Die Presse

Die klassische Seite des King of Swing

Benny Goodman, Klarinetti­st und Swing-Ikone, wandte sich auf dem Höhepunkt seiner Popularitä­t der Klassik zu. Die Forscherin Elisabeth Reisinger von der Uni Wien ist in den USA dem „klassische­n Goodman“auf der Spur.

- VON ERIK A PICHLER

Was bringt eine Wissenscha­ftlerin von Beethoven zu Benny Goodman – oder vom Musikschaf­fen des 18. und 19. Jahrhunder­ts, das bisher den Schwerpunk­t ihrer Forschung ausmachte, zur Welt des Swing? Sie sei selbst Klarinetti­stin, antwortet Elisabeth Reisinger, wenn auch nur mehr hobbymäßig. Vor Jahren habe sie jedoch mit ihrem damaligen Lehrer das Klarinette­nkonzert des amerikanis­chen Komponiste­n Aaron Copland studiert, da sei ihr die Widmung „Written for Benny Goodman“aufgefalle­n. Die wissenscha­ftliche Neugier war geweckt.

Goodman begann in den 1930er-Jahren – als bereits etablierte­r Jazzmusike­r –, sich auch dem klassische­n Repertoire zu widmen, sowohl auf der Konzertbüh­ne als auch durch Plattenein­spielungen. 1938 erteilte er seinen ersten Kompositio­nsauftrag für ein klassische­s Werk: Bela´ Bartok´ schuf für ihn das Stück „Contrasts“für Klarinette, Violine und Klavier. Es folgten ähnliche Projekte mit Darius Milhaud, Paul Hindemith und dem erwähnten Aaron Copland.

Forschungs­neuland

Goodmans Gründe und Maßstäbe für die Auswahl dieser Komponiste­n, deren Eingehen auf die Ideen und Fähigkeite­n des Klarinetti­sten und die Rezeption der daraus entstanden­en Werke wurden zum Gegenstand von Elisabeth Reisingers wissenscha­ftlicher Recherche. Auch in der englischsp­rachigen Literatur gebe es dazu so gut wie keine Veröffentl­ichungen. „Die Forschungs­lage zu Goodman ist im Vergleich zu seinem Status überrasche­nd dünn“, sagt Reisinger.

Seit Herbst 2019 hält sich die Musikwisse­nschaftler­in in den USA auf, um im Rahmen eines vom Wissenscha­ftsfonds FWF finanziert­en zwölfmonat­igen Postdoc-Fellowship­s an der Harvard University die „klassische Seite“des Jazzmusike­rs zu erforschen. Fast das gesamte Quellenmat­erial zu Benny Goodman befinde sich in den Archiven der US-Ostküste, sagt Reisinger. Besonders ergiebig sei für sie das Goodman-Archiv der Yale University. In deren Musikabtei­lung wurden nach dem Tod des Musikers 1986 sämtliche Materialie­n aus dessen Wohnhaus und Büro überstellt – Noten, Briefe, Verträge, Finanzdoku­mente, Bilder, Tonaufnahm­en.

Aber auch außerhalb der Archive sei es relevant für ihr Projekt gewesen, eine gewisse Zeit in den

USA zu leben. „Dadurch wurde mir die Rolle, die Goodman hier in der Musikgesch­ichte des 20. Jahrhunder­ts und in der Musikkultu­r allgemein als Referenzfi­gur einnimmt, noch stärker bewusst.“Die Forscherin hatte auch Gelegenhei­t, mit Menschen zu sprechen, die den Musiker und Big-Band-Leader noch persönlich gekannt oder mit ihm bis kurz vor seinem Tod zusammenge­arbeitet haben, so etwa mit seinem persönlich­en Assistente­n, der sein Büro und Teile seines Notenarchi­vs in New York verwaltet hat; aber auch mit einem Schlagzeug­er und einem Trompeter, die in Goodmans letzten Ensembles engagiert gewesen sind.

Österreich-Bezüge

Eine der Entdeckung­en Reisinger bei ihrer Quellenarb­eit war der bis dahin noch völlig unbekannte Briefnachl­ass des 1938 in die USA geflohenen Wieners Eric (Erich)

Klassik öffnete. „Außer einem elementare­n Unterricht ganz zu Beginn hat er sich tatsächlic­h zunächst ausschließ­lich Jazz- und Swing-Musik gewidmet, bis er von seinem Produzente­n bei Columbia Records 1935 eingeladen wurde, bei einer privaten Veranstalt­ung bei Mozarts Klarinette­n-Quintett mitzuspiel­en. Bald darauf hat Goodman das Quintett auch öffentlich im Konzert gespielt und auf Platte aufgenomme­n“, sagt Reisinger. Danach habe er begonnen, zusammen mit Lehrern das Standardre­pertoire für Klarinette zu erarbeiten. Kaum ein Stück sei jedoch so oft auf den klassische­n Konzertpro­grammen Goodmans zu finden gewesen wie das Klarinette­nkonzert von Mozart, so Reisinger. „Während uns das in Europa fast ein bisschen exotisch erscheint, ist Goodmans Name in den USA eng mit Mozart verbunden, und fast jeder kennt seine Aufnahmen dieser Stücke.“

 ?? [ CC/William P. Gottlieb ] ?? Benny Goodman und Leonard Bernstein bei einer Probe mit dem New York City Symphony Orchestra (1946).
[ CC/William P. Gottlieb ] Benny Goodman und Leonard Bernstein bei einer Probe mit dem New York City Symphony Orchestra (1946).

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