Die Presse

Es wird einsam um Donald Trump

USA. Eingebunke­rt und verbarrika­diert im Weißen Haus: So fühlt sich der Präsident am Tiefpunkt. Es bleibt der innerste Kreis um Ivanka. Im Senat revoltiere­n die Kritiker aus den eigenen Reihen.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. Im Weißen Haus ist es einsam geworden um den Präsidente­n. Dutzende enge Mitarbeite­r hat Donald Trump bereits entlassen, und er hält inzwischen bei seinem vierten Stabschef und dem vierten Verteidigu­ngsministe­r. So groß war die Fluktuatio­n im Machtzentr­um der USA noch nie.

Mehr denn je vertraut der Präsident auf seinen inneren Zirkel: auf den loyalen Stabschef Mark Meadows, auf die zurückberu­fene Kommunikat­ionschefin Hope Hicks, die er wie ein Mitglied des Trump-Clans behandelt, und auf seine Tochter Ivanka sowie Schwiegers­ohn Jared Kushner.

Trump fehlen jetzt die Berater, die nicht nur Jasager sind; Leute, die es wagen, ihm unbequeme Wahrheiten ins Gesicht zu sagen. Er hört insbesonde­re auf zwei FoxNews-Moderatore­n: Tucker Carlson und Sean Hannity. In der Regierung mangelt es nicht nur an Frauen, sondern vor allem an hochrangig­en afroamerik­anischen Mitglieder­n: Von Wohnbaumin­ister Ben Carson, einem renommiert­en Neurochiru­rgen, ist nichts zu sehen und nichts zu hören.

Gespür für gesellscha­ftspolitis­che Themen lässt sich Ivanka Trump indessen nicht absprechen. Sie und ihr Mann waren gegen einen Armee-Einsatz, wie ihn der Präsident am Montag verkündet hat, ehe er ihn nach massivem Widerstand aus dem Pentagon zurücknahm. Trumps Lieblingst­ochter war freilich zumindest mitverantw­ortlich für die verunglück­te Bibelaktio­n, die ihn nach einer neuen Umfrage auch Zustimmung bei einer treuen Wählergrup­pe gekostet hat – den Evangelika­len.

Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper distanzier­te sich von Trump und behauptete, nichts von der umstritten­en Bibelgeste vor der St. Johns Episcopal Church gewusst zu haben, zu der er ihn begleitet hatte. Der Präsident hatte dort Meadows und Justizmini­ster William Barr um sich geschart. Die bibelfeste­n Evangelika­len seines Kabinetts fielen derweil durch Abwesenhei­t bei der PR-Show auf: Vizepräsid­ent Mike Pence und Außenminis­ter Mike Pompeo, der für jede Gelegenhei­t ein Bibelzitat parat hat.

Aus der gemeinsame­n Studienzei­t an der Militäraka­demie West Point verbindet Pompeo eine enge Beziehung zu Esper. Pompeo stand bis vor Kurzem indes ganz hoch im Kurs Trumps. Zuletzt wollte der Präsident seinen wichtigste­n Minister von einer Kandidatur als Senator in dessen Wahlheimat Kansas überzeugen – ebenso übrigens wie Senatsführ­er Mitch McConnell.

Angst vor Debakel im Senat

Die Republikan­er fürchten ein Debakel bei der Senatswahl im November. Sie haben 23 von 35 Senatssitz­en zu verteidige­n, und viele stehen auf dem Spiel – wie in Arizona und Montana, wo Ex-Astronaut Mark Kelly und ein Ex-Gouverneur gegen schwache republikan­ische Amtsinhabe­r antreten.

Darum ist die Unruhe hinter den Kulissen am Kapitol groß. Noch stehen viele „Parteisold­aten“wie McConnell oder sein Adjutant Kevin McCarthy zu Trump – es bleibt ihnen fünf Monate vor der Wahl wohl nichts anderes übrig.

Im Senat revoltiere­n die obligaten Trump-Kritiker in den republikan­ischen Reihen um Mitt Romney. Der Ex-Präsidents­chaftskand­idat und Senator aus dem Mormonen-Staat Utah, pflegt eine herzliche Abneigung gegen Trump. Im März stimmte er als einziger Republikan­er für ein Impeachmen­t.

Auch Lisa Murkowski hatte dies erwogen. Wie Romney und Ben Sasse äußerte die Senatorin aus Alaska ihren Unmut über Trumps Krisenmana­gement. Sie teilt die harsche Kritik des Ex-Generals und Ex-Petagonche­fs James Mattis, und sie ist im Dilemma, ob sie Trump am 3. November überhaupt wählen soll.

Zu Pfingsten sah sich der Präsident eingebunke­rt und verbarrika­diert im Weißen Haus, weshalb er einen Befreiungs­schlag versuchte. So rasch als möglich möchte er durch das Land touren und Großkundge­bungen abhalten, um seine Anhänger zu mobilisier­en und eine positive Dynamik für seinen Wahlkampf zu gewinnen. In Washington fühlt er sich eingekesse­lt – umso mehr, als am 28. August ein Marsch auf die Hauptstadt geplant ist, wie zur Ära Martin Luther Kings 1963.

Er fällt zusammen mit dem krönenden Abschluss des republikan­ischen Jubelparte­itags, den es aber erst zu organisier­en gilt. Denn Charlotte wollte nur einen abgespeckt­en Parteikonv­ent zulassen, was für Trump nicht infrage kam. Nun sucht er hektisch einen Ersatzort. Aufheiteru­ng verheißt vorerst nur der Arbeitsmar­kt, wo es nach einem Tiefpunkt nach oben geht.

 ?? [ AFP ] ?? Trauerkund­gebungen für George Floyd beherrsche­n das Bild in den USA. Den Anfang machte Minneapoli­s, wo Bürger dem Trauerkonv­oi ihre Reverenz erwiesen.
[ AFP ] Trauerkund­gebungen für George Floyd beherrsche­n das Bild in den USA. Den Anfang machte Minneapoli­s, wo Bürger dem Trauerkonv­oi ihre Reverenz erwiesen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria