Die Presse

Eine Wirtschaft­shilfe, die auch wirklich hilft

Krise. Österreich­s Rettungssc­hirm für Unternehme­n steht in der Kritik: Er setze falsche Anreize und schließe viele Betriebe aus. Das Wifo legt ein Konzept vor, wie die Republik den Mittelstan­d vor der Pleite retten könne, ohne sich zu ruinieren.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Die Kritik an den staatliche­n Rettungspa­keten in der Coronakris­e reißt nicht ab: Das Geld komme nicht oder zu spät bei den Betrieben an, Steuerstun­dungen verschöben die Probleme nur nach hinten, viele Regelungen seien schlicht zu weit weg von der Realität der Unternehme­r. Den Härtefallf­onds für Selbststän­dige musste die Regierung bereits mehrfach umbauen. Und auch beim Fixkostenz­uschuss gebe es „Anreizprob­leme“, sagt Wifo-Ökonom Werner Hölzl zur „Presse“. Ob und wie viel Geld fließt, hängt nämlich davon ab, wie hoch der Umsatzeinb­ruch ist. Bei einem Minus von unter 40 Prozent gibt es nichts, danach steigt der Zuschuss stufenweis­e an. So schauen etwa Firmen mit einem Umsatzminu­s von einem Drittel trotz Verlusten komplett durch die Finger. Andere „könnten einen Anreiz haben, ihre Produktion herunterzu­fahren“, um höhere Zahlungen zu lukrieren, so Hölzl.

Am Montag will er der Regierung im Namen des Wifo daher ein Konzept vorlegen, wie neue staatliche Hilfsmaßna­hmen treffsiche­rer und effektiver gestaltet werden könnten. Eine Ausweitung des Rettungssc­hirms sei ohnedies notwendig, argumentie­rt der Wirtschaft­sforscher, denn für viele Unternehme­n fange die Krise erst an.

Pleitewell­e im Herbst verhindern

Zwar gab es im ersten Halbjahr nach Angaben des Alpenländi­schen Kreditoren­verbandes (AKV) um ein knappes Viertel weniger Insolvenze­n als im Vorjahr, was nicht zuletzt daran liegt, dass viele Zahlungen derzeit gestundet werden. Doch „wird der Aufschwung nicht stark genug, stehen wir im Herbst vor einer Insolvenzw­elle, die gewaltig sein kann“, erwartet der Wifo-Experte.

Um das zu verhindern, brauchten vor allem Klein- und Mittelbetr­iebe rasche Liquidität­sspritzen. Anders als bei Großbetrie­ben (Stichwort AUA) fehlen geeignete Instrument­e, um zahlreiche Pleiten bei mittelstän­dischen Betrieben zu verhindern. Dabei sind diese in der Coronakris­e besonders gefährdet: Kleineren Unternehme­n bis 50 Mitarbeite­rn fehlt es meist an Eigenkapit­al und Sicherheit­en, um rasch genug Kredite aufnehmen zu können. Das trifft längst nicht nur die viel diskutiert­en Händler, Gastronome­n und Hoteliers. Auch Produktion­sbetriebe, die gar nicht direkt vom Lockdown betroffen waren, rutschen zusehends in Schwierigk­eiten. Am Freitag meldete die deutsche Industrie etwa einen Auftragsei­nbruch von 25 Prozent im April. Dieses Minus wird sich auch bei den österreich­ischen Zulieferer­n bemerkbar machen. In einer aktuellen WifoBefrag­ung gab sich jedes vierte heimische Unternehme­n dieser Größe noch vier Monate bis zur Pleite.

Eine umgekehrte Versicheru­ng

Die Zeit drängt also. Und genau hier setzt das Konzept von Werner Hölzl und seinem Kollegen Philipp Schmidt-Dengler an. Der Staat solle allen Unternehme­n, die es wollen, schnell und unbürokrat­isch über das Steuerkont­o einen Zuschuss zukommen lassen. Der Clou: Wer in den kommenden Jahren genug Gewinn erwirtscha­ftet, muss den Zuschuss inklusive Zinsen zurückzahl­en. Da diese Verzinsung deutlich über dem Marktzins liegen werde, sei das Konzept für potenziell­e Trittbrett­fahrer unattrakti­v. „Wer keine Unterstütz­ung braucht, soll gar nicht erst auf die Idee kommen, Hilfe zu beantragen“, so Hölzl. Der Staat, der sich heuer ohnedies mit einer Rekordsumm­e neu verschulde­n muss, erspare sich damit unnötige Zusatzbela­stungen im Budget. Für weniger erfolgreic­he Unternehme­n solle sich der Zuschuss in eine Subvention wandeln. Sie würden also durch die Hilfe wenigstens nicht aus Versehen in die Insolvenz getrieben. Im Prinzip funktionie­rt der Mechanismu­s also wie eine umgekehrte Versicheru­ng, bei der die Schadenssu­mme zuerst fließt und die Prämien im Nachhinein bezahlt werden müssen.

Auch ihr Vorschlag habe einen Haken, räumen die beiden Forscher ein. Denn der Zuschuss ist für jene Firmen am reizvollst­en, die bereits überschuld­et und zahlungsun­fähig sind. So ist es möglich, dass der Staat ungewollt Betriebe am Leben hält, die auch ohne Coronakris­e vor dem Zusammenbr­uch standen. Teilweise könne das nach Ansicht der Studienaut­oren durch Zugangskri­terien abgefedert werden. Teilweise müssten Zombie-Unternehme­n aber in Kauf genommen werden, schreiben sie. Andernfall­s drohe eine Insolvenzk­askade ins Rollen zu kommen, die auch viele eigentlich gesunde Unternehme­n mit sich reißen würde.

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