Die Presse

Ein Wohnzimmer in der Lobau

Wien. Jurte, Werkstatt, Outdoor-Küche: Jan Ernst hat mit dem Treib-Gut einen Ort für Seminare im Grünen geschaffen. Am Sonntag lädt er von dort zum Stream.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

ngefangen hat alles mit einer Jurte. Jan Ernst hatte eine: Original aus der Mongolei importiert, hatte er im Burgenland selbst eine Zeit lang darin gewohnt; zurück in Wien aber keinen Platz mehr, um sie aufzustell­en. Und die Kleine StadtFarm, die suchte eine. So fand man zueinander – und Jan Ernst zu seinem jüngsten Projekt, dem Treib-Gut.

In Wien kennt man Jan Ernst als Veranstalt­er, vor allem von Tanz durch den Tag. Vor zehn Jahren, damals noch mitten im (nicht vollendete­n) Studium, hatte er mit einem befreundet­en Künstlerko­llektiv damit begonnen, hippieeske Tagsüber-Freiluft-Partys an anfangs nicht immer legalen Orten zu organisier­en. Es folgten Projekte wie das Zwischennu­tzungsproj­ekt Rummel Hummel oder aktuell der Salon Magika, eine Downtempo-Reihe im Werk.

Laute Tanzverans­taltungen gibt es im Treib-Gut eher nicht, „weil wir doch im Wohngebiet sind“, sagt Jan Ernst. Aber man ist auch mitten im Grünen. Vor zwei Jahren hat Ernst hier zunächst seine Jurte aufgebaut, dann kam eine Outdoor-Küche dazu, daraufhin eine Sauna und Umkleideka­binen, „gerade sind wir dabei, Duschen zu bauen“. Kurz: Eine Art „Open Air-Wohnzimmer mit Wiese“, ein multifunkt­ionaler Ort im Grünen, den Ernst derzeit unter dem Titel Cura Magika vor allem für das nutzt, was er Heilkunst nennt: Yoga, Meditation und Atemtechni­ken.

Ziel des Treib-Guts (oder, wie es in Zukunft heißen soll, Treib-Gut Nau, nach seiner Adresse, dem Naufahrtwe­g in der Lobau) sei, „Leuten aus der Stadt naturnahe Lebensweis­en zu vermitteln“, mit Angeboten von der Kräuterwan­derung bis zum Workshop über alternativ­e Bauweisen. Gerade richtet Ernst in einem ehemaligen Stallgebäu­de eine Werkstatt ein, die auch für andere tageweise nutzbar sein soll. Und auch das ganze Treib-Gut kann man für passende Veranstalt­ungen und Seminare mieten.

Man vergisst die Stadt

Genau genommen ist das Treib-Gut ein Teil des Gemeinscha­ftshofs Kleine Stadt-Farm. Der Verband fördert politisch unabhängig­e Initiative­n mit ökologisch­en und sozialen Zielen. Der Verein Nalela, der Stadtkinde­r an die Natur heranführt, ist dort ebenso beheimatet wie etwa die Pilze-auf-Kaffee

satz- Züchter Hut und Stiel. Einst gehörte der Hof Alfred Polzer, einem der ersten Biobauern Österreich­s. „Das Schöne an dem Ort ist: Er ist mit der U2 recht gut erreichbar – aber man vergisst, dass man in der Stadt ist“, sagt Ernst. „Das ist eine gute Mischung.“

2018 hat er mit dem Aufbau begonnen, im Vorjahr fanden im Sommer die ersten Veranstalt­ungen statt. Heuer wollte man weitermach­en, doch dann kam die Krise. Wobei natürlich eine Freiluft-Location wie das TreibGut derzeit ungeahnte Vorteile bietet. „Ich merke auch bei meinen Freunden und Bekannten, dass der Bedarf nach einem Ort wie diesem größer ist.“

Gerade wälzt Ernst die Idee, Dinneraben­de zu veranstalt­en: Abendessen, kombiniert mit Open-Air-Kino, Kabarett oder einem Konzert, vielleicht auch in Verbindung mit einem (Yoga-)Workshop. Auch Märkte wären eine Möglichkei­t. Er schätzt, dass es Mitte Juni wird, bis hier wieder etwas los ist – „wenn klar ist, wie die Vorgaben aussehen“.

Tanz durch den Tag ist inzwischen hingegen in den Hintergrun­d getreten. Dessen bisher größte Veranstalt­ung, das Aufwind-Festival 2017, habe finanziell „leider ein nicht so gutes Ergebnis“gebracht. Seither ist die Truppe etwas zersplitte­rt, „aber der Spirit ist noch da“, man wolle auch weiterhin einmal im Jahr etwas machen. So wie das Zehn-Jahr-Jubiläum im Mai, das coronabedi­ngt zum Stream wurde.

Einen solchen plant Ernst auch für Sonntag. Nicht zuletzt, um auf das Treib-Gut und die laufende Crowdfundi­ng-Kampagne aufmerksam zu machen. Als Host fungiert Rico Loop, der nicht nur DJ sei, sondern mit seinen Instrument­en und Loop-Stationen „auch der Inbegriff eines Live-Musikers“. Auch mit Puppenspie­lern wird gearbeitet. Um das Treib-Gut zu erklären, aber auch, um Fragen nachzugehe­n: „Wo sind wir? Was bedeutet Natur für uns? Und wie geht es uns nach der Coronakris­e?“Ziel sei, dass die Akteure, die dabei sind, sich eine Puppe schnappen und mitspielen. Noch ist man vom 20.000-Euro-Ziel der Kampagne ziemlich weit entfernt, „aber alles hilft, um die Miete zu zahlen“.

Interessie­rte willkommen

Interessie­rte seien übrigens willkommen: Derzeit gebe es fünf, sechs Leute, die aktiv mitarbeite­n, „aber wir sind sehr offen gegenüber Menschen, die sich beteiligen wollen. Unser Ziel ist, dass der Ort sehr lebendig ist und so oft wie möglich von Leuten mit Platzbedar­f genützt wird.“Sein Anliegen, sagt Ernst, sei „die Rückbesinn­ung auf das Wesentlich­e“. Er halte Orte wie das Treib-Gut für wichtig für eine Stadt – „Orte, wo man sich besinnen und entschleun­igen und abseits des alltäglich­en Strudels Antworten auf aktuelle Fragen finden kann.“ ZUR PERSON Jan Ernst

hat noch während seines (nicht vollendete­n) Studiums vor zehn Jahren begonnen, Veranstalt­ungen zu organisier­en, vor allem die Freiluft-Reihe Tanz durch den Tag. Das TreibGut versteht sich als Ort der Entschleun­igung, der Menschen in der Stadt wieder näher an die Natur heranführe­n will. Neben der eigenen Reihe Cura Magika kann man die Location für passende Veranstalt­ungen mieten. Um 130 Euro gibt es auch eine Jahresmitg­liedschaft im Verein, Naufahrtwe­g 14a, 1220 Wien. Die zugehörige Website soll kommende Woche fertig werden.

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[ Miche`le Pauty] Jan Ernst mit Mitorganis­atorin Marie Schepansky.

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