Eine Wirtschaftshilfe, die auch wirklich hilft
Krise. Österreichs Rettungsschirm für Unternehmen steht in der Kritik: Er setze falsche Anreize und schließe viele Betriebe aus. Das Wifo legt ein Konzept vor, wie die Republik den Mittelstand vor der Pleite retten könne, ohne sich zu ruinieren.
Wien. Die Kritik an den staatlichen Rettungspaketen in der Coronakrise reißt nicht ab: Das Geld komme nicht oder zu spät bei den Betrieben an, Steuerstundungen verschöben die Probleme nur nach hinten, viele Regelungen seien schlicht zu weit weg von der Realität der Unternehmer. Den Härtefallfonds für Selbstständige musste die Regierung bereits mehrfach umbauen. Und auch beim Fixkostenzuschuss gebe es „Anreizprobleme“, sagt Wifo-Ökonom Werner Hölzl zur „Presse“. Ob und wie viel Geld fließt, hängt nämlich davon ab, wie hoch der Umsatzeinbruch ist. Bei einem Minus von unter 40 Prozent gibt es nichts, danach steigt der Zuschuss stufenweise an. So schauen etwa Firmen mit einem Umsatzminus von einem Drittel trotz Verlusten komplett durch die Finger. Andere „könnten einen Anreiz haben, ihre Produktion herunterzufahren“, um höhere Zahlungen zu lukrieren, so Hölzl.
Am Montag will er der Regierung im Namen des Wifo daher ein Konzept vorlegen, wie neue staatliche Hilfsmaßnahmen treffsicherer und effektiver gestaltet werden könnten. Eine Ausweitung des Rettungsschirms sei ohnedies notwendig, argumentiert der Wirtschaftsforscher, denn für viele Unternehmen fange die Krise erst an.
Pleitewelle im Herbst verhindern
Zwar gab es im ersten Halbjahr nach Angaben des Alpenländischen Kreditorenverbandes (AKV) um ein knappes Viertel weniger Insolvenzen als im Vorjahr, was nicht zuletzt daran liegt, dass viele Zahlungen derzeit gestundet werden. Doch „wird der Aufschwung nicht stark genug, stehen wir im Herbst vor einer Insolvenzwelle, die gewaltig sein kann“, erwartet der Wifo-Experte.
Um das zu verhindern, brauchten vor allem Klein- und Mittelbetriebe rasche Liquiditätsspritzen. Anders als bei Großbetrieben (Stichwort AUA) fehlen geeignete Instrumente, um zahlreiche Pleiten bei mittelständischen Betrieben zu verhindern. Dabei sind diese in der Coronakrise besonders gefährdet: Kleineren Unternehmen bis 50 Mitarbeitern fehlt es meist an Eigenkapital und Sicherheiten, um rasch genug Kredite aufnehmen zu können. Das trifft längst nicht nur die viel diskutierten Händler, Gastronomen und Hoteliers. Auch Produktionsbetriebe, die gar nicht direkt vom Lockdown betroffen waren, rutschen zusehends in Schwierigkeiten. Am Freitag meldete die deutsche Industrie etwa einen Auftragseinbruch von 25 Prozent im April. Dieses Minus wird sich auch bei den österreichischen Zulieferern bemerkbar machen. In einer aktuellen WifoBefragung gab sich jedes vierte heimische Unternehmen dieser Größe noch vier Monate bis zur Pleite.
Eine umgekehrte Versicherung
Die Zeit drängt also. Und genau hier setzt das Konzept von Werner Hölzl und seinem Kollegen Philipp Schmidt-Dengler an. Der Staat solle allen Unternehmen, die es wollen, schnell und unbürokratisch über das Steuerkonto einen Zuschuss zukommen lassen. Der Clou: Wer in den kommenden Jahren genug Gewinn erwirtschaftet, muss den Zuschuss inklusive Zinsen zurückzahlen. Da diese Verzinsung deutlich über dem Marktzins liegen werde, sei das Konzept für potenzielle Trittbrettfahrer unattraktiv. „Wer keine Unterstützung braucht, soll gar nicht erst auf die Idee kommen, Hilfe zu beantragen“, so Hölzl. Der Staat, der sich heuer ohnedies mit einer Rekordsumme neu verschulden muss, erspare sich damit unnötige Zusatzbelastungen im Budget. Für weniger erfolgreiche Unternehmen solle sich der Zuschuss in eine Subvention wandeln. Sie würden also durch die Hilfe wenigstens nicht aus Versehen in die Insolvenz getrieben. Im Prinzip funktioniert der Mechanismus also wie eine umgekehrte Versicherung, bei der die Schadenssumme zuerst fließt und die Prämien im Nachhinein bezahlt werden müssen.
Auch ihr Vorschlag habe einen Haken, räumen die beiden Forscher ein. Denn der Zuschuss ist für jene Firmen am reizvollsten, die bereits überschuldet und zahlungsunfähig sind. So ist es möglich, dass der Staat ungewollt Betriebe am Leben hält, die auch ohne Coronakrise vor dem Zusammenbruch standen. Teilweise könne das nach Ansicht der Studienautoren durch Zugangskriterien abgefedert werden. Teilweise müssten Zombie-Unternehmen aber in Kauf genommen werden, schreiben sie. Andernfalls drohe eine Insolvenzkaskade ins Rollen zu kommen, die auch viele eigentlich gesunde Unternehmen mit sich reißen würde.