Die frugale SPÖ
Kaum bot sich die Gelegenheit, die EU zu einer „Sozialunion“zu machen, verweigerte die SPÖ ihre Zustimmung.
Seit Jahr und Tag fordert die SPÖ, dass sich die EU zu einer „Sozialunion“entwickeln müsse. Als sich die Gelegenheit bot, den ersten Schritt in diese Richtung zu tun, verweigerte Österreichs Sozialdemokratie kurzerhand die Zustimmung: Den Genossen erschien der österreichische Finanzierungsanteil am EU-weiten Kurzarbeitsprogramm Sure zu hoch. Zur Finanzierung des 100 Milliarden Euro umfassenden Programms sind immerhin österreichische Bundeshaftungen in Form von Garantien bis zu einem Betrag von 720 Millionen Euro zuzüglich Zinsen und allfälliger Kosten gefragt. Das 18. Covid-19-Gesetz sieht dafür eine Ermächtigung des Finanzministers vor. Die SPÖ stimmte im Nationalrat dagegen, blockierte den Beschluss im Bundesrat mithilfe der FPÖ, und selbst als der Beharrungsbeschluss im Nationalrat anstand, blieb man stramm auf Parteilinie: kein Geld für das neue EU-Instrument zur Abminderung der Arbeitslosigkeitsrisken infolge der Coronakrise – das natürlich auch Österreich in Anspruch nehmen könnte.
Wo käme man auch hin, wenn man plötzlich für die in jeder Sonntagsrede geforderte internationale Solidarität auch noch Geld bezahlen müsste. Gutes österreichisches Steuergeld für die bekanntlich dauerhaft auf der faulen Haut liegenden Südländer. Auf diesem sprachlichen Niveau verlief auch die dazugehörige Bundesratsdebatte.
Vergessen war Abschnitt III.11 des SPÖ-Grundsatzprogramms, wo sich unter der Zwischenüberschrift „Beschäftigungs- und Sozialunion“die klare Ansage findet: „Arbeitslosigkeit wird von uns niemals akzeptiert werden. Sie muss auf nationaler Ebene, aber auch durch verstärkte Anstrengungen auf europäischer Ebene bekämpft werden.“Dass solch ein Kampf auch Geld kostet, darüber war man sich beim Abfassen des Programms offensichtlich nicht im
Klaren. Oder – wovon man eher ausgehen kann – man dachte nie wirklich daran, dass diese Forderung auch nur im Ansatz in die politische Umsetzung kommen würde. Hatte man doch bis Ende Jänner dieses Jahres quasi einen politischen Garanten gegen jede Art von Sozialunion in den Brüsseler Verhandlungen mit am Tisch: das Vereinigte Königreich.
Die bisher gebetsmühlenartig vorgebrachte Ausrede – man möchte ja, aber die Briten blockieren immer – zieht plötzlich nicht mehr. Früher als erwartet musste sich die SPÖ der Frage stellen: Wie hältst du es nun wirklich mit der Sozialunion? Die Antwort fiel eindeutig aus: Kosten darf sie uns nichts.
Gute alte Populistenmanier
In guter alter Populistenmanier raunte da etwa die SPÖ-Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner von „österreichischer Beteiligung an der Schuldenpolitik der Europäischen Union“und man wisse ja nicht wirklich, an welchen Maßnahmen man sich denn da genau beteilige. Dass der gesamte SureVerordnungstext seit Anfang April vorliegt, änderte nichts an der Ablehnung.
Die sonst üblichen EU-Befürworter in der Partei meldeten sich nicht zu Wort. Dass ein starkes Europa nur dann bestehen könne, wenn es soziale Gerechtigkeit in allen Ländern fördert, findet etwa die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner – zumindest immer dann, wenn es um nichts Konkretes geht. „Europa wird sozial sein, oder es wird nicht sein. Denn wer die Sozialunion infrage stellt, zieht das ganze europäische Modell in Zweifel“, verkündete sie noch vor drei Jahren kämpferisch. Jetzt, im Frühjahr 2020, als es um das ganz konkrete Projekt einer EUKurzarbeitsmaßnahme ging, schwieg sie. Genauso wie all die anderen Schönwetter-Europäer in der SPÖ. Traurig eigentlich.
(geboren 1967) ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.
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