Am Strand mit Maske?
Gastbeitrag. Von Pauschalreisen, die coronabedingt nicht angetreten werden können, kann der Kunde kostenlos zurücktreten. Ändern sich bloß die Modalitäten der Reise, kommt es auf die Intensität des Eingriffs an, ob ein Storno gratis ist.
Wann ein Rücktritt von einer Pauschalreise kostenlos möglich ist.
München/Wien. Während sich viele Urlauber darauf freuen, dass sie aufgrund der rückläufigen CoronaFallzahlen unter Umständen doch noch in den lang ersehnten Sommerurlaub reisen können, stehen andere diesem Gedanken sehr skeptisch gegenüber. Hört man nämlich von Überlegungen über die Implementierung von Sicherheitsvorkehrungen in den Urlaubsgebieten – die von der Abschaffung des herkömmlichen Frühstücksbuffets bis zur Maskenpflicht am Strand und Pool reichen könnten –, so stellen sich doch viele Reisende die Frage, wie viel „Urlaubswert“eine solche Reise noch mit sich bringt. Es drängt sich daher die Frage auf, ob eine Reise, die bereits vor Corona gebucht wurde, unter derartigen Bedingungen kostenlos storniert werden kann.
Rücktritt wegen Reisewarnung
In Bezug auf den Rücktritt von Pauschalreisen stand zuletzt § 10 Abs 2 Pauschalreisegesetz (PRG) im Fokus. Demnach kann der Reisende vor Reiseantritt ohne Zahlung einer Entschädigung – bisher bekannt als „Stornogebühr“– vom Pauschalreisevertrag zurücktreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung ans Ziel erheblich beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen lagen bei geplanten Reisen in den vergangenen Wochen vor: Das Coronavirus ist ein unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstand, der in Kombination mit den Reisewarnungen des Außenministeriums (die der OGH als Rücktrittsgrund anerkennt; RIS-Justiz RS0111962) dazu führte, dass Pauschalreisen erheblich beeinträchtigt waren.
Fallen Reisewarnungen allerdings bis zum Sommer weg, weil entsprechende Länder „nahezu coronafrei“sind, so steht der Reisende vor der Herkulesaufgabe, nun selbst nachzuweisen, dass gleichwohl noch derartige Umstände am Urlaubsort vorherrschen. Denkbar wäre in diesem Falle wohl allenfalls die Berufung auf seriöse Medienberichterstattung (OGH 6 Ob 145/04y). Mangelt es allerdings an einer solchen – insbesondere wegen des sinkenden Ansteckungsrisikos –, so erscheint die Erbringung dieses Nachweises als nahezu aussichtslos. Ein auf § 10 Abs 2 PRG gestützter kostenfreier Rücktritt wird dem Reisenden daher in Bezug auf „nahezu coronafreie“Urlaubsländer – sofern keine zweite Infektionswelle anrollt – verwehrt bleiben.
Storno bei Leistungsänderung
Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass ein kostenloser Rücktritt vom gebuchten Sommerurlaub nicht möglich wäre. Geplante Maßnahmen zur Prävention vor einer neuerlichen Ausbreitung des Coronavirus können nämlich eine erhebliche Änderung des Pauschalreisevertrages darstellen, die den Reisenden wiederum zu einem kostenlosen Rücktritt – nun aber – nach § 9 Abs 2 PRG berechtigen würde. Ist der Reiseveranstalter vor Beginn der Pauschalreise gezwungen, eine der wesentlichen Eigenschaften der Reiseleistungen erheblich zu ändern, so kann der Reisende innerhalb einer vom Reiseveranstalter festgelegten angemessenen Frist der vorgeschlagenen Änderung zustimmen oder vom Vertrag ohne Zahlung einer Entschädigung zurücktreten. Gleiches gilt, wenn sich der Gesamtpreis der Pauschalreise nachträglich um mehr als acht Prozent erhöht. Zu beachten ist allerdings, dass der Reisende innerhalb der ihm gesetzten Frist seinen Rücktritt zu erklären hat; verschweigt er sich, so ist sein Verhalten (gemäß § 9 Abs 2 letzter Satz PRG) als Zustimmung zur Leistungsänderung zu werten. Zur Beurteilung, ob eine
Leistungsänderung erheblich ist, wird nach herrschender Meinung auf den Begriff des Reisemangels zurückgegriffen: Würde sich die Pauschalreise bei hypothetischer Durchführung durch die modifizierte Reiseleistung als mangelhaft erweisen, so liegt demnach eine erhebliche Leistungsänderung vor.
Menüauswahl statt Buffet
Folgende Fälle wären daher – nach bisheriger Rechtsprechung in Bezug auf die Mangelhaftigkeit – Beispiele für erhebliche Leistungsänderungen und demnach für das Vorliegen eines Rücktrittsrechts nach § 9 Abs 2 PRG: Wahl aus mehreren Speisen statt eines vereinbarten Buffets verbunden mit längeren Wartezeiten, gänzliche Streichung von Mahlzeiten, eingeschränktes Unterhaltungsprogramm und keine Diskothek, die Unbenutzbarkeit des Swimmingpools sowie die eingeschränkte Möglichkeit zur Nutzung des
Strandes. Letztere müsste auch dann gegeben sein, wenn am Strand durchgehend eine Maskenpflicht besteht.
Die aufgrund des einzuhaltenden Sicherheitsabstandes nunmehr konsequenterweise zu erwartenden Konstellationen, dass Mahlzeiten in geteilten Gruppen einzunehmen sind oder nicht ausreichend Sonnenschirme und Liegen für die Hotelgäste parat stehen bzw. diese beim Hotelpersonal reserviert werden müssen, wurden in der bisherigen Rechtsprechung hingegen nicht als Reisemangel anerkannt und begründen demnach für sich genommen auch kein Rücktrittsrecht nach § 9 Abs 2 PRG. In diesem Fall kann der Reisende daher lediglich unter Zahlung der „Stornogebühr“Abstand von der gebuchten Pauschalreise nehmen.
Sebastian Löw, LL.M. (WU), ist Univ.-Ass. an der Ludwig-Maximilians-Universität München. sebastian.loew@jura.uni-muenchen.de