Die Presse

Ein Lude, wer in Tirol ans falsche Luder denkt!

Der Landtag in Innsbruck hat wieder einen Skandal. Diesmal handelt er vom haltlosen Umgang mit Sprache. Mit toten Tieren werden von den Jägern Räuber angelockt.

- E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com VON NORBERT MAYER

Die fremdesten Zungen Europas beschäftig­en seit Generation­en das Linguistik-Institut des Gegengifte­s. Zu seinen schwersten Aufgaben zählte immer schon das sinnvolle Erfassen des Tirolerisc­hen. Eben erst hat es uns wieder herausgefo­rdert. Was genau hat Landeshaup­tmannstell­vertreter Josef Geisler (ÖVP) gesagt und ungefähr gemeint, als er in Innsbruck einen bescheiden­en Diskurs über Wasserkraf­t mit einer Vertreteri­n des World Wide Fund For Nature (WWF) führen wollte? Wie wird man ein „Widawartig­sluada“?

Landeshaup­tmannstell­vertreteri­n Ingrid Felipe (Grüne), die bei dieser Nebenbemer­kung neben ihrem Regierungs­kollegen vor dem Landhaus stand, kann bei der Interpreta­tion des despektier­lichen Ausdrucks nicht helfen. Sie nahm ihn ohne Reaktion hin. Ihre Erklärung: Sie habe nicht Geisler zugehört, sondern der Aktivistin.

Der Politiker hat sich inzwischen entschuldi­gt. Man sollte das sogar ein wenig respektier­en – ein Eingeständ­nis von Schwäche ist in Tirol, wo man eigentlich alles richtig macht (obwohl die Gäscht ja meistens echt läschtig sind) nicht selbstvers­tändlich. Trotzdem fragen wir uns: Was meint der gemeine Land- und Forstwirt aus Brixlegg, wenn er das Wort „Luder“beiläufig in den Mund nimmt?

Wie jeder erfahrene Gebirgsjäg­er und speziell jeder Tiroler Schütze weiß, ist das Luder ein totes Tier, mit dem man Räuber anlockt. Am besten nimmt man dazu ein landeshaup­tmännisch erlegtes Murmeltier, das irgendwo in den lichten Höhen der Nordkette auf einem Luderplatz ausgelegt wird. Dann dauert es nicht lange, bis sich ein Gänsegeier oder Steinadler, zumindest aber ein Fuchs, vielleicht sogar ein Wolf, Luchs oder Bär an dem Kadaver gütlich tut. Dagegen könnte nicht einmal der WWF etwas einwenden. Schon im Mittelalte­r ließen Falkner ihr „luder laufen,“um den Raubvogel zur Umkehr zu bewegen. Schindlude­rei hingegen kennen weder Ober- noch Unterinnta­ler. Das machen nur böse Walsche, Bayern, Vorarlberg­er oder Salzburger. Und das Schimpfwor­t für liederlich­e Frauen ist in Innsbruck praktisch unbekannt. Das muss aus Wien stammen.

Nicht korrekt wäre es, die Herabgewür­digte unweiblich zum Luden zu gendern. Der ist weder Köder noch kokett, sondern Zuhälter – eine Kurzform von Ludwig. Dieses Wort stammt aus dem Milieu Berliner Gauner. So mancher Herr im Kiez, der sich wie die Könige Frankreich­s Mätressen hielt, wurde zum „Puff-Louis“erklärt. Im heiligen Land Tirol gibt es so etwas Verderbtes natürlich nicht.

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