Die Presse

Republik muss sich Milliarden holen

Noch nie war der Finanzieru­ngsbedarf Österreich­s so groß wie in diesem Jahr. Auch andere Staaten bessern derzeit nach. Angst, keine Investoren zu finden, hat man nicht.

- VON NICOLE STERN

Wien. Die Coronakris­e lässt nicht nur das Budgetdefi­zit Österreich­s ordentlich anschwelle­n. Sondern auch den Schuldenst­and der Republik. Um ihre Hilfsmaßna­hmen finanziere­n zu können, muss sich das Land in diesem Jahr deshalb deutlich mehr Geld auf dem Kapitalmar­kt besorgen als ursprüngli­ch gedacht.

Statt über 30 Mrd. Euro wird sich das Finanzieru­ngsvolumen nun auf rund 60 Mrd. Euro belaufen. Mindestens 35 Mrd. Euro davon werden über Staatsanle­ihen abgedeckt, der Rest über andere Finanzieru­ngsinstrum­ente. Das gab die für das Schuldenma­nagement der Republik verantwort­liche Bundesfina­nzierungsa­gentur (OeBFA) am Freitag bekannt. Das Finanzieru­ngsvolumen wird damit um rund 85 Prozent ausgeweite­t, sagt OeBFA-Chef Markus Stix zur „Presse“. Im Vergleich zu anderen Staaten ist das aber gering: In Deutschlan­d steigt der Bedarf um 150 Prozent, in den Niederland­en gar um 200 Prozent. Schon in den vergangene­n Wochen hat Österreich damit begonnen, mehr Geld einzusamme­ln.

Die Zentralban­k hilft

Auch wenn andere Staaten ob ihrer Krisenplän­e – Deutschlan­d stellte diese Woche ein 130 Mrd. Euro schweres Konjunktur­programm vor – größere Volumina anmelden müssen, ist auch die Situation für Österreich­s Schuldenma­nager nicht alltäglich: Denn: „Es ist das größte Volumen, das wir jemals zu finanziere­n hatten“, sagt Stix. Doch hat sich das System über die Jahre eingespiel­t. Wer freilich hilft: die Europäisch­e Zentralban­k (EZB). „Nach der Pleite von Lehman Brothers gab es noch kein Kaufprogra­mm der EZB. Das war damals eine ganz andere Situation.“

Die Notenbanke­r in Frankfurt haben erst im März 2015 mit dem großflächi­gen Ankauf von Staatsanle­ihen begonnen. In der Coronakris­e springen sie nun wieder ein. Erst am Donnerstag verkündete die EZB, ihr Hilfspaket um beachtlich­e 600 Mrd. Euro auf 1,35 Billionen Euro zu erhöhen. Damit drückt sie als bedeutende­r Käufer auf dem Markt nicht nur die Zinsen der Peripherie­staaten nach unten, sondern auch die aller anderen Mitglieder der Eurozone. Das führt zu geringeren Finanzieru­ngskosten, weshalb die Schuldenti­lgung erträglich­er wird.

Obwohl nun allerorts verstärkt der Kapitalmar­kt angezapft wird, sieht sich Österreich gut gerüstet, in diesem Jahr ausreichen­d Abnehmer zu finden. „Wir sehen keine Konkurrenz“, sagt Stix.

Die Republik betrachtet sich als ausgezeich­neten Schuldner, die Situation rund um die Ausbreitun­g von Covid-19 hat man laut Investoren­präsentati­on ebenfalls gut im Griff.

Zuletzt hohe Nachfrage

Zuletzt war die Nachfrage nach heimischen Staatsanle­ihen weiter hoch: Die Papiere Österreich­s sind im Schnitt dreifach überzeichn­et (Bid-to-cover-Ratio) und damit so stark wie bei keinem anderen Mitglied der Eurozone, sagt Stix.

Am Dienstag konnte Österreich beispielsw­eise zwei Anleihen mit einer Laufzeit von drei und zehn Jahren aufstocken. Der überwiegen­de Teil der Papiere ging an ausländisc­he Investoren, die auch bereit waren, negative Renditen in Kauf zu nehmen. Im vergangene­n Jahr erfolgte die Schuldenau­fnahme der Republik übrigens erstmals zu einem Zinssatz von durchschni­ttlich minus 0,12 Prozent.

Der Chef der Bundesfina­nzierungsa­gentur geht davon aus, dass das Zinsniveau auch weiterhin niedrig bleiben wird, derzeit befinde man sich auf dem Niveau vom Jahresbegi­nn. „Man muss aber abwarten, wie sich die Wirtschaft entwickelt.“

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Quelle: Bloomberg (Stand: 5. 6. 2020) · Grafik: „Die Presse“

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