Johann Horbaczewski, Europas erster Gesundheitsminister
Porträt. 1917 wurde der Ruthene erster Ressortchef für Gesundheit in Österreich. Und fand sich bald in der Spanische-Grippe-Pandemie wieder.
In der Endphase des Ersten Weltkriegs, mitten im Zusammenbruch der Monarchie mit Tausenden Kriegsverwundeten, vielen kriegsbedingten Krankheiten, Seuchen, Mangelerkrankungen infolge Hungers ordnete Kaiser Karl im Herbst 1917 die Schaffung eines eigenen Ministeriums für Volksgesundheit an – das erste in Europa überhaupt. Die Aufgaben eines solchen Ministeriums wurden bis dahin vom Innenministerium wahrgenommen. Zum Aufbau dieses Ministeriums wurde am 30. August 1917 der Professor für Medizinische Chemie an der böhmischen Universität in Prag, Johann Horbaczewski, ernannt. Sein Büro hatte er erst am Judenplatz 11 in der ehemaligen Böhmischen Hofkanzlei, dann im Haus Salztorgasse 1.
Der neue Minister war Ruthene und wurde 1854 in der Nähe von Tarnobol in Galizien (heute Ukraine) als Sohn eines griechisch-katholischen Pfarrers geboren. Er studierte Medizin an der Universität Wien, war dort Assistent für Medizinische Chemie und wurde 1884 zum Professor dieses Fachs an der Böhmischen Universität in Prag ernannt. Er war in der wissenschaftlichen Welt anerkannt auf dem Gebiet der Harnsäureforschung und damit der Lösung des Rätsels der verbreiteten Gicht. Anlässlich seines 80. Geburtstags im Jahr 1932 titelte die Zeitung „Der Tag“mit der Schlagzeile „Die Harnsäure jubiliert“.
Seit 1906 gehörte er dem Obersten Sanitätsrat an, 1909 wurde er auf Lebenszeit in das Herrenhaus des Reichsrats berufen. Seine Berufung in die Regierung erfolgte nicht nur aufgrund seiner unbestrittenen fachlichen Qualifikation, sondern auch, um die ruthenische Nation zu beruhigen und sie an die k. k. Regierung zu binden, zu einer Zeit, als alle anderen Nationalitäten bereits aus der Monarchie in die Unabhängigkeit drängten. Horbaczewski hatte sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts aktiv für die Stärkung der politischen und kulturellen Stellung der Ruthenen in Galizien und in der Bukowina engagiert. Vor allem lag ihm die Errichtung einer ruthenischen Universität in Lemberg am Herzen.
Am 24. November 1917 genehmigte der Kaiser auf Vorschlag der Regierung Seidler die Errichtung des Ministeriums für Volksgesundheit, aber erst am 30. Juli 1918 konnte Horbaczewski sein Amt offiziell antreten. Er blieb Gesundheitsminister auch in den Regierungen Hussarek und Lammasch.
Der neue Minister war unmittelbar mit der gnadenlos grassierenden Pandemie der Spanischen Grippe konfrontiert. Die öffentlichen Institutionen existierten nicht mehr oder waren nicht handlungsfähig, es mangelte an Medikamenten, Gesundheitspersonal und Apothekern, Hygiene fehlte überall. Obwohl Horbaczewski zu beschwichtigen versuchte, dass diese Epidemie keine Lungenpest sei und generell einen gutartigen Verlauf nehme, zeigten seine Ausführungen die Ohnmacht in dieser Zeit. Eine Verbreitung sei nicht zu verhindern, weil man den Erreger nicht kenne. Das Verbot des Besuchs von Kaffee- und Gasthäusern, Kinos, Theatern war wirkungslos, solange etwa das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln und das Einkaufen von Lebensmitteln nicht verboten wurden. Zudem wurde die Anzeigepflicht ignoriert. Es fehlte an Grippezimmern und Notspitälern. Die Leichen lagen oft eine Woche lang in den Wohnungen, weil es nicht ausreichend Gräber gab.
Am 11. November 1918 übergab Horbaczewski die Agenden des k. k. Gesundheitsministeriums dann an den Staatssekretär (Minister) für Volksgesundheit der neuen Republik, Ignaz Kaup. Horbaczewski ging wieder nach Prag, wurde tschechoslowakischer Staatsbürger und mehrfach Rektor der Ukrainischen Freien Universität. 1942 starb er 88-jährig in Prag.
Der Autor ist Universitätsprofessor für Neuere Österreichische Geschichte und war Landeshauptmann von Salzburg.