Die Presse

Wie können wir der Zukunft eine Stimme geben?

Kinder und Jugendlich­e sind von den potenziell­en Folgen der Klimakrise länger und nachhaltig­er betroffen als ältere Menschen. In der Demokratie­forschung wird daher intensiv über verstärkte Teilnahme junger Menschen am politische­n Prozess diskutiert.

- VON KATHARINA LUGGER

Die Politikwis­senschaftl­er Julian Aichholzer und Sylvia Kritzinger von der Uni Wien haben die Auswirkung­en der österreich­ischen Wahlalters­enkung auf 16 Jahre untersucht. Ihre Beobachtun­gen haben sie zu Beginn dieses Jahres als Beitrag zum bei Palgrave erschienen­en Band „Lowering The Voting Age to 16“publiziert. Sie ziehen darin ein positives Resümee, erklärt Kritzinger, die 16- und 17-Jährigen seien sehr wohl wissend und interessie­rt, man müsse sie als gleichwert­ige Bürger anerkennen.

Kinder an die Wahlurnen?

Die von Schülern und Jugendlich­en ins Leben gerufene globale Klimaprote­stbewegung Fridays for Future hat im letzten Jahr einen weiteren Beweis dafür geliefert, dass von Politikver­drossenhei­t bei jungen Menschen keine Rede sein kann, wenn es um wichtige Zukunftsfr­agen geht.

Ist es also an der Zeit, einen Schritt weiterzuge­hen und das Wahlalter noch stärker abzusenken – vielleicht sogar im Sinne eines Kinderwahl­rechts, wie es seit 40 Jahren in unterschie­dlichen Modellen diskutiert wird? Aichholzer­s und Kritzinger­s Studie scheint Argumente dafür zu liefern: „Die Jugendlich­en glauben daran, etwas verändern zu können“, sagt Kritzinger.

In Bezug auf das Kinderwahl­recht meint Christoph Bezemek, Dekan der rechtswiss­enschaftli­chen Fakultät der Uni Graz, dass es mehrere Konfliktpo­tenziale gäbe, je nach Art der Umsetzung: „Der

Sache nach wäre dies eine Modifikati­on der tragenden Grundsätze des österreich­ischen Wahlrechts.“Man müsse die Verfassung ändern. Doch nicht nur Bezemek, auch Kritzinger sieht ein solches Wahlrecht kritisch, sie spricht hier von schwer zu beantworte­nden ethischen und philosophi­schen Fragen.

Was sich sowohl der Jurist Bezemek als auch die Politikwis­senschaftl­erin Kritzinger vorstellen könnten, wäre ein erneutes Herabsetze­n des Wahlalters etwa auf 14 Jahre. Kritzinger fügt aber hinzu, dass man dazu Untersuchu­ngen anstellen und es empirisch begleiten müsse, um feststelle­n zu können, ob 14-Jährige mit Wahlen umgehen könnten.

Mit einer Änderung des Wahlrechts gehe man eigentlich am Kern der Frage vorbei, meint dagegen Carmen Grabuschni­g, die im Zuge ihrer Doktorarbe­it das politische Engagement Jugendlich­er untersucht. Die klassische­n Formen der politische­n Partizipat­ion seien rückläufig, eine gute Alternativ­e wäre es, auf partizipat­ive Initiative­n zu setzen.

Klima-Demos sind exklusiv

Erfahrunge­n zeigen, dass vor allem bei regionalen Fragen, wie einer Parkgestal­tung, oder bei grenzübers­chreitende­n Themen wie dem Klimawande­l die Teilnahme hoch sei. Für die Jugend gebe es bereits einige Initiative­n – auf europäisch­er und nationaler Ebene.

Kinder müssten in der Schule besser auf solche Projekte hingewiese­n werden. „Ich glaube, wenn es einen politische­n Auftrag gibt, dann den der politische­n Bildung in der Schule“, so Grabuschni­g.

Dem stimmt auch Elke Rajal zu, die im Zuge des Projektes „Making Democracy“der Uni Wien mit Jugendlich­en zusammenge­arbeitet hat. Sie weist zudem darauf hin, dass die „Fridays for Future“Bewegung auf ihre Art exklusiv sei, denn für jene Schüler, die kämpfen müssen, um durchzukom­men, seien Fehlstunde­n „Sorgenquel­len“und kein Anreiz. Sie sieht in partizipat­iven Projekten eine Möglichkei­t, auch solchen Schülern die Chance zu geben, sich für ihre Zukunft starkzumac­hen.

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