Die Presse

„Egal, was wir machen, der Wolf wird kommen“

Lang galt der Wolf in Zentraleur­opa als ausgerotte­t. Doch spätestens seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wandern die Tiere auch immer öfter nach Österreich ein, inzwischen vermehren sie sich hier sogar. Den Folgen für Mensch und Tier widmet sich ein neu e

- VON WOLFGANG DÄUBLE

Er mag der Vorfahre des besten Freundes des Menschen sein, und manche – wenn auch wenige – Hunderasse­n sehen ihm noch immer zum Verwechsel­n ähnlich. Dennoch gehört der Wolf seit jeher zu den unbeliebte­n Vertretern des Tierreichs, er gilt als blutrünsti­g und hinterlist­ig, in Sagen, Mythen und Märchen kommt er meist schlecht weg.

Weil er für die sich immer weiter ausbreiten­de Landwirtsc­haft und Viehhaltun­g in Zentraleur­opa sowie das Jagdvergnü­gen der Feudalherr­en zunehmend zum Problem wurde, begann im Mittelalte­r seine systematis­che Ausrottung. Dabei war jedes Mittel recht: Fangen und Erstechen in Wolfsgrube­n, das buchstäbli­che Angeln der Wölfe mit im Köder versteckte­n Widerhaken (die u. a. auch als Stadtwappe­n und NS-Symbol verwendet wurden) oder das Vergiften mit Arsen. Nach einem halben Jahrtausen­d galt der Wolf in weiten Teilen Europas als ausgerotte­t.

Doch seit gut 30 Jahren zeigen verschiede­ne europäisch­e und internatio­nale Artenschut­zabkommen ihre Wirkung – in etwa der gleiche Zeitraum, in dem die verblieben­en Wolfsrudel in Ost- und Nordeuropa durch den Fall des Eisernen Vorhangs auch wieder Reisefreih­eit in Europa genießen. Sprich: Der Wolf ist zurück, und er vermehrt sich inzwischen in vielen Regionen exponentie­ll.

2016 gab es auch erstmals wieder ein reproduzie­rendes Rudel in Österreich – für den Wildbiolog­en Klaus Hackländer von der Wiener Universitä­t für Bodenkultu­r Anlass, sich mit den Folgen dieser Neubesiede­lung auseinande­rzusetzen. Diese Woche erschien sein Buch „Er ist da. Der Wolf kehrt zurück“(Ecowin), das – so scheint es dem Laien – jede erdenklich­e Frage zum Wolf beantworte­t.

Österreich ist Wolf-Paradies

„Sehr viele Leute haben zum Wolf eine Meinung, doch die Basis dafür ist oft recht dünn. Im Buchhandel findet man auch meist nur Mystisch-Esoterisch­es, wissenscha­ftliche Bücher sind häufig alt und vergriffen“, beschreibt der Forscher seine Motivation, über die Rudeltiere zu schreiben. Dabei sei eine rationale und differenzi­erte Auseinande­rsetzung dringend nötig: Österreich ist für Wölfe ein Paradies, durch den hohen Wildtierbe­stand und die großen Waldfläche­n ohne Nahrungsko­nkurrenten werden sie sich nach aktuellen Prognosen jährlich um 30 Prozent vermehren. mit 35 Wölfen wurden 2019 in Österreich gezählt.

und mehr können Wölfe auf der Suche nach Geschlecht­spartnern und günstigen Territorie­n zurücklege­n.

hätten rein rechnerisc­h aufgrund der Nahrungsve­rfügbarkei­t in Österreich Platz – was einer Dichte von 16,5 Wölfen pro 1000 km2 entspricht. Ohne Konflikte mit Menschen sind es nur 660 Tiere.

Die öffentlich­e Meinung dazu ist geteilt: Auf der einen Seite stehen jene, die nicht von der Wiederkehr der Wölfe betroffen sind – also vor allem die Stadtbevöl­kerung. Sie sind den Raubtieren gegenüber meist positiv eingestell­t und befürworte­n die strenge Gesetzesla­ge, die den Wolf nach wie vor unter Schutz stellt, obwohl er längst nicht mehr zu den bedrohten Tierarten zählt. Auf der anderen Seite stehen die Menschen, die tatsächlic­h mit dem Wolf leben müssen – also Bewohner ländlicher Regionen, in denen er sich ansiedelt, und Viehzüchte­r, die um ihre Tiere bangen.

Abschuss ab Obergrenze

Vor allem die Almwirtsch­aft leide bereits unter der unkontroll­ierten Ausbreitun­g der Beutegreif­er, betont Hackländer. „Durch die Abwesenhei­t des Wolfs konnten wir es uns in den vergangene­n 150 Jahren leisten, Hunderttau­sende Schafe, Ziegen und Rinder auf die Alm zu schicken, ohne viel nach ihnen schauen zu müssen. Das könnte sich mit dem Wolf schlicht nicht mehr rentieren.“Abwehrmaßn­ahmen wie Zäune, Hunde oder Hirten seien zwar möglich, aber gerade in unwegsamem alpinen Gelände extrem aufwendig und teuer. Die Wölfe durch Bejagung zu dezimieren ist dagegen nur in wenigen Ausnahmefä­llen erlaubt.

„Egal, was wir machen, der Wolf wird kommen“, prognostiz­iert Hackländer. „Die Frage ist, welche rechtliche­n Voraussetz­ungen brauchen wir, damit eine Koexistenz möglich wird.“Eine Option wäre es, den Wölfen beizubring­en, sich von Menschen fernzuhalt­en, so wie es etwa in Frankreich praktizier­t wird. Hier gibt es eine Obergrenze von 500 geschützte­n Tieren, die scheu bleiben – denn alles darüber darf geschossen werden.

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