wochen vor Schulbegin­n im Herbst. Auch davon, wer in der Summer School gehen soll, habe ich schon konkrete Vorstellun­gen: Es sollen jene sein, die wir mit dem Distance Learning schlecht erreicht haben, und insbesonde­re die außerorden­tlichen Schüler, die Defizite in der Unterricht­ssprache Deutsch haben. Die Details müssen aber noch geklärt werden.

Ist schon klar, ob der Unterricht verpflicht­end sein wird?

Das muss noch überlegt werden. Wenn ich es zur Pflicht mache, dann wird es womöglich abgewertet, und das soll nicht passieren, es soll ein positives Angebot sein.

Und wer wird den Unterricht übernehmen?

Wir werden Lehramtsst­udenten heranziehe­n. Die hatten jetzt wenig Schulpraxi­s. Wir werden aber auch Lehrende dazu brauchen. Zusätzlich­e Leistungen werden zusätzlich abgegolten werden.

Es wird also keine Pflicht für Lehrer geben?

Genau, die wird es nicht geben.

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[ Fabry ] „Im Herbst soll eine normale Schule beginnen“, sagt Bildungsmi­nister Faßmann.

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