Ölpreise sagen Tiefständen ade´
Die Rohölpreise sind seit den Tiefständen im April regelrecht explodiert. Die vereinbarte Förderkürzung wirkt, die Nachfrage zieht ebenso an. Doch Rücksetzer sind möglich.
Wien. China ist nicht nur die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Sondern auch der größte Importeur von Rohöl. Dass das Land erstmals seit zwei Jahrzehnten auf dem Volkskongress kein Wachstumsziel mehr verkündet hat, (siehe Bericht Seite 8) sorgt nun für schlechte Stimmung auf dem Markt. So gerieten auch die Ölpreise am Freitag gehörig ins Rutschen. Ein Barrel (159 Liter) der US-Sorte WTI verbilligte sich um über neun Prozent, Brent kostete mit rund 33 Dollar um sieben Prozent weniger.
Trotz dieses Rückschlags hat der Ölpreis in den vergangenen Wochen aber an Boden gewonnen. Seit dem Tief im April verteuerte sich die Nordseesorte Brent um ganze 78 Prozent. Und auch WTI drehte von historischen minus 37 Dollar ins Plus, es kostet nun rund 32 Dollar.
Die Drosselung der Ölförderung durch die Mitglieder des Ölkartells Opec und seiner Kooperationspartner (darunter Russland) zeigt seine Wirkung. Auf sie hatten sich die Förderstaaten geeinigt, nachdem die Saudis den Ölhahn trotz der globalen Konjunkturschwäche aufgedreht und die Preise damit noch weiter in den Keller geschickt hatten. Öl war zwischenzeitlich so billig, dass viele Staaten anfingen, es zu horten. Angesichts beschränkter Lagerkapazitäten an Land verlagerten sich die Speicherkapazitäten auf See. Weit über 150 Mio. Fass (das entspricht dem Eineinhalbfachen der globalen Tagesproduktion) kamen in Supertankern unter.
Doch nun leeren sich die Lagerbestände zunehmend. Die Bestände in Cushing, dem amerikanischen Hauptumschlagplatz für Öl, sind jüngst so stark zurückgegangen wie noch nie. Auch die Ölausfuhren der Vereinigten Staaten sanken auf den niedrigsten Stand seit September 2017, was die USA nun wieder zu einem Netto-Ölimporteur macht, nachdem sie zuvor schon Netto-Ölexporteur gewesen waren.
Unsicherheit bei Nachfrage
Grund dafür ist auch die deutlich geringere Ölförderung im Land. Angaben von Reuters zufolge summierten sich die angekündigten Produktionskürzungen in Nordamerika bis Ende Juni auf 1,7 Mio. Barrel pro Tag, was rund zehn Prozent des nordamerikanischen Angebots umfasst. „Die massiven Einschnitte bei den Investitionsbudgets und der Einbruch der Bohraktivität lassen für das zweite Halbjahr einen weiteren Produktionsrückgang erwarten“, schreibt Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch. Die Zahl der Bohrtürme in den USA ist Daten der Agentur Bloomberg zufolge seit Jahresbeginn um über 60 Prozent auf knapp 260 Stück gefallen. Die Amerikaner haben den Vorteil, dass sie ihre Produktionsstätten im Vergleich zu anderen Staaten relativ schnell stilllegen, aber auch wieder schnell hochfahren können.
Gleichzeitig macht die sukzessive Aufhebung der coronabedingten Ausgangsbeschränkungen Hoffnung auf einen steigenden Ölverbrauch. So hat sich die Benzinnachfrage in den USA inzwischen etwas erholt, nachdem sie Anfang April auf ein Rekordtief gefallen war. Üblicherweise nimmt in den USA mit dem nun begonnenen Memorial-Day-Wochenende auch die Reisetätigkeit zu. Aber: „Sollte die US-Benzinnachfrage enttäuschen, droht bei den Ölpreisen ein Rücksetzer“, so die Commerzbank. Der Benzinverbrauch liegt mittlerweile bei 75 Prozent des Vorjahresniveaus.
In China dürfte sich die Ölnachfrage in diesem Monat ebenfalls wieder eingependelt haben. Die Commerzbank erwartet für das zweite Halbjahr eine Erholung auf dem Markt und einen Preis von 40 Dollar, die DZ Bank ist pessimistischer und spricht von nur 30 Dollar.