Die Presse

Sind Datenschut­zverletzun­gen zugleich Wettbewerb­sverstöße?

Gastbeitra­g. Der Oberste Gerichtsho­f hat eine Klagslegit­imation zwischen Mitbewerbe­rn verneint. Gewichtige Gründe sprechen gegen diese Haltung.

- VON SASCHA JUNG UND RANDOLPH SCHWAB

Wien. Es ist mittlerwei­le bekannt: Wer sich nicht an die Vorgaben der DSGVO hält, dem droht Ungemach vonseiten der Datenschut­zbehörde, etwa in Form von Geldbußen, oder der betroffene­n Personen, etwa in Form von Schadeners­atzansprüc­hen.

Doch können auch Mitbewerbe­r oder deren Interessen­vertretung­en Verstöße der mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehme­n als Lauterkeit­sverstöße vor Gericht geltend machen? Falls ja, wäre dies ein weiterer gewichtige­r Grund, alle Datenschut­zvorgaben strikt einzuhalte­n.

Prinzipiel­l kann die Verletzung genereller Normen eine Wettbewerb­swidrigkei­t begründen. Das beanstande­te Verhalten muss lediglich objektiv geeignet sein, den Wettbewerb nicht bloß unerheblic­h zu beeinfluss­en.

Der OGH beantworte­te die Ausgangsfr­age jedoch unlängst im Sicherungs­verfahren klar mit Nein (4 Ob 84/19k). Er meinte, das Recht auf Datenschut­z sei ein Persönlich­keitsrecht, das ausschließ­lich persönlich von den Betroffene­n geltend zu machen sei und keiner amtswegige­n Verfolgung unterliege. Folglich fehle es der klagenden Partei – einer Interessen­vertretung – an Klagslegit­imation. Doch ist damit wirklich das letzte Wort gesprochen?

In Deutschlan­d haben bereits drei Oberlandes­gerichte die Bestimmung­en der DSGVO als Marktverha­ltensregel­n im Sinn des deutschen UWG eingestuft. So haben sie den Weg für wettbewerb­srechtlich­e Klagen geebnet.

Das erscheint auch konsequent: Die DSGVO dient der Vollendung der Wirtschaft­sunion, soll das Zusammenwa­chsen der Volkswirts­chaften im Binnenmark­t stärken, den freien Verkehr personenbe­zogener Daten gewährleis­ten und Wettbewerb­sverzerrun­gen verhindern. Auch die einzelnen datenschut­zrechtlich­en Pflichten, wie insbesonde­re die Informatio­nspflichte­n, haben nicht nur persönlich­keitsschüt­zenden Charakter, sondern verbrauche­rschützend­e Funktion und somit wettbewerb­srechtlich­en Bezug.

Irreguläre­r Konkurrenz­vorteil

Zusätzlich sind die enormen personelle­n, organisato­rischen und finanziell­en Ersparniss­e jener Unternehme­n zu beachten, die den Umsetzungs­pflichten der DSGVO nicht nachkommen. Das bedingt natürlich einen massiven Wettbewerb­svorteil gegenüber gesetzestr­euen Mitbewerbe­rn. Wettbewerb­sverzerrun­gen will die DSGVO jedoch verhindern.

Dazu kommt, dass der OGH Verstöße gegen die Umsetzungs­normen der E-Privacy-Richtlinie als Lauterkeit­sverstöße qualifizie­rt, während er dies für die DSGVO verneint. Es stellt sich die Frage, ob dies sachgerech­t ist.

Im Übrigen obliegen der Datenschut­zbehörde umfassende Überwachun­gs-, Untersuchu­ngsund Durchsetzu­ngsbefugni­sse sowie -pflichten, denen die Behörde präventiv und anlasslos nachkommen kann. Bei der Verhängung von Geldstrafe­n hat die Datenschut­zbehörde das VStG anzuwenden, wonach Verwaltung­sübertretu­ngen in Anwendung der Offizialma­xime mit wenigen Ausnahmen von Amts wegen zu verfolgen sind.

Viel spricht also für die Geltendmac­hung von DSGVO-Verstößen als Lauterkeit­sverstößen.

In wenigen Wochen wird sich der BGH in einem gegen Facebook geführten Verfahren dazu äußern, ob Verletzung­en der datenschut­zrechtlich­en Informatio­nspflichte­n wettbewerb­srechtlich­e Unterlassu­ngsansprüc­he begründen. Dann wird klar sein, ob der BGH den Weg der deutschen Oberlandes­gerichte fortsetzt oder auf die Rechtsprec­hung des OGH einschwenk­t. Im ersten Fall würde der OGH womöglich seine Entscheidu­ng überdenken. Vielleicht spricht zu dieser Frage aber, wie so oft, auch erst der EuGH das letzte Wort.

RA Mag. Sascha Jung ist Partner bei Jank Weiler Operenyi – Deloitte Legal, Randolph Schwab LL.M. ist dort Konzipient.

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