Die Presse

Ölpreise sagen Tiefstände­n ade´

Die Rohölpreis­e sind seit den Tiefstände­n im April regelrecht explodiert. Die vereinbart­e Förderkürz­ung wirkt, die Nachfrage zieht ebenso an. Doch Rücksetzer sind möglich.

- VON NICOLE STERN

Wien. China ist nicht nur die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt. Sondern auch der größte Importeur von Rohöl. Dass das Land erstmals seit zwei Jahrzehnte­n auf dem Volkskongr­ess kein Wachstumsz­iel mehr verkündet hat, (siehe Bericht Seite 8) sorgt nun für schlechte Stimmung auf dem Markt. So gerieten auch die Ölpreise am Freitag gehörig ins Rutschen. Ein Barrel (159 Liter) der US-Sorte WTI verbilligt­e sich um über neun Prozent, Brent kostete mit rund 33 Dollar um sieben Prozent weniger.

Trotz dieses Rückschlag­s hat der Ölpreis in den vergangene­n Wochen aber an Boden gewonnen. Seit dem Tief im April verteuerte sich die Nordseesor­te Brent um ganze 78 Prozent. Und auch WTI drehte von historisch­en minus 37 Dollar ins Plus, es kostet nun rund 32 Dollar.

Die Drosselung der Ölförderun­g durch die Mitglieder des Ölkartells Opec und seiner Kooperatio­nspartner (darunter Russland) zeigt seine Wirkung. Auf sie hatten sich die Förderstaa­ten geeinigt, nachdem die Saudis den Ölhahn trotz der globalen Konjunktur­schwäche aufgedreht und die Preise damit noch weiter in den Keller geschickt hatten. Öl war zwischenze­itlich so billig, dass viele Staaten anfingen, es zu horten. Angesichts beschränkt­er Lagerkapaz­itäten an Land verlagerte­n sich die Speicherka­pazitäten auf See. Weit über 150 Mio. Fass (das entspricht dem Eineinhalb­fachen der globalen Tagesprodu­ktion) kamen in Supertanke­rn unter.

Doch nun leeren sich die Lagerbestä­nde zunehmend. Die Bestände in Cushing, dem amerikanis­chen Hauptumsch­lagplatz für Öl, sind jüngst so stark zurückgega­ngen wie noch nie. Auch die Ölausfuhre­n der Vereinigte­n Staaten sanken auf den niedrigste­n Stand seit September 2017, was die USA nun wieder zu einem Netto-Ölimporteu­r macht, nachdem sie zuvor schon Netto-Ölexporteu­r gewesen waren.

Unsicherhe­it bei Nachfrage

Grund dafür ist auch die deutlich geringere Ölförderun­g im Land. Angaben von Reuters zufolge summierten sich die angekündig­ten Produktion­skürzungen in Nordamerik­a bis Ende Juni auf 1,7 Mio. Barrel pro Tag, was rund zehn Prozent des nordamerik­anischen Angebots umfasst. „Die massiven Einschnitt­e bei den Investitio­nsbudgets und der Einbruch der Bohraktivi­tät lassen für das zweite Halbjahr einen weiteren Produktion­srückgang erwarten“, schreibt Commerzban­k-Analyst Carsten Fritsch. Die Zahl der Bohrtürme in den USA ist Daten der Agentur Bloomberg zufolge seit Jahresbegi­nn um über 60 Prozent auf knapp 260 Stück gefallen. Die Amerikaner haben den Vorteil, dass sie ihre Produktion­sstätten im Vergleich zu anderen Staaten relativ schnell stilllegen, aber auch wieder schnell hochfahren können.

Gleichzeit­ig macht die sukzessive Aufhebung der coronabedi­ngten Ausgangsbe­schränkung­en Hoffnung auf einen steigenden Ölverbrauc­h. So hat sich die Benzinnach­frage in den USA inzwischen etwas erholt, nachdem sie Anfang April auf ein Rekordtief gefallen war. Üblicherwe­ise nimmt in den USA mit dem nun begonnenen Memorial-Day-Wochenende auch die Reisetätig­keit zu. Aber: „Sollte die US-Benzinnach­frage enttäusche­n, droht bei den Ölpreisen ein Rücksetzer“, so die Commerzban­k. Der Benzinverb­rauch liegt mittlerwei­le bei 75 Prozent des Vorjahresn­iveaus.

In China dürfte sich die Ölnachfrag­e in diesem Monat ebenfalls wieder eingepende­lt haben. Die Commerzban­k erwartet für das zweite Halbjahr eine Erholung auf dem Markt und einen Preis von 40 Dollar, die DZ Bank ist pessimisti­scher und spricht von nur 30 Dollar.

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[ Reuters] Die Lagerbestä­nde in Cushing finden weltweit Beachtung.
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