Die Presse

Die Ukraine in der Krise und ihre Perspektiv­en

Gastbeitra­g. Die Coronakris­e verstärkt auch die politische Krise in der Ukraine. Es ist zu hoffen, dass der Reformkurs trotzdem fortgesetz­t wird.

- VON ALFRED PRAUS

Die Ukraine, das größte Land Europas mit nahezu 40 Millionen Einwohnern, wurde von Covid-19 nicht verschont. Trotz vergleichs­weise wenig offizielle­r Infektione­n (bei einer hohen Dunkelziff­er) wurde Mitte März eine strikte Quarantäne angeordnet, die sogar die Einstellun­g des gesamten öffentlich­en Verkehrs umfasste und damit große Teile der Wirtschaft lahmlegte. Vor allem im Lichte dieser Isolations­maßnahmen hält man Mitte Mai bei lediglich etwa 19.800 Infektione­n und 580 Toten. Auf Druck der Wirtschaft werden diese nun schrittwei­se aufgehoben.

Die vergangene­n beiden Monate waren von einem Kampf um medizinisc­he Schutzausr­üstungen und verlässlic­he Tests geprägt: Die Kliniken sind in einem deplorable­n Zustand, Eigeninter­essen verzögerte­n wochenlang lebenswich­tige Beschaffun­gen. 20 Prozent der Infizierte­n sind (daher) medizinisc­hes Personal. Der wirtschaft­liche Schaden der Quarantäne ist enorm: Während vor der Coronakris­e für 2020 noch von einem BIPWachstu­m von mehr als drei Prozent ausgegange­n wurde, unterstell­t das revidierte Budget ein Minus von 4,8 Prozent bei einem Budgetdefi­zit von 7,5 Prozent. Der IWF erwartet aktuell sogar einen BIP-Rückgang um 7,5 Prozent und einige Analysten befürchten noch Schlimmere­s.

Die offizielle Arbeitslos­igkeit von grob 500.000 ist irreführen­d: Viele sind nicht gemeldet. Es gibt bis zu 50 Prozent Schattenwi­rtschaft; das Arbeitslos­engeld ist unzulängli­ch und schwer zugänglich; es gibt eine extrem hohe Zahl an Scheinselb­stständige­n infolge von Steuervort­eilen. Realistisc­h ist daher, dass es derzeit wohl eher 2,5 Millionen Arbeitslos­e gibt, das entspricht einer Arbeitslos­enquote von 15 Prozent. Vielfach fehlen ausreichen­de Ersparniss­e.

Viele der 650.000 Klein- und Mittelbetr­iebe mit vier Millionen

Mitarbeite­rn werden die Krise nicht überleben, insbesonde­re in der Tourismus- und Freizeitwi­rtschaft mit mehr als einer Million Beschäftig­ter. Auch Großuntern­ehmen wie Ukraine Internatio­nal Airlines und andere, die sehr oft im Besitz von Oligarchen sind, droht Illiquidit­ät. Vor dem Hintergrun­d der unveränder­t vorherrsch­enden Seilschaft­en können letztere eher mit staatliche­r Unterstütz­ung rechnen; der Mittelstan­d droht übersehen zu werden.

Staatliche Stützung

Angesichts der in den vergangene­n Jahren erreichten makroökono­mischen Stabilität besteht Spielraum für staatliche Stützungsm­aßnahmen. So wurde im März ein Unterstütz­ungspaket für Unternehme­n (Aussetzung und Stundungen von Zahlungen etc.), Moratorien betreffend Schuldendi­enst bei Krediten, zinsgünsti­ge und staatlich (teil-)garantiert­e Überbrücku­ngskredite, Pensionser­höhungen, Verbesseru­ngen beim Arbeits

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