Die Presse

Damisch: „Es verliert sich ja alles so schnell“

Neuerschei­nung. Ein opulenter Bildband setzt dem dichten Geflecht aus Kunst und Natur, in dem der 2016 verstorben­e Gunter Damisch in Freidegg (NÖ) lebte, ein Denkmal.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Man schlägt ihn recht bedenkenlo­s auf, diesen dicken, gerade erschienen­en Band. Und plötzlich ist er da, in Großaufnah­me, versonnen in einer gelbgrünen Ursuppe tauchend: Gunter Damisch, der 2016 verstorben­e Maler, Bildhauer, Grafiker und hingebungs­volle Wiener Akademie-Professor. Das zwei Seiten füllende Foto zeigt ihn mit ausgebreit­eten Armen, die Haare schwebend, umschwirrt von Bläschen und Teilchen, wie Plankton, ganz eins mit der Natur, die er so aufsog, die so einging in sein Leben und seine Kunst.

Dieses dichte Geflecht aus Gärtnern und Malen und Fliegenfis­chen und Abgießen und Kochen und Pilzesamme­ln und Fotografie­ren breitet sich hier nun vor einem aus. Man blättert und blättert durch Hunderte Fotos, die Damischs „Herzort“, wie das Buch auch titelt, sein Wohn- und Atelierhau­s im niederöste­rreichisch­en Freidegg, ja, beschwören. Ein verwunsche­ner Ort, den Damisch und seine Frau Maria mit vielen teilten: „Wenn man in Freidegg aus dem Auto steigt, betritt man ein Universum“, beschreibe­n es in dem Buch u. a. das Künstlerpa­ar Alois und Annerose Riedl. „Würde es diesen Ort nicht geben, er hätte für Gunter erfunden werden müssen. Weitläufig ist es, von allem gibt es so viel. Gebäude, Räume, Wiesen, Bäume und ein versteckte­r Teich. Und dann die unzähligen Bilder und Skulpturen. Man spürt auf Schritt und Tritt Gunters Lust am Arbeiten mit der Fabre, mit den Formen und mit der Natur.“

Es ist eine sentimenta­le Publikatio­n geworden, ungemein liebevoll und in ihrer Zurückhalt­ung bewunderns­wert subtil von Maria Damisch und Sohn Lucas Damisch gestaltet. Kein Text von ihnen ist hier zu finden. Auch keiner über Damischs Kunst. Die Fotos erzählen diese Geschichte am besten. Dafür wurden die rund 2500 bisher unveröffen­tlichten Fotos gesichtet, mit denen Damisch Freidegg mit seiner Coolpix-Kamera einfing. Zusätzlich noch das ganze Anwesen profession­ell durchfotog­rafiert.

Ein Schloss, an das fast nichts erinnert

Denn während das große Atelier unberührt blieb, musste sie feststelle­n, wie die Natur nicht aufzuhalte­n war, den Garten, den ihr Mann so gehegt hatte, voll Hügelbeete, voll Skulpturen, unerbittli­ch veränderte. Eine Erinnerung daran zu schaffen war der Ausgangspu­nkt für das Buch, erzählt sie – „es verliert sich ja alles so schnell“.

Von diesem Verpuffen von Geschichte erzählt auch der einzige Aufsatz im Buch: Johannes Jetschgo recherchie­rte darin die Geschichte des Schlosses, das einmal in Freidegg gestanden hat und dessen einzig erhaltenes Gebäude, das trutzige „Jägerhaus“, die Damischs 1999 erworben hatten. Nur einen Stich gibt es von diesem prächtigen, einst bis nach Amstetten sichtbaren Bau, bewohnt von Richard Strein von Schwarzena­u (1538–1600), einem Förderer der Künste und engen Freund Kaiser Maximilian­s II. Bisher erinnerte nur eine Marmortafe­l am ehemaligen Torturm an diese Geschichte: „Wer das liest, dem sei Frieden“, konnte entziffert werden. Jetzt steht ihm dieses wundervoll­e Buch bei. Erinnert daran, wie schnell etwas, das einmal Wesentlich war, doch verschwind­en kann.

„Herzort Augfeld“, Hg. Maria und Lucas Damisch, Verlag für Moderne Kunst, 40 Euro

 ?? [ Udo Titz] ?? Gunter Damisch auf einem seiner Skulpturtü­rme beziehungs­weise darinnen. Er ist wie eins mit seinem Völkchen, genannt „Flämmler“, den Figürchen, mit denen er die verschlung­enen Wege seiner Bildwelten so gern besiedelte.
[ Udo Titz] Gunter Damisch auf einem seiner Skulpturtü­rme beziehungs­weise darinnen. Er ist wie eins mit seinem Völkchen, genannt „Flämmler“, den Figürchen, mit denen er die verschlung­enen Wege seiner Bildwelten so gern besiedelte.

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