Was Videokonferenzen und Ursula Stenzels Abgang verbindet
Eine Wanderin zwischen den politischen Welten tritt für die FPÖ nicht mehr an. Sie als streitbar zu bezeichnen wäre eine Untertreibung.
Videokonferenzen sind ja auch Vorteile eigen. Die Teilnehmer müssen sich nicht alle am selben Ort versammeln, ersparen sich Zeit durch wegfallende Anfahrtswege und durch meist straffere Gesprächsführung. Wenn man denn technisch auch nur einigermaßen auf der Höhe der Zeit ist. Bei Ursula Stenzel muss das als nicht gesichert gelten.
Einmal war zuletzt in den virtuellen von Bürgermeister Michael Ludwig geleiteten Sitzungen des Wiener Stadtsenats kein Ton von ihr zu hören, dann ihr Bild nicht zu sehen, dann wieder gab es überhaupt gänzliche Aussetzer bei der Übertragung. Ob das die Entscheidung der nicht amtsführenden Stadträtin – Jobs wie diese sind eine Wiener Spezialität – beschleunigt hat, bei der Wiener Wahl am 11. Oktober nicht mehr für die FPÖ anzutreten? Gebremst sicher nicht.
Hingegen will es ein nur wenige Jahre Jüngerer heuer im Herbst noch einmal wissen und tritt sogar als Präsident wieder an: Donald Trump. Zugegeben, mit dem verbindet Ursula Stenzel nicht allzu viel, aber drei Eigenschaften jedenfalls: streit-, unberechenbar und für Aufreger jederzeit gut zu sein.
Weltberühmt ist sie auch, jedenfalls in Wien, in der Wiener Kommunalpolitik, diese Ursula Stenzel. Die frühere ORF-Moderatorin, von Wolfgang Schüssel für die Europaparlamentswahl 1996 in die ÖVP geholt, danach zur FPÖ abgesprungen, ist eine Wanderin zwischen den politischen Welten. Als bei der Wahl erfolgreiche Quereinsteigerin ist sie zunächst noch betont weltgewandt aufgetreten. Danach hat sich ihr politisches Blickfeld als wieder bei Wahlen überaus erfolgreiche Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt doch ein wenig verengt. Gegen zu viel Krawall in „ihrem“Bezirk und für nächtliche Parksperren ist sie aufgetreten. Die damalige grüne Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, war dabei so etwas wie ihr natürlicher politischer Konterpart. Auch in der ÖVP wurden nicht alle Konflikte verstanden. Zuletzt sorgte sie in der FPÖ-Spitze bei Norbert Hofer für Irritation, als sie bei einer Veranstaltung der Identitären sprach.
In der FPÖ nimmt man die Ankündigung Ursula Stenzels zu gehen mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis. Wobei es mehr Grund zur Freude gibt. Zwar war die Marke Ursula Stenzel ein Garant für Aufmerksamkeit, doch nach dem 11. Oktober wird die Zahl der zu verteilenden Mandate in den Reihen der vom Wähler redimensionierten Freiheitlichen womöglich gedrittelt werden.
Und über ein Faktum freut man sich im blauen Rathausklub und in der krisengeschüttelten Landespartei von Dominik Nepp ganz besonders. Ursula Stenzel gibt der FPÖ Wien nicht gleichsam den Todesstoß und wechselt eben nicht zur Partei des ehemaligen, auf Ibiza ausgebooteten Parteichefs Heinz-Christian Strache. Man ist bescheiden geworden in der Wiener FPÖ des Jahres 2020.
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