Impfen bald auch in Apotheken?
Grippe. Um die Durchimpfungsrate zu erhöhen, sollen künftig auch Apotheker impfen dürfen. Wiens Gesundheitsstadtrat unterstützt eine Gesetzesänderung. Die Ärztekammer ist strikt dagegen.
Wien. Bis zur Verfügbarkeit eines wirksamen Impfstoffs gegen das Coronavirus, von den meisten Experten für Mitte nächsten Jahres erwartet, steht Österreich noch mindestens eine Grippesaison bevor. Damit sich mehr Menschen gegen das Influenzavirus (und andere Erreger) impfen lassen als bisher und dadurch die Krankenhauskapazitäten etwas geschont werden, haben die Gesundheitsreferenten der Bundesländer jetzt vorgeschlagen, dass die Grippeimpfung zum einen für alle kostenlos angeboten wird. Zum anderen soll sie auch von Apothekern durchgeführt werden dürfen – wie das in einem Dutzend EU-Staaten sowie in Ländern wie der Schweiz, den USA, Kanada und Neuseeland seit Jahren der Fall ist.
1 Wie sehen derzeit die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei Impfungen aus?
Impfen dürfen in Österreich ausschließlich Ärzte, das ist durch den sogenannten Arztvorbehalt geregelt, der unter anderem eine umfassende Aufklärung vor der Verabreichung (Informationen über den Impfstoff, mögliche Nebenwirkungen, Dauer des Impfschutzes, Notwendigkeit von Auffrischungen, Verhalten nach der Impfung etc.) sowie die Feststellung der Impftauglichkeit (bestehen Kontraindikationen wie beispielsweise Vorerkrankungen oder eine Schwangerschaft?) vorsieht.
„Das Impfen bedeutet mehr als die bloße Verabreichung der Impfung“, sagt Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. Die Landesräte sollten seiner Meinung nach zunächst den Rat der Experten einholen, um die Patientensicherheit nicht zu gefährden. „Wir Ärzte sind ausgebildet, bei Impfreaktionen vom Kreislaufkollaps bis hin zu sehr seltenen Nebenreaktionen fachlich richtig und unverzüglich zu reagieren – wie soll das in einer Apotheke funktionieren?“, ergänzt Rudolf Schmitzberger, Impfreferent der Ärztekammer.
Auch für die verpflichtende Untersuchung vor der Impfung brauche es die Expertise von Ärzten, sagt Edgar Wutscher, Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin der Kammer. Schließlich komme auch niemand auf die Idee, „sein Kfz-Service an einer Tankstelle machen zu lassen“.
2 Was sagen Apotheker zum Vorstoß der Gesundheitsreferenten der Länder?
Sie begrüßen den Vorschlag und „stehen bei entsprechendem politischen Willen bereit“, um ihren Beitrag zur Erhöhung der Durchimpfungsrate zu leisten. Die Gesundheitsreferenten hätten das Problem erkannt und einen wichtigen Schritt gesetzt, sagt Apothekerkammerpräsidentin Ulrike MurschEdlmayr im „Presse“-Gespräch.
Die Sicherheit der Patienten sei in jedem Fall gewährleistet, denn die entsprechende Impfausbildung, die im Übrigen „überschaubar“sei, beinhalte die notwendigen Erste-Hilfe-Maßnahmen. Und in lebensbedrohlichen Situationen werde auch in Ordinationen der Notarzt gerufen.
Daher könne sie die „kontraproduktive“Argumentation der Ärztekammer nicht ganz nachvollziehen – diese sehe in dem Vorstoß der Gesundheitsreferenten wohl einen Eingriff in den Diagnose- und Therapie-Vorbehalt der Ärzte. Um die Impfrate in Österreich „zu vervielfachen“, dürfe jedenfalls nichts unversucht gelassen werden.
Die 1400 Apotheken in Österreich mit ihren täglich rund 400.000 Patientenkontakten und deutlich längeren Öffnungszeiten als Ordinationen hätten dabei insbesondere hinsichtlich Beratung und Motivation einen Mehrwert.
3 Ist es realistisch, dass man sich bereits im nächsten Winter in Apotheken impfen lässt?
Ja, da es eine breite Zustimmung zum Vorstoß der Gesundheitsreferenten gibt, die nun bis Ende Juni ihre „Bewusstseinskampagne“ausarbeiten und präsentieren sollen. Danach könnte es schnell gehen. Wie Mitte 2019, als das Blutsicherheitsgesetz geändert wurde, damit Blutspendeaktionen auch ohne Ärzte stattfinden dürfen. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) will eine Gesetzesänderung jedenfalls vorantreiben, wie er auf Nachfrage ausrichten lässt. Für die dringende Erhöhung der Durchimpfungsrate in Österreich brauche es einen „Schulterschluss“im Gesundheitswesen.