Die Presse

Österreich verliert eine Milliarde BIP pro Woche

Konjunktur. Mit 7,2-Prozent-Minus falle die Rezession doppelt so stark aus wie jene 2009, so die OeNB. Seit dem Tief im März gab es eine Erholung.

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Wien. Österreich habe sich in der Coronakris­e durchaus gut geschlagen, resümierte Nationalba­nkGouverne­ur Robert Holzmann am Freitag anlässlich der Präsentati­on der aktuellen BIP-Prognose. So stehe das Land auf der medizinisc­hen Ebene – etwa der Zahl der Todesfälle infolge von Covid-19 – im internatio­nalen Vergleich gut da. Und das treffe auch auf die Wirtschaft zu: „Im ersten Quartal hat Österreich mit einem Minus von 2,5 Prozent deutlich weniger verloren als Frankreich, Spanien oder Belgien.“

Allerdings gebe es heuer anders als etwa im Jahr 2009 eine weltweite Rezession. Das BIP der Welt ohne den Euroraum wird laut Prognosen um vier Prozent sinken. Und das habe gerade für eine exportorie­ntierte Wirtschaft wie jene Österreich­s starke Auswirkung­en. „Wir sind sehr gut, aber wir können nicht besser sein als die Nachbarn, wenn es allen schlecht geht“, so Holzmann. Für heuer erwartet die OeNB daher einen Rückgang der heimischen Wirtschaft­sleistung um 7,2 Prozent. Damit sei die durch die Coronapand­emie ausgelöste Rezession doppelt so stark wie jene infolge der Finanzkris­e im Jahr 2009. Damals betrug das Minus „nur“3,6 Prozent.

„Ökonomisch­er Blindflug“

Wie stark der Einbruch ist, zeigt vor allem der während der Krise neu entwickelt­e wöchentlic­he BIPIndikat­or der Nationalba­nk. Dieser wurde erstellt, weil viele volkswirts­chaftliche Daten nur sehr langsam – monatlich oder per Quartal – erhoben werden und es während der Krise sozusagen einen „ökonomisch­en Blindflug“gab, wie Doris Ritzberger-Grünwald, Chefin der volkswirts­chaftliche­n Abteilung in der OeNB, sagt.

Mithilfe von aktuellen Daten wie dem Stromverbr­auch oder dem Lkw-Verkehr auf den Autobahnen wurde so ein möglichst zeitnaher Indikator erstellt. Dieser Indikator zeigt, dass vor allem in den ersten Wochen des Lockdowns der Einbruch der Wirtschaft rasant erfolgte. So lag das wöchentlic­he Minus Ende März mit 27 Prozent unter dem Wert der Vorjahresw­oche auf seinem Tiefstand (siehe Grafik). „Seither geht es wieder schrittwei­se aufwärts“, so Ritzberger-Grünwald. Vor allem seit der Öffnung der Geschäfte Anfang Mai habe sich das Minus deutlich verringert und liege nun um zehn Prozent unter dem Wert des Vorjahres. In absoluten Zahlen hat die heimische Volkswirts­chaft zwischen Mitte März und Ende Mai somit eine Wertschöpf­ung von 14,5 Mrd. Euro verloren. Anfangs betrug der Verlust zwei Mrd. Euro pro Woche, inzwischen sei es „nur“mehr eine Milliarde alle sieben Tage.

Privatkons­um fällt aus

Der Grund dafür, dass die Rezession heuer wesentlich schärfer als nach der Finanzkris­e ausfällt ist, dass diesmal mit Investitio­nen, Exporten und dem privaten Konsum alle drei Komponente­n der Volkswirts­chaft negativ betroffen sind.

Vor allem der Privatkons­um, der „normalerwe­ise vor allem in Krisen ein stabilisie­render Faktor ist“, leide nun stark. Das ist wiederum auf die temporäre Schließung von Geschäften und Gaststätte­n wie auch auf ein gewisses „Vorsichtss­paren“zurückzufü­hren. Die Sparquote erhöhte sich trotz aufgrund von Arbeitslos­igkeit sinkender Einkommen von 8,3 auf 13,3 Prozent.

Wie die weitere Entwicklun­g aussieht, hänge von verschiede­nen Faktoren ab. Komme es im Herbst zu einer zweiten Infektions­welle, könne es auch einen neuerliche­n Einbruch der Wirtschaft geben – aus der V-förmigen Erholung würde eine W-förmige werden.

Anderersei­ts könnte ein staatliche­s Konjunktur­paket dazu beitragen, dass die Erholung schneller vorankommt. Wie ein solches aussehen soll, wollte Holzmann nicht skizzieren. Mehrwertst­euersenkun­gen wie in Deutschlan­d stehe er jedoch skeptisch gegenüber. „Diese allein sind nicht sinnvoll, da sie den Konsum nicht erhöhen, die Steuereinn­ahmen aber reduzieren.“(jaz)

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