Herr Kusej, bitte bewahren Sie unsere Burg!
Die coronabedingte Zwangspause der ersten Spielzeit von Martin Kusej sollte proaktiv zur Theaterreflexion genutzt werden.
Ich verstehe kein Wort“, so sprach Thusnelda in einer aus Beton gegossenen „Hermannsschlacht“von der großen Bühne herab. „Wir auch nicht!“, so die Antwort aus dem, ihr zu Füßen liegenden, Wiener Burgtheater-Publikum. Dieser Theaterabend liegt schon eine Weile zurück. Aber er ruft immer noch ein Schmunzeln in mir hervor, wenn ich vor einer (was, bis zum unerwarteten Stillstand, immer öfter vorkommt) düsteren Theaterbühne sitze und auf das Ende warte. Der Satz aus dem Zuschauerraum ist mir aus der Seele gesprochen. „Ich liebe das Theater. Aber ich verstehe es nicht mehr.“
Der mit den „Bakchen“beginnende, verheißungsvolle Gewalteinmarsch unter der Parole: „Alles ganz anders!“, „Kontrovers!“, „Kampfhaft neu!“Er gleicht Salzburger Nockerl, die zu früh aus dem Ofen geholt worden sind. Spannung fehlt! Neu ist wichtig!
Neu ist gut! Aber Neues braucht auch Seele.
Es ist nicht damit getan, der Burg ihren Namen zu nehmen und alles auf den Kopf zu stellen; typografisch ins Unleserliche zu zerfleddern, um optisch „einfach-nurANDERS“sein zu wollen. Innerhalb des Hauses darf das Wort Burg nicht mehr in den Mund genommen werden, so will es die Direktion.
Ein weiteres schwarzes Loch neben der Namenslücke ist die vorherrschende erzwungene Sehnsucht nach „Großartig-Neuem“. Bislang vergeblich bleibt die Suche danach. Sind nun Langeweile und Bedeutungslosigkeit die neuen Lückenbüßer eines Theaters, das man nicht länger beim würdigen Namen nennen darf? Jetzt geht es nur noch um Stil. Alles Thematische ist längst erschöpfend behandelt worden. Bedeutungslos ist die „Traumdeutung“. Simon Stones „Medea,“ein der Zeit entsprechender audio-, videoperfekter Psychothriller. Torfason und Arnarsson zelebrieren ihre „Edda“als ohrenbetäubendes Happening. Die Zuseher sitzen teils hustend im Nebel. Sonst ist es mit der Originalität vorbei. Wie „Faust“, „Meister und Margarita“und „Dies irae“beweisen, wird unter Auf-Teufel-komm-raus-Effekthascherei selbst Lust und Sünde zur sich hinziehenden Höllenqual. Es gibt keine Gefühle mehr, nur noch Dunkelheit und belanglose, schrille Erklärungen.
Mehr Pausenflüchtlinge
Schwieriger fällt zunehmend auch das Verschenken von Theaterkarten. Die Zahl der Pausenflüchtlinge steigt. Vielleicht liegt es daran, dass die Schauspieler immer mehr zu unverständlichen Schattenwesen mutieren. Es sind menschliche Marionetten, die von ihren Stimmbändern aus am Mischpult hängen, von dort dirigiert und geregelt werden. Es verblasst die Dimension der Akteure. Es gibt kaum noch einen Theaterabend, an dem die Charaktere