Junger Mann, was hoffst du?
EWer traf wen? Bekannte Arbeiten von ihr? Werke von ihm?
Qin Altersunterschied von fast 15 Jahren – das ist nicht ohne, dem jüngeren Mann aber herzlich egal. München im Mai 1897: Der Mann, ein 21-jähriger Student aus Prag, der sich jedoch lieber Theater und Dichtung widmet, schwärmt für eine 36-jährige, arrivierte Schriftstellerin. Seit er einen Essay von ihr gelesen hat, dessen Aussagen er unbedingt teilt, schickt er ihr voller Verehrung anonym Gedichte. Nun will er sie unbedingt kennenlernen, auf dass auch sie von ihm und seinem Tun erfahre, und er bittet Jakob Wassermann, einen gemeinsamen Bekannten, ein Treffen in Wassermanns Haus zu arrangieren.
Nach einem ersten Kennenlernen besucht er sie und liest ihr Gedichte vor. Auf der Straße hofft er ständig, ihr zu begegnen; vorsichtshalber hat er meist einen Strauß Blumen dabei. Seine Hoffnungen werden belächelt: Der schmächtige Jüngling sei zwar begabt, wisse aber noch nicht so recht, wie sein lyrisches Talent einsetzen. Und wäre er bereits ein angesehener Poet, würde es ihm auch nichts nützen – sogar Nietzsche hat sie schon abblitzen lassen.
Das OEuvre des jungen Talents ist noch überschaubar, Zuspruch erhält er aber allemal; sie, Tochter eines russischen Generals, hat dagegen schon einiges vorzuweisen: theoretische Schriften, erzählende Prosa, einen unter einem Pseudonym veröffentlichten Roman, betitelt „Im Kampf um Gott“. Die begeisterten Komplimente des jungen Mannes erwidert sie nach wie vor nicht, seine Verse findet sie überzogen und sentimental. Dank des trotzigen Ungestüms, mit dem er um sie wirbt, gefällt er ihr aber immer besser. Was bisher verschwiegen wurde, was angesichts ihres Lebens, ihrer europaweiten Reisen, allein oder mit einer Freundin, leicht vergessen wird: Seit zehn Jahren ist sie mit einem Berliner Orientalisten verheiratet.
Dessen ungeachtet treffen sich die beiden Dichter nun öfter: die selbstsichere, hochgewachsene Frau und der unauffällige Jüngling mit der hohen Stirn und dem fliehenden Kinn. Noch bevor sie gemeinsam auf Sommerfrische gehen, schreibt er: „Ich bin Dir wie ein Vorbereiten / Und lächle leise, wenn Du irrst; / Ich weiß, dass Du aus Einsamkeiten / Dem großen Glück entgegenschreiten / Und meine Hände finden wirst.“