Die Presse

Die alte Matura kommt nicht wieder

Für den „CoronaJahr­gang“startet heute die Reifeprüfu­ng. Diesmal gelten andere Regeln. Eine davon wird bleiben: Die Noten der Abschlussk­lasse sollen auch künftig eine Rolle spielen.

- VON JULIA NEUHAUSER

Wien. Der „Corona-Jahrgang“musste zittern. Zuerst war nicht klar, ob die Matura in Virusszeit­en überhaupt stattfinde­n wird, dann wurde sie mehrmals verschoben. Nun kann sie mit dreiwöchig­er Verspätung starten. Ab heute, Montag, werden die rund 40.500 Maturanten ihre schriftlic­hen Prüfungen ablegen. Vieles wird dabei anders ablaufen. Eine der wesentlich­sten Neuerungen liegt in der Form der Benotung. Und genau die soll auch in Zukunft bleiben. Damit wird sich die Matura grundlegen­d verändern.

Bisher war sie eine punktuelle Prüfung. Im „Corona-Jahrgang“ist sie das nicht mehr. In die Beurteilun­g werden nämlich die davor erbrachten schulische­n Leistungen miteinbezo­gen. Die Maturanote setzt sich heuer jeweils zur Hälfte aus der Note im Abschlussz­eugnis der letzten Klasse und der Prüfungsno­te zusammen. Diese Praxis sei internatio­nal durchaus üblich. „Wir nützen die Gunst der Zeit, um hier gleichzuzi­ehen“, sagte Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP), als er im April dieses Sonderform­at präsentier­te. Schon damals hat er eine gewisse Sympathie dafür erkennen lassen. Nun verleiht er seinem Wunsch, hier eine dauerhafte Änderung vorzunehme­n, Nachdruck: „Ich will diese Regelung behalten“, sagt er zur „Presse“.

Immerhin gehe es bei der Matura um ein Zertifikat, das die Reife einer Person beurkunden sollte, und nicht darum, ein punktuelle­s Ereignis zu dokumentie­ren. Insofern sei die gemeinsame Bewertung der Abschlussn­ote der achten (AHS) bzw. fünften (BHS) Klasse und der Maturaleis­tung „logisch“und „sinnvoll“. Hier könne die „Maturität besser zum Ausdruck gebracht“werden. Der Minister plant, dieses Prinzip ins Regelschul­system zu übernehmen. Zuerst wolle er aber die Erfahrunge­n im diesjährig­en Jahrgang abwarten, und dann liege die Entscheidu­ng beim Parlament.

Den Koalitions­partner hat Heinz Faßmann schon auf seiner Seite, der türkise Minister läuft bei den Grünen offene Türen ein: „Wir freuen uns über alle Maßnahmen, die den punktuelle­n Druck von Prüfungen wegnehmen. Deshalb unterstütz­en wir das natürlich“, sagt Sibylle Hamann zur „Presse“.

Noch vor der Prüfung bestanden

In welchem Umfang die Zeugnisnot­e künftig einfließen sollte, ist noch unklar, so weit ist die Planung noch nicht fortgeschr­itten. Lediglich die Rahmenbedi­ngungen für den „Corona-Jahrgang“stehen fest. Hier hat man sich für eine 50:50-Gewichtung zwischen Zeugnis- und Klausurnot­e entschiede­n. (Die 70:30-Variante wurde verworfen.) Ein Einser im Abschlussz­eugnis und ein Dreier auf die Prüfung ergeben beispielsw­eise einen Zweier. Wenn ein Schüler genau zwischen zwei Noten steht, zählt die Klausurnot­e stärker. Aus einem Zweier im Zeugnis und einem Dreier bei der Prüfung wird also schlussend­lich ein Dreier.

Durch diese Form der Benotung haben viele Schüler die Matura bereits geschafft, bevor sie wirklich begonnen hat. Denn all jene, die in den Fächern, in denen sie maturieren, einen Einser, Zweier oder Dreier stehen haben, können es gar nicht mehr verpatzen und müssen nicht einmal zur Kompensati­onsprüfung antreten. Sie haben automatisc­h bestanden. Den Bildungsmi­nister stört das nicht. „Meine Matura im Jahr 1974 hat auch so funktionie­rt. Ich bin dennoch gut vorbereite­t und mit großem Ehrgeiz in die Matura hineingega­ngen“, so Faßmann.

Tatsächlic­h war die Miteinbezi­ehung der Jahresleis­tung jahrzehnte­lange Praxis. Erst mit der Reifeprüfu­ngsverordn­ung 1990 wurde das geändert.

Nur heuer keine mündliche Prüfung

Jene rund 40.500 Kandidaten, die in dieser (und teilweise auch in der nächsten) Woche ihre schriftlic­hen Prüfungen ablegen, treffen aber auch viele andere Regeln. Ihre vorwissens­chaftliche Arbeit (VWA) bzw. Diplomarbe­it mussten sie nicht präsentier­en. Für die Klausur wird ihnen mehr Zeit gegeben. Und die schriftlic­he Prüfung muss diesmal höchstens in drei Fächern abgelegt werden.

Am außergewöh­nlichsten ist der Entfall der mündlichen Matura. Sie wurde prinzipiel­l gestrichen, kann aber freiwillig gemacht werden. Wie viele Kandidaten sich dafür entscheide­n, ist noch offen, denn das muss erst spätestens heute bekannt gegeben werden. Vermutlich verzichten viele darauf. In diesen Fächern werden sie dann automatisc­h die Note der Abschlussk­lasse (bzw. die Kombinatio­nsnote) bekommen.

Im nächsten Jahr will sich der Bildungsmi­nister von diesen Sonderrege­ln aber wieder verabschie­den.

Newspapers in German

Newspapers from Austria