Wie Nehammer die SPÖ rettet
Mit simplem Kurz-Bashing wird die SPÖ nicht weit kommen. Wie es besser geht, zeigt gerade die Wiener Partei.
Die SPÖ schafft es wohl auch auf absehbare Zeit nicht, die politische Chance zu nutzen, die sich aus der Coronakrise ergibt. Dabei hat sie in Gestalt ihrer Parteivorsitzenden, Pamela Rendi-Wagner, eine gesundheitspolitische Kapazität erster Güte zur Verfügung. Zusätzlich bieten die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Prognosen einer Partei ihrer Tradition ein riesiges Aufgabenfeld: sich einzusetzen für die Schwächeren der Gesellschaft, für möglichst große Arbeitsplatzsicherheit, für gerechte Einkommensund Vermögensverteilung. Und doch kommt sie auf Bundesebene kaum vom Fleck – mit Umfragewerten von 16 bis 18 Prozent.
Das liegt vor allem auch an Sebastian Kurz: Zwar trübt sich gerade sein Heiligenschein etwas, doch es bleibt genug davon über, um noch lang die Innenpolitik zu dominieren. Er ist trotz (oder wegen?) seiner ideologischen Leichtgewichtigkeit der kommunikativ gewiefteste Politiker, scheinbar mühelos seine Partner von Blau zu Grün auswechselnd. Seine erfolgreiche Lieblingsrolle ist die des Beschützers der Bevölkerung: aktuell gegen europäische Begehrlichkeiten (die eigentlich auch die österreichischen sein müssten) ebenso wie gegen das Virus und dessen Folgen. Sogar mit Parolenwechsel Richtung Keynes: Bruno Kreisky hätte es kaum besser sagen können, das „Koste es, was es wolle“.
Also: mit simplem KurzBashing wird die SPÖ nicht weit kommen. Schon gar nicht, weil sie keine Persönlichkeiten an der Parteispitze hat wie Kreisky und Androsch (vor deren Zerwürfnis) oder später Vranitzky. Und keine vergleichbar großen Narrative: Kreisky stand für die Gesamtmodernisierung des Landes, Vranitzky für die nötige Europäisierung durch den EU-Beitritt.
Es liegt nicht nur an der jetzigen Parteichefin, dass die SPÖ keine annähernde Breitenwirkung hat wie in den 1970er- und 80er-Jahren, im Gegenteil: Die
SPÖ hätte vermutlich ohne PRW bei der Wahl 2019 noch schlechter abgeschnitten. Davor hatte sie eine traumatische Parteikrise durchgemacht: Christian Kern, der mit dem Plan A eine austriakische Variante des sozialliberalen Macronismus versucht hatte, war spektakulär gescheitert, weniger am Konzept, mehr an seiner Persönlichkeit. Und – natürlich – an Kurz, der fünf Jahre in einem disziplinierten Marsch durch die schwarzen Institutionen seine Kader an den Machthebeln der ÖVP installiert hatte.
Munteres Intrigieren
Seither gab es in der SPÖ ein munteres Intrigieren vieler gegen viele und etlicher gegen eine. Wenn das nicht von der ersten Frau an der Parteispitze gestoppt werden kann – ohne unglaubwürdige Drohungen mit Parteiausschlüssen –, droht der SPÖ eine Bruchlandung a` la SPD. Nach der Infragestellung des für PRW überraschend erfolgreichen Ergebnisses ihrer Mitgliederbefragung gilt der Generalbefund des Kärntner Landeshauptmanns mehr denn je: Törichter geht’s nimmer.
Freilich: Für die SPÖ gibt es einen Hoffnungsschimmer. Die Wiener SPÖ, ihre wichtigste Teilorganisation, macht es derzeit besser. Sie hat die mehr persönlichen als politischen Differenzen ihrer „Lager“vor der Wahl Ludwigs anscheinend überwunden, liegt auf respektablen Werten zwischen 36 und 38 Prozent, nahe der Erfolgsmarke, mit der Häupl 2015 Strache abgehängt hat. Sie hat die bisweilen verständliche Kritik an PRW, die mangels Alternative zum Sudern verkommt, zumindest gestoppt. Sie kann nach der Wahl im Oktober auch die Entwicklung der Bundes-SPÖ entscheidend (mit) bestimmen. Und sie kann bis dahin auf einen Wahlhelfer hoffen: Karl Nehammer bastelt mit seinem Wien-Bashing an seiner Rolle als Kopie von Strache 2015. Peter Pelinka ist Medientrainer, Journalist und Buchautor. Zuletzt: „Das Ende der sozialdemokratischen Hegemonie“. In: Androsch/Fischer/Maderthaner (Hrsg.): „Vorwärts“(Brandstätter Verlag).