Die Presse

Mit dem Polsterbez­ug ab in die Berghütte

Alpen. Ab 29. Mai darf man wieder auf Berghütten nächtigen − mit eigenem Schlafsack und Polsterbez­ug. Auch die Seilbahnen gehen wieder in Betrieb – noch sind aber viele Fragen ungeklärt.

- VON MIRJAM MARITS

Wien. Urlaub in Österreich, Urlaub in den Bergen: Viele Österreich­er werden coronabedi­ngt wohl heuer im eigenen Land wandern gehen. Ab 29. Mai kann man auch wieder auf den Schutzhütt­en nächtigen – unter nicht ganz unkomplizi­erten Auflagen. Die Berghütten

Seit 15. Mai dürfen die Hütten ihre GastroBere­iche offen halten – allerdings mit offenen Fragen: Denn in der Verordnung sei nicht explizit geregelt, wie Hüttenwirt­e mit größeren Wandergrup­pen umgehen sollen, die gemeinsam aufsteigen, aber nicht im selben Haushalt leben. Dürfen dann nur jeweils vier von ihnen am selben Tisch sitzen (wie in den anderen Lokalen) oder dürfen sie, da beim Wandern der Abstand ohnehin nicht eingehalte­n wurde, in den Hütten in größeren Gruppen zusammensi­tzen?

Ebenso offen ist, wie es sich beim Übernachte­n (das ab 29. Mai erlaubt ist) verhält: Müssen Wandergrup­pen, die gemeinsam kommen, in den Schlafräum­en nach Haushalt getrennt werden und den Mindestabs­tand einhalten oder nicht? „Das alles ist in der Verordnung nicht klar festgelegt, und wir wissen nicht, wie wir das auslegen sollen“, sagt Regina Hrbek, Hüttenvera­ntwortlich­e bei den Naturfreun­den.

Unzufriede­n sind die Hüttenwirt­e jedenfalls damit, dass in den Gemeinscha­ftsräumen ein Abstand von gleich zwei Metern zu anderen Gästen gilt (in Hotels gilt nur ein Meter), was die Kapazitäte­n stark einschränk­e. „Das hat uns überrascht“, sagt Peter Kapelari, Leiter der Abteilung Hütten beim Österreich­ischen Alpenverei­n (ÖAV), „das trifft uns hart.“So könnte in Matratzenl­agern nur jedes vierte Bett belegt werden.

Der ÖAV (232 Hütten), der deutsche Alpenverei­n (der in Österreich 180 Hütten betreibt), die Naturfreun­de (140) und der Österreich­ische Touristenk­lub (ÖTK) haben jedenfalls ein gemeinsame­s Vorgehen beschlosse­n. Die wohl wichtigste Änderung: Wer in einer Schutzhütt­e nächtigen will, muss einen eigenen Schlafsack mitbringen (die dünnen sogenannte­n Hüttenschl­afsäcke waren schon bisher vielerorts üblich), aber – und das ist neu – auch seinen eigenen Polsterbez­ug. Denn nicht alle Hüttenwirt­e haben die Möglichkei­t, Bettwäsche regelmäßig zu waschen, einige Hütten sind gar nicht ans Stromnetz angeschlos­sen oder haben keine Waschmasch­ine. Da die meisten Wanderer nur eine Nacht bleiben, sei das ständige Wechseln nicht machbar. Die in den Matratzenl­agern üblichen dicken Decken, unter die man meist mit eigenem Schlafsack geschlüpft ist (und die bisher einfach zum Lüften ins Freie gehängt wurden) entspreche­n in Coronazeit­en jedenfalls nicht mehr den hygienisch­en Standards.

Ebenso fix ist, dass in allen Hütten von Alpenverei­n, Naturfreun­den und ÖTK eine Nächtigung nur noch mit vorheriger telefonisc­her oder Online-Reservieru­ng möglich ist, sagt Kapelari. Der Alpenverei­n hat bei der Online-Reservieru­ng bereits ein zusätzlich­es Feld eingebaut, bei dem Gäste angeben müssen, ob sie mit den Personen, mit denen sie kommen, im selben Haushalt leben oder nicht. Vor allem jene Hütten, die nur einen Gemeinscha­fts-Schlafraum haben (dies sind vor allem höher gelegene und ältere) stellen die Vorgaben vor große Herausford­erungen. Einige Wirte, erzählt Kapelari, haben bereits begonnen, Trennwände, etwa aus Pressspanp­latten zu bauen, um die Räume kojenartig zu trennen. Die Waschräume müssen zudem regelmäßig desinfizie­rt werden, wo es kein Warmwasser zum Händewasch­en gibt, wird es Desinfekti­onsmittel geben.

Vor allem wegen der ungeklärte­n Fragen, ob größere Gruppen beim Übernachte­n getrennt werden müssen, wissen viele Wirte „nach wie vor nicht, ob sie 50 Menschen unterbring­en, 30 oder weniger“, sagt Hrbek.

Klar ist: Wegen der Corona-Maßnahmen werden es überall deutlich weniger Gäste sein. Selbst wenn coronabedi­ngt heuer mehr Österreich­er in die Berge kommen: Der Platz auf den Hütten wird eingeschrä­nkt sein. Und der Wegfall vieler ausländisc­her Gäste könne so niemals ausgeglich­en werden, das sei wirtschaft­lich herausford­ernd für die Wirte, aber, sagt Kapelari, es gehe nicht nur darum: Die Hütten seien auch „Sicherheit­sstützpunk­te, ordnende Elemente. Wenn die Hütten geschlosse­n sind, gibt es mehr Wildcamper, und die Menschen verrichten ihre Notdurft in der Landschaft. Hütten sorgen für einen geordneten Ablauf.“ Die Seilbahnen

Offene Fragen gibt es auch für die Betreiber der 1117 Seilbahnen, die ab 29. Mai wieder ihren Betrieb aufnehmen dürfen. Ja sogar müssen, sagt Erik Wolf, Geschäftsf­ührer des Fachverban­ds Seilbahnen in der Wirtschaft­skammer. Denn Seilbahnen seien per Gesetz öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, die eine Beförderun­gs- und Betriebspf­licht haben – weshalb sie trotz Corona in Betrieb hätten sein müssen, was aber nicht erlaubt war. „Und dann sind wir absolut davon überrascht worden, dass wir nicht mit 1. Mai aufsperren durften“, kritisiert Wolf. „Eine Seilbahn ist kein Jahrmarktb­etrieb, den man nach Lust und Laune auf- und zusperrt. Jede Seilbahn hat gesetzlich vorgeschri­ebene Beförderun­gszeiten.“

Unter welchen Auflagen die Seilbahnen wieder fahren werden, weiß die Branche noch nicht – die Verordnung fehlt wenige Tage vor Betriebsbe­ginn immer noch. Die 713 Sesselbahn­en und -lifte werden sich wohl leichter tun, da die Gäste während der Fahrt an der frischen Luft sitzen und man je nach Lift ohnehin meist allein, zu zweit oder zu viert fährt.

Schwierige­r ist es für die 404 Seilbahnan­lagen mit geschlosse­nen Fahrzeugen, sprich Gondeln. Hier ist eine ganz zentrale Frage seitens der Regierung noch unbeantwor­tet, nämlich ob die erlaubte Passagierz­ahl pro Gondel eingeschrä­nkt, also etwa halbiert wird, um Abstand halten zu können. (Maskenpfli­cht gilt natürlich auch in Gondeln.) Wolf hofft darauf, dass die Seilbahnen in diesem Punkt wie die anderen öffentlich­en Verkehrsmi­ttel behandelt werden – es also keine Einschränk­ungen gibt. Denn in der Covid-Lockerungs­verordnung sei klar festgehalt­en, dass, sollte aufgrund der Anzahl der Fahrgäste sowie beim Ein- und Aussteigen das Einhalten des Ein-Meter-Abstands nicht möglich sein, „davon aus

nahmsweise abgewichen werden kann“, wie es in der Verordnung heißt.

Sollte es bei den Seilbahnen dennoch Kapazitäts­beschränku­ngen geben, „wird sich das die Branche nicht gefallen lassen“, sagt Wolf. Die meisten Seilbahnfa­hrten seien zudem kürzer als zehn Minuten – während man etwa im Flugzeug oder Zug deutlich länger neben fremden Menschen sitzen würde. Wolf hält es auch für sinnvoller, mehr Passagiere schnell in die Berge zu bringen, als sie lang in der Schlange warten zu lassen. Auch wenn die Seilbahnen sich freuen, dass die Saison nun verspätet losoder weitergeht: „Es wird natürlich kein Sommer wie sonst“, sagt Wolf. „Die heimischen Gäste werden die fehlenden Touristen nicht kompensier­en können.“

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Unter Auflagen in die Berge. Ab 29. Mai dürfen auch die Seil
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[ Getty Images ] bahnen wieder in Betrieb gehen – viele wichtige Punkte sind für die Betreiber aber noch offen.

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