Ein Lude, wer in Tirol ans falsche Luder denkt!
Der Landtag in Innsbruck hat wieder einen Skandal. Diesmal handelt er vom haltlosen Umgang mit Sprache. Mit toten Tieren werden von den Jägern Räuber angelockt.
Die fremdesten Zungen Europas beschäftigen seit Generationen das Linguistik-Institut des Gegengiftes. Zu seinen schwersten Aufgaben zählte immer schon das sinnvolle Erfassen des Tirolerischen. Eben erst hat es uns wieder herausgefordert. Was genau hat Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) gesagt und ungefähr gemeint, als er in Innsbruck einen bescheidenen Diskurs über Wasserkraft mit einer Vertreterin des World Wide Fund For Nature (WWF) führen wollte? Wie wird man ein „Widawartigsluada“?
Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne), die bei dieser Nebenbemerkung neben ihrem Regierungskollegen vor dem Landhaus stand, kann bei der Interpretation des despektierlichen Ausdrucks nicht helfen. Sie nahm ihn ohne Reaktion hin. Ihre Erklärung: Sie habe nicht Geisler zugehört, sondern der Aktivistin.
Der Politiker hat sich inzwischen entschuldigt. Man sollte das sogar ein wenig respektieren – ein Eingeständnis von Schwäche ist in Tirol, wo man eigentlich alles richtig macht (obwohl die Gäscht ja meistens echt läschtig sind) nicht selbstverständlich. Trotzdem fragen wir uns: Was meint der gemeine Land- und Forstwirt aus Brixlegg, wenn er das Wort „Luder“beiläufig in den Mund nimmt?
Wie jeder erfahrene Gebirgsjäger und speziell jeder Tiroler Schütze weiß, ist das Luder ein totes Tier, mit dem man Räuber anlockt. Am besten nimmt man dazu ein landeshauptmännisch erlegtes Murmeltier, das irgendwo in den lichten Höhen der Nordkette auf einem Luderplatz ausgelegt wird. Dann dauert es nicht lange, bis sich ein Gänsegeier oder Steinadler, zumindest aber ein Fuchs, vielleicht sogar ein Wolf, Luchs oder Bär an dem Kadaver gütlich tut. Dagegen könnte nicht einmal der WWF etwas einwenden. Schon im Mittelalter ließen Falkner ihr „luder laufen,“um den Raubvogel zur Umkehr zu bewegen. Schindluderei hingegen kennen weder Ober- noch Unterinntaler. Das machen nur böse Walsche, Bayern, Vorarlberger oder Salzburger. Und das Schimpfwort für liederliche Frauen ist in Innsbruck praktisch unbekannt. Das muss aus Wien stammen.
Nicht korrekt wäre es, die Herabgewürdigte unweiblich zum Luden zu gendern. Der ist weder Köder noch kokett, sondern Zuhälter – eine Kurzform von Ludwig. Dieses Wort stammt aus dem Milieu Berliner Gauner. So mancher Herr im Kiez, der sich wie die Könige Frankreichs Mätressen hielt, wurde zum „Puff-Louis“erklärt. Im heiligen Land Tirol gibt es so etwas Verderbtes natürlich nicht.