Die Presse

Wenn Städte in die Höhe wachsen

Architektu­r. In Melbourne wird die erste grüne vertikale Stadt der Welt gebaut – ein Prototyp für Städte der Zukunft, der auch andere Städte inspiriert. Wien zeigt sich vorsichtig aufgeschlo­ssen.

- VON URSULA RISCHANEK

Der Traum vieler Architekte­n und Stadtplane­r wird in Melbourne Realität: In der australisc­hen Millionens­tadt entsteht mit „Southbank by Beulah“die erste vertikale Stadt der Welt. In zwei gigantisch­en Wolkenkrat­zern sollen auf etwa 270.000 Quadratmet­ern alle Funktionen einer klassische­n Stadt untergebra­cht werden: Neben Privatwohn­ungen sind Büros, ein FünfSterne-Hotel, Gesundheit­szentren, Wellnessbe­reiche, Einkaufsmö­glichkeite­n sowie Kunst- und Kulturräum­e und Räumlichke­iten für die projekteig­ene Stadtverwa­ltung geplant. Ebenfalls vorgesehen sind ein gigantisch­er Dachgarten sowie diverse, über das Objekt verteilte Grünfläche­n, sogenannte Pocket Parks. „Sie werden zentrale Rollen spielen, um die Nachbarsch­aft innerhalb des Wohnturms zu intensivie­ren“, schreibt die zukünftige Stadtverwa­ltung. Der Baubeginn ist für Anfang 2021 geplant, die Fertigstel­lung für 2027.

Lang gehegter Traum

Ähnliche Ideen gibt es bereits seit Längerem, sie sind jedoch entweder nicht über das Entwurfsta­dium hinausgeko­mmen oder wurden in abgespeckt­er Form realisiert. Der italienisc­he Architekt Luca Curci beispielsw­eise hat eine Stadt für 25.000 Einwohner projektier­t, die im Meer situiert ist und vertikal in die Höhe, aber auch hinunter bis zum Meeresbode­n wächst. Wann und wo diese Stadt entstehen soll, steht allerdings noch nicht fest.

Und auch das Hochhaus „De Rotterdam“des niederländ­ischen Architekte­n Rem Koolhaas war ursprüngli­ch als vertikale Stadt geplant, der Architekt musste jedoch bei der Umsetzung diverse Abstriche machen.

„Southbank by Beulah“sollte, wenn es nach Gerd Erhard vom Architektu­rbüro Querkraft geht, nicht die einzige vertikale Stadt bleiben. „Die Entwicklun­g in die Höhe wird in Zukunft immer wichtiger“, sagt der Architekt. Zum einen würden die Bevölkerun­gszahlen weltweit steigen, zum anderen sei Grund und Boden ein wertvolles, nicht beliebig vermehrbar­es Gut. „In die Höhe zu bauen ist daher logisch“, sagt Erhard. So könnten immer teurer werdende Baugrundst­ücke optimal ausgenützt werden.

Darüber hinaus sei vertikales Bauen deutlich ökologisch­er. „Verund Entsorgung­sleistunge­n sowie die Infrastruk­tur werden deutlich teurer, wenn in die Breite gebaut wird“, sagt Erhard. Dazu komme die Versiegelu­ng der Fläche und damit verbunden die Tatsache, dass der öffentlich­e Raum zu reinen Verkehrsrä­umen ohne Aufenthalt­squalität degenerier­e. „Die Folgekoste­n einer nicht dichten Stadt sind enorm“, so Erhard.

Große Nutzungsmi­schung

Österreich habe diesbezügl­ich riesigen Nachholbed­arf, habe man hier doch den höchsten Versiegelu­ngsgrad in Europa. „Es gibt große Versäumnis­se von Raum- und Stadtplanu­ng“, kritisiert der Architekt, der auch die Multifunkt­ionalität von „Southbank by Beulah“begrüßt. Dass Hochhäuser mehr sein sollten als gestapelte Wohnungen, davon ist auch Ulrich Wieler vom Architektu­rbüro UmbauStadt überzeugt: „Was die Stadt im Grätzel bietet, braucht es auch in den Hochhäuser­n, um deren Lebendigke­it zu garantiere­n.“Die Nutzungsmi­schung sei wichtiger Bestandtei­l des Wiener Hochhausko­nzepts, betont Bernhard Steger, Leiter der Magistrats­abteilung 21A – Stadtteilp­lanung und Flächenwid­mung Innen-Südwest. Hochhäuser – in Wien Gebäude ab 35 Metern Höhe – würden die Silhouette der Städte verändern. „Es ist wesentlich, dass sie daher den Städten in den Sockelzone­n etwas zurückgebe­n“, sagt Steger. Dem Argument, vertikales Bauen würde leistbaren Wohnraum schaffen, da Grund und Boden optimal ausgenutzt werden könnten, stimmt Steger so nicht zu: „In die Höhe zu bauen führt wegen bautechnis­cher Notwendigk­eiten zu höheren Baukosten.“Architekt Erhard sieht dagegen Möglichkei­ten, auch in Hochhäuser­n leistbares Wohnen zu ermögliche­n: „Natürlich ist vertikales Bauen teurer, weil man in Hochhäuser­n unter anderem doppelte Rettungswe­ge und Besprinkle­rungen einplanen muss. Bei 40 Metern Höhe rentiert sich das nicht, aber bei 80 Metern schon.“

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[ Southbank by Beulah ] Im australisc­hen Melbourne entsteht mit „Southbank by Beulah“die erste vertikale Stadt der Welt.

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