Sind Datenschutzverletzungen zugleich Wettbewerbsverstöße?
Gastbeitrag. Der Oberste Gerichtshof hat eine Klagslegitimation zwischen Mitbewerbern verneint. Gewichtige Gründe sprechen gegen diese Haltung.
Wien. Es ist mittlerweile bekannt: Wer sich nicht an die Vorgaben der DSGVO hält, dem droht Ungemach vonseiten der Datenschutzbehörde, etwa in Form von Geldbußen, oder der betroffenen Personen, etwa in Form von Schadenersatzansprüchen.
Doch können auch Mitbewerber oder deren Interessenvertretungen Verstöße der mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen als Lauterkeitsverstöße vor Gericht geltend machen? Falls ja, wäre dies ein weiterer gewichtiger Grund, alle Datenschutzvorgaben strikt einzuhalten.
Prinzipiell kann die Verletzung genereller Normen eine Wettbewerbswidrigkeit begründen. Das beanstandete Verhalten muss lediglich objektiv geeignet sein, den Wettbewerb nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.
Der OGH beantwortete die Ausgangsfrage jedoch unlängst im Sicherungsverfahren klar mit Nein (4 Ob 84/19k). Er meinte, das Recht auf Datenschutz sei ein Persönlichkeitsrecht, das ausschließlich persönlich von den Betroffenen geltend zu machen sei und keiner amtswegigen Verfolgung unterliege. Folglich fehle es der klagenden Partei – einer Interessenvertretung – an Klagslegitimation. Doch ist damit wirklich das letzte Wort gesprochen?
In Deutschland haben bereits drei Oberlandesgerichte die Bestimmungen der DSGVO als Marktverhaltensregeln im Sinn des deutschen UWG eingestuft. So haben sie den Weg für wettbewerbsrechtliche Klagen geebnet.
Das erscheint auch konsequent: Die DSGVO dient der Vollendung der Wirtschaftsunion, soll das Zusammenwachsen der Volkswirtschaften im Binnenmarkt stärken, den freien Verkehr personenbezogener Daten gewährleisten und Wettbewerbsverzerrungen verhindern. Auch die einzelnen datenschutzrechtlichen Pflichten, wie insbesondere die Informationspflichten, haben nicht nur persönlichkeitsschützenden Charakter, sondern verbraucherschützende Funktion und somit wettbewerbsrechtlichen Bezug.
Irregulärer Konkurrenzvorteil
Zusätzlich sind die enormen personellen, organisatorischen und finanziellen Ersparnisse jener Unternehmen zu beachten, die den Umsetzungspflichten der DSGVO nicht nachkommen. Das bedingt natürlich einen massiven Wettbewerbsvorteil gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern. Wettbewerbsverzerrungen will die DSGVO jedoch verhindern.
Dazu kommt, dass der OGH Verstöße gegen die Umsetzungsnormen der E-Privacy-Richtlinie als Lauterkeitsverstöße qualifiziert, während er dies für die DSGVO verneint. Es stellt sich die Frage, ob dies sachgerecht ist.
Im Übrigen obliegen der Datenschutzbehörde umfassende Überwachungs-, Untersuchungsund Durchsetzungsbefugnisse sowie -pflichten, denen die Behörde präventiv und anlasslos nachkommen kann. Bei der Verhängung von Geldstrafen hat die Datenschutzbehörde das VStG anzuwenden, wonach Verwaltungsübertretungen in Anwendung der Offizialmaxime mit wenigen Ausnahmen von Amts wegen zu verfolgen sind.
Viel spricht also für die Geltendmachung von DSGVO-Verstößen als Lauterkeitsverstößen.
In wenigen Wochen wird sich der BGH in einem gegen Facebook geführten Verfahren dazu äußern, ob Verletzungen der datenschutzrechtlichen Informationspflichten wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche begründen. Dann wird klar sein, ob der BGH den Weg der deutschen Oberlandesgerichte fortsetzt oder auf die Rechtsprechung des OGH einschwenkt. Im ersten Fall würde der OGH womöglich seine Entscheidung überdenken. Vielleicht spricht zu dieser Frage aber, wie so oft, auch erst der EuGH das letzte Wort.
RA Mag. Sascha Jung ist Partner bei Jank Weiler Operenyi – Deloitte Legal, Randolph Schwab LL.M. ist dort Konzipient.