Ein Anwalt des Dialogs ist verstummt
Nachruf. Der Grazer Altbischof Johann Weber ist in der Nacht auf Samstag in Graz 93-jährig verstorben. Er hat die katholische Kirche des Landes in ihrer schwierigsten Phase der Zweiten Republik geführt.
Graz/Wien. „Der Dialog ist nicht umzubringen. Er entspricht dem innersten Wesen der Kirche.“Diese Sätze aus einem „Presse“-Interview sind typisch für Bischof Johann Weber. Der gebürtige Grazer ist Samstagnacht wenige Wochen nach seinem 93. Geburtstag verstorben.
Weber war mehr als 30 Jahre Grazer Bischof, hat den Schwung des Zweiten Vatikanischen Konzils erlebt und war um dessen Umsetzung als für die Steiermark letztverantwortlicher Hirte ab 1969 (damals überraschend von Papst Paul VI. ernannt) intensiv bemüht. Er war nicht der wortgewaltigste Bischof seiner Ära, aber einer der prägendsten Männer der Kirche Österreichs.
Ratzingers Gegenwind
Obwohl er mit „Kirchenpolitik“möglichst wenig und mit vatikanischen Ränkespielen gar nichts zu tun haben wollte, kam vor 25 Jahren seine wohl größte Herausforderung. Nach dem durch öffentlichen Druck erzwungenen Rückzug Kardinal Hans Hermann Groers,¨ der sich mit Vorwürfen des Missbrauchs von Zöglingen konfrontiert sah, stand er von 1995 bis 1998 als Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz an der Spitze der katholischen Kirche des Landes – der eher zurückhaltende, bescheidene Johann Weber im grellen Scheinwerferlicht.
Ihm gelang es, die massive Unzufriedenheit unter Katholiken über den Umgang mit der Causa Groer¨ (Schweigen, keine Untersuchung) und die immer drängender werdenden Rufe nach innerkirchlichen Reformen zu kanalisieren. Weber blieb mit seinem Vorschlag, ein Weisenrat möge die Vorwürfe gegen Groer¨ untersuchen, unter Österreichs Bischöfen in der Minderheit, und der Vatikan erteilte erst recht kein grünes Licht.
Nach außen unverdrossen, erfand er zur Befriedung der Situation den „Dialog für Österreich“und auch als Abschluss den Salzburger Delegiertentag, den er – obwohl zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Vorsitzender der Bischofskonferenz – in Vertretung des plötzlich erkrankten Christoph Schönborn trotz heftigen römischen Gegenwinds und einer Mahnung des damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, mit Bravour leitete.
Die Ergebnisse haben manche entsetzt, wirklich überraschend dürften sie für Bischof Weber nicht gewesen sein, der sich stets mit der Basis, den Menschen vor Ort, verbunden fühlte: Zwei Drittel der von den Bischöfen persönlich ausgesuchten Delegierten als Vertreter der Kirche sprachen sich da beispielsweise für die Kommunion an Geschiedene und für Diakoninnen aus.
Diakon-Weihe für Frauen?
Ersteres sollte fast zwei Jahrzehnte später Papst Franziskus in Sonderfällen erlauben. Die von Bischof Weber selbst offen befürwortete Diakonatsweihe für Frauen befindet sich noch immer in der Warteschleife und wird derzeit wieder in Rom geprüft.
Johann Weber ist tot. Sein Vermächtnis, immer den Dialog mit allen zu suchen, auf die Menschen mit deren Anliegen zuzugehen, nicht von oben herab, lebt in der Kirche der Steiermark weiter – und in ganz Österreich.
Er war ein prägender Bischof und vor allem wohl eines – der Idealtyp eines Seelsorgers.