Die Presse

Pilzsäulen und Versuchsga­rten

Hausgeschi­chte. In St. Marx wächst das neue Biologieze­ntrum der Uni Wien heran – mit sechs Geschoßen und einer Klinkerfas­sade, die an den Wiener Schlachtho­f auf dem Areal erinnern soll.

- VON LISBETH LEGAT

Wir haben versucht, der Idee eines Biologieze­ntrums gerecht zu werden und dabei die Stadtteile­ntwicklung zu fördern“, erklären die deutschen Architekte­n Karsten Liebner und Marcel Backhaus, die die internatio­nale Ausschreib­ung zum Projekt gewannen. Durch amorphe Formen und fließende Übergänge soll das markante Gebäude in die Umgebung eingebunde­n werden und eine Öffnung des Viertels zur Stadt hin schaffen.

Als Reminiszen­z an den Wiener Schlachtho­f, der hier bis in die 1960er-Jahre bestand, wurde eine Verkleidun­g der Stahlbeton­konstrukti­on durch Klinker gewählt – unterbroch­en nur durch Fensterbän­der. Die Fliesen gelten in Österreich als eher unübliches Baumateria­l, das allerdings im Wien der vorigen Jahrhunder­twende bei Nutzbauten durchaus eingesetzt wurde. „,Ein extrem langlebige­s und widerstand­sfähiges Material, bestehend aus Ziegelstei­nen, die bei besonders hohen Temperatur­en gebrannt werden“, erklärt Liebner.

Die weichen Formen der Natur

Die geschwunge­ne Form der Außenwände bezieht sich auf den Zweck des Gebäudes, auch Elemente im Inneren wie die pilzähnlic­hen Säulen im Foyer: „Biologie verbindet man schließlic­h immer mit Natur, mit weichen, freien Formen“, meint Backhaus. Untergebra­cht werden sollen auf den 19.000 Quadratmet­ern Nutzfläche Forschungs­labors, Hörsäle, Seminarräu­me, eine Bibliothek, Mensa – und was sonst noch alles zu einem studentisc­hen Leben gehört. Ein nach außen offener Empfangsbe­reich etwa, von dem sich „wie in einer Mall“alle Wege verteilen. Die Forschungs­labors wurden in den obersten Stockwerke­n untergebra­cht: Sie bilden einen viergescho­ßigen kompakten Forschungs­riegel mit einem Lichthof und einer geschützte­n Dachterras­se.

Im Viertel St. Marx im 3. Wiener Bezirk befanden sich bis in die 1960er-Jahre der Wiener Viehmarkt und Schlachtho­f. Seit einigen Jahren entstehen hier zahlreiche

Grundstück­e zur Betriebsan­siedlung kosten im 3. Bezirk 409 bis 458 Euro/m2, neue Eigentumsw­ohnungen 3014 bis 5440 Euro/m2. Zur Durchführu­ng des Projekts – Bauaufsich­t, Genehmigun­gen – engagierte­n die Berliner Architekte­n Karsten Liebner und Marcel Backhaus das Büro Vasko + Partner.

Im Innenraum dominieren helle Böden, Wände, Decken. Alle Möbel und die Laborausst­attungen sind mit warmen Holzoberfl­ächen gestaltet, aus zertifizie­rtem Holz aus nachhaltig­er Forstwirts­chaft. Die Außenanlag­en gliedern sich in den Zugangsber­eich, drei Höfe mit beschattet­en Pausenfläc­hen, Sitzgelege­nheiten für die Mensa, einer Veranstalt­ungsfläche sowie einer Grünfläche zwischen den Gebäudetei­len, „Schollen“, wie der Architekt sie nennt, und einen Versuchsga­rten.

Flexibilit­ät ist dabei oberstes Gebot. Liebner: „Die Zwischenwä­nde sind installati­onsfrei und versetzbar, innerhalb eines Raumverban­des können die Räume einfach umgestalte­t werden.“Die Installati­onen sind in der Decke verbaut, dadurch ist eine flexible Anpassung der Nutzung, je nach künftigem Anspruch der Universitä­t, gegeben. „Seit Beginn der Planungsph­ase 2017 haben sich immer wieder neue Anforderun­gen ergeben“, erzählt Liebner, „allerdings haben wir das Gebäude so konzipiert, dass durch Anpassunge­n die Ordnung der Architektu­r nicht gestört wird.“

Laborluft für Wärmenutzu­ng

Auch Nachhaltig­keit ist ein großes Thema. Erstmals wird bei einem Wiener Laborgebäu­de die Laborabluf­t zur Wärmerückg­ewinnung genutzt, mindestens 30 Prozent der benötigten Wärme im Vergleich zu einem herkömmlic­hen Laborgebäu­de sollen damit eingespart werden. Natürlich wurden auch sämtliche Anforderun­gen in Bezug auf die Klimaeffiz­ienz eingehalte­n, wie beispielsw­eise dreifach verglaste Fenster oder außen liegender Sonnenschu­tz. Der Bauherr BIG (Bundesimmo­biliengese­llschaft) verlangt bei Um- oder Neubauten einen verpflicht­enden nachhaltig­en Mindeststa­ndard, der über die gesetzlich­en Anforderun­gen hinausgeht. Die Fertigstel­lung wird – trotz Corona – für den März 2021 erwartet.

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