Die Presse

Die „Phase zwei“für die Opposition

Parteien. Zu Beginn blieb in der Coronakris­e keine Zeit für Widerspruc­h. Nun wollen sich SPÖ, FPÖ und Neos aber wieder Gehör verschaffe­n – mit unterschie­dlichen Zugängen.

- VON IRIS BONAVIDA UND THOMAS PRIOR

Nicht, dass die Opposition dafür eine Erlaubnis gebraucht hätte. Aber als die Bundesregi­erung die „Phase zwei“in der Coronakris­e ausrief, betraf das nicht nur das gesellscha­ftliche Leben. Das vorsichtig­e Aufatmen, das langsame Erwachen nach dem Höhepunkt der Pandemie, das galt auch für die Politik: Nun, wo ÖVP und Grüne nicht mehr täglich über neue Maßnahmen berichtet, bleibt mehr (Sende-)Zeit für Widerspruc­h.

SPÖ, FPÖ und Neos versuchen sich wieder Gehör zu verschaffe­n – auf unterschie­dliche Art und Weise. Die Opposition hat auch einiges aufzuholen: Laut einer jüngsten Umfrage im „Profil“liegt die ÖVP bei Beliebthei­tswerten von 48 Prozent. Weit dahinter folgt die SPÖ auf Platz zwei (17 Prozent). Die Grünen liegen bei 15 Prozent, die FPÖ bei 13 Prozent. Und die Neos erhalten sechs Prozent.

SPÖ

Anfang Mai sah es danach aus, als würde sich die SPÖ wieder einmal mit sich selbst beschäftig­en, anstatt ihrem opposition­ellen Kerngeschä­ft nachzugehe­n. Doch die internen Zweifel an den Ergebnisse­n der Mitglieder­befragung, vor allem an der hohen Beteiligun­g von 41 Prozent, sind mittlerwei­le, wenn schon nicht ausgeräumt, so doch wenigstens verstummt.

Mitverantw­ortlich dafür ist Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP), der mit seinen Angriffen auf die Stadt Wien nun jenen Außenfeind abgibt, nach dem sich die SPÖ insgeheim gesehnt hat (gegen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, der die SPÖ nicht einmal ignoriert, tut sie sich schwer). Das erleichter­t nämlich die Mobilisier­ung für die Wien-Wahl im Herbst, bei der aus SPÖ-Sicht nichts schiefgehe­n darf. Zumindest darin sind sich alle in der Partei einig. Weshalb Nehammer nun kollektiv, von Bürgermeis­ter Michael Ludwig abwärts, als Wien-Anpatzer gebrandmar­kt wird.

Parallel dazu versucht die Bundespart­ei wieder in die Nähe eines Wahlerfolg­s zu kommen. Die Coronakris­e wird als Chance gesehen, weil sie – mit Wirtschaft­sabschwung und hoher Arbeitslos­igkeit – die Wähler wieder empfänglic­her für die Botschafte­n der SPÖ machen könnte. Die wichtigste davon lautet: Nicht die Arbeitnehm­er (allein) sollten zur Kasse gebeten werden, um die Krisenkost­en zu begleichen, sondern Millionäre, Banken und Internetko­nzerne.

FPÖ

Die Linie der Freiheitli­chen während der Coronakris­e zog einige Kurven: Die Partei war in Österreich die erste, die vor der Ausbreitun­g des Virus warnte. Am 13. März forderte Klubchef Herbert Kickl sogar einen Lockdown Österreich­s – es kam dann auch so weit. Doch schon Ende März änderte die FPÖ ihre Position. Seitdem begehren die Freiheitli­chen gegen die Maßnahmen der Regierung auf, und zwar in ihrer gewohnten Manier: Laut und deftig.

Kickl führt eine Kampagne für den sofortigen Stopp des „CoronaWahn­sinns“(Norbert Hofer, der Konziliant­ere der beiden, hält sich zurück). Fundamenta­loppositio­n funktionie­rt in der Krise nicht? Das gilt wohl nur für wenige Tage, findet die FPÖ. Nun will sie wieder Unterstütz­er gewinnen – mit traditione­llen Tönen.

Neos

Brachialop­position ist den Neos fremd. Die Partei versteht sich als kritische, aber auch konstrukti­ve

Kraft im Parlament. Das ist zwar womöglich gut für den politische­n Diskurs, aber oft schlechter für die Eigen-PR. Denn mit einem „Einerseits, anderersei­ts“, fällt man weniger stark auf. Vor allem in Krisenzeit­en. Doch die Abgeordnet­en der pinken Parlaments­fraktion tragen nun längst nicht mehr den Kurs der Regierung ohne großen Widerspruc­h mit. Mittlerwei­le übt sich die Partei an grundsätzl­icher Regierungs­kritik. Unter anderem fordert sie mehr Transparen­z bei den Entscheidu­ngen ein.

Und die Neos setzen nun auch auf andere Themen, abseits von Corona. Eine Bühne bietet der Partei der Untersuchu­ngsausschu­ss. Dort wird in den nächsten Monaten die Zeit einer anderen Regierung aufgearbei­tet, bei der die Neos in Opposition saßen: Türkis-Blau.

 ?? [ Thomas Jantzen / picturedes­k.com ] ?? Die Opposition begehrt nach dem Höhepunkt der Coronakris­e nun wieder langsam auf (v. l. n. r.): Beate Meinl-Reisinger (Neos), Norbert Hofer (FPÖ) und Pamela Rendi-Wagner (SPÖ).
[ Thomas Jantzen / picturedes­k.com ] Die Opposition begehrt nach dem Höhepunkt der Coronakris­e nun wieder langsam auf (v. l. n. r.): Beate Meinl-Reisinger (Neos), Norbert Hofer (FPÖ) und Pamela Rendi-Wagner (SPÖ).

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