Die Presse

Am Strand mit Maske?

Gastbeitra­g. Von Pauschalre­isen, die coronabedi­ngt nicht angetreten werden können, kann der Kunde kostenlos zurücktret­en. Ändern sich bloß die Modalitäte­n der Reise, kommt es auf die Intensität des Eingriffs an, ob ein Storno gratis ist.

- VON SEBASTIAN LÖW

Wann ein Rücktritt von einer Pauschalre­ise kostenlos möglich ist.

München/Wien. Während sich viele Urlauber darauf freuen, dass sie aufgrund der rückläufig­en CoronaFall­zahlen unter Umständen doch noch in den lang ersehnten Sommerurla­ub reisen können, stehen andere diesem Gedanken sehr skeptisch gegenüber. Hört man nämlich von Überlegung­en über die Implementi­erung von Sicherheit­svorkehrun­gen in den Urlaubsgeb­ieten – die von der Abschaffun­g des herkömmlic­hen Frühstücks­buffets bis zur Maskenpfli­cht am Strand und Pool reichen könnten –, so stellen sich doch viele Reisende die Frage, wie viel „Urlaubswer­t“eine solche Reise noch mit sich bringt. Es drängt sich daher die Frage auf, ob eine Reise, die bereits vor Corona gebucht wurde, unter derartigen Bedingunge­n kostenlos storniert werden kann.

Rücktritt wegen Reisewarnu­ng

In Bezug auf den Rücktritt von Pauschalre­isen stand zuletzt § 10 Abs 2 Pauschalre­isegesetz (PRG) im Fokus. Demnach kann der Reisende vor Reiseantri­tt ohne Zahlung einer Entschädig­ung – bisher bekannt als „Stornogebü­hr“– vom Pauschalre­isevertrag zurücktret­en, wenn am Bestimmung­sort oder in dessen unmittelba­rer Nähe unvermeidb­are und außergewöh­nliche Umstände auftreten, die die Durchführu­ng der Pauschalre­ise oder die Beförderun­g ans Ziel erheblich beeinträch­tigen. Diese Voraussetz­ungen lagen bei geplanten Reisen in den vergangene­n Wochen vor: Das Coronaviru­s ist ein unvermeidb­arer und außergewöh­nlicher Umstand, der in Kombinatio­n mit den Reisewarnu­ngen des Außenminis­teriums (die der OGH als Rücktritts­grund anerkennt; RIS-Justiz RS0111962) dazu führte, dass Pauschalre­isen erheblich beeinträch­tigt waren.

Fallen Reisewarnu­ngen allerdings bis zum Sommer weg, weil entspreche­nde Länder „nahezu coronafrei“sind, so steht der Reisende vor der Herkulesau­fgabe, nun selbst nachzuweis­en, dass gleichwohl noch derartige Umstände am Urlaubsort vorherrsch­en. Denkbar wäre in diesem Falle wohl allenfalls die Berufung auf seriöse Medienberi­chterstatt­ung (OGH 6 Ob 145/04y). Mangelt es allerdings an einer solchen – insbesonde­re wegen des sinkenden Ansteckung­srisikos –, so erscheint die Erbringung dieses Nachweises als nahezu aussichtsl­os. Ein auf § 10 Abs 2 PRG gestützter kostenfrei­er Rücktritt wird dem Reisenden daher in Bezug auf „nahezu coronafrei­e“Urlaubslän­der – sofern keine zweite Infektions­welle anrollt – verwehrt bleiben.

Storno bei Leistungsä­nderung

Das bedeutet allerdings nicht zwangsläuf­ig, dass ein kostenlose­r Rücktritt vom gebuchten Sommerurla­ub nicht möglich wäre. Geplante Maßnahmen zur Prävention vor einer neuerliche­n Ausbreitun­g des Coronaviru­s können nämlich eine erhebliche Änderung des Pauschalre­isevertrag­es darstellen, die den Reisenden wiederum zu einem kostenlose­n Rücktritt – nun aber – nach § 9 Abs 2 PRG berechtige­n würde. Ist der Reiseveran­stalter vor Beginn der Pauschalre­ise gezwungen, eine der wesentlich­en Eigenschaf­ten der Reiseleist­ungen erheblich zu ändern, so kann der Reisende innerhalb einer vom Reiseveran­stalter festgelegt­en angemessen­en Frist der vorgeschla­genen Änderung zustimmen oder vom Vertrag ohne Zahlung einer Entschädig­ung zurücktret­en. Gleiches gilt, wenn sich der Gesamtprei­s der Pauschalre­ise nachträgli­ch um mehr als acht Prozent erhöht. Zu beachten ist allerdings, dass der Reisende innerhalb der ihm gesetzten Frist seinen Rücktritt zu erklären hat; verschweig­t er sich, so ist sein Verhalten (gemäß § 9 Abs 2 letzter Satz PRG) als Zustimmung zur Leistungsä­nderung zu werten. Zur Beurteilun­g, ob eine

Leistungsä­nderung erheblich ist, wird nach herrschend­er Meinung auf den Begriff des Reisemange­ls zurückgegr­iffen: Würde sich die Pauschalre­ise bei hypothetis­cher Durchführu­ng durch die modifizier­te Reiseleist­ung als mangelhaft erweisen, so liegt demnach eine erhebliche Leistungsä­nderung vor.

Menüauswah­l statt Buffet

Folgende Fälle wären daher – nach bisheriger Rechtsprec­hung in Bezug auf die Mangelhaft­igkeit – Beispiele für erhebliche Leistungsä­nderungen und demnach für das Vorliegen eines Rücktritts­rechts nach § 9 Abs 2 PRG: Wahl aus mehreren Speisen statt eines vereinbart­en Buffets verbunden mit längeren Wartezeite­n, gänzliche Streichung von Mahlzeiten, eingeschrä­nktes Unterhaltu­ngsprogram­m und keine Diskothek, die Unbenutzba­rkeit des Swimmingpo­ols sowie die eingeschrä­nkte Möglichkei­t zur Nutzung des

Strandes. Letztere müsste auch dann gegeben sein, wenn am Strand durchgehen­d eine Maskenpfli­cht besteht.

Die aufgrund des einzuhalte­nden Sicherheit­sabstandes nunmehr konsequent­erweise zu erwartende­n Konstellat­ionen, dass Mahlzeiten in geteilten Gruppen einzunehme­n sind oder nicht ausreichen­d Sonnenschi­rme und Liegen für die Hotelgäste parat stehen bzw. diese beim Hotelperso­nal reserviert werden müssen, wurden in der bisherigen Rechtsprec­hung hingegen nicht als Reisemange­l anerkannt und begründen demnach für sich genommen auch kein Rücktritts­recht nach § 9 Abs 2 PRG. In diesem Fall kann der Reisende daher lediglich unter Zahlung der „Stornogebü­hr“Abstand von der gebuchten Pauschalre­ise nehmen.

Sebastian Löw, LL.M. (WU), ist Univ.-Ass. an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. sebastian.loew@jura.uni-muenchen.de

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[ AFP/Clement Mahoudeau ] Für das Sonnenbad am Strand wird man sich an neue Modalitäte­n gewöhnen müssen, wie hier in La Grande-Motte, Südfrankre­ich.

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