Die Ukraine in der Krise und ihre Perspektiven
Gastbeitrag. Die Coronakrise verstärkt auch die politische Krise in der Ukraine. Es ist zu hoffen, dass der Reformkurs trotzdem fortgesetzt wird.
Die Ukraine, das größte Land Europas mit nahezu 40 Millionen Einwohnern, wurde von Covid-19 nicht verschont. Trotz vergleichsweise wenig offizieller Infektionen (bei einer hohen Dunkelziffer) wurde Mitte März eine strikte Quarantäne angeordnet, die sogar die Einstellung des gesamten öffentlichen Verkehrs umfasste und damit große Teile der Wirtschaft lahmlegte. Vor allem im Lichte dieser Isolationsmaßnahmen hält man Mitte Mai bei lediglich etwa 19.800 Infektionen und 580 Toten. Auf Druck der Wirtschaft werden diese nun schrittweise aufgehoben.
Die vergangenen beiden Monate waren von einem Kampf um medizinische Schutzausrüstungen und verlässliche Tests geprägt: Die Kliniken sind in einem deplorablen Zustand, Eigeninteressen verzögerten wochenlang lebenswichtige Beschaffungen. 20 Prozent der Infizierten sind (daher) medizinisches Personal. Der wirtschaftliche Schaden der Quarantäne ist enorm: Während vor der Coronakrise für 2020 noch von einem BIPWachstum von mehr als drei Prozent ausgegangen wurde, unterstellt das revidierte Budget ein Minus von 4,8 Prozent bei einem Budgetdefizit von 7,5 Prozent. Der IWF erwartet aktuell sogar einen BIP-Rückgang um 7,5 Prozent und einige Analysten befürchten noch Schlimmeres.
Die offizielle Arbeitslosigkeit von grob 500.000 ist irreführend: Viele sind nicht gemeldet. Es gibt bis zu 50 Prozent Schattenwirtschaft; das Arbeitslosengeld ist unzulänglich und schwer zugänglich; es gibt eine extrem hohe Zahl an Scheinselbstständigen infolge von Steuervorteilen. Realistisch ist daher, dass es derzeit wohl eher 2,5 Millionen Arbeitslose gibt, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 15 Prozent. Vielfach fehlen ausreichende Ersparnisse.
Viele der 650.000 Klein- und Mittelbetriebe mit vier Millionen
Mitarbeitern werden die Krise nicht überleben, insbesondere in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft mit mehr als einer Million Beschäftigter. Auch Großunternehmen wie Ukraine International Airlines und andere, die sehr oft im Besitz von Oligarchen sind, droht Illiquidität. Vor dem Hintergrund der unverändert vorherrschenden Seilschaften können letztere eher mit staatlicher Unterstützung rechnen; der Mittelstand droht übersehen zu werden.
Staatliche Stützung
Angesichts der in den vergangenen Jahren erreichten makroökonomischen Stabilität besteht Spielraum für staatliche Stützungsmaßnahmen. So wurde im März ein Unterstützungspaket für Unternehmen (Aussetzung und Stundungen von Zahlungen etc.), Moratorien betreffend Schuldendienst bei Krediten, zinsgünstige und staatlich (teil-)garantierte Überbrückungskredite, Pensionserhöhungen, Verbesserungen beim Arbeits