Die Presse

Bald mit dem E-Bike: Villach–Grado

Alpe-Adria. Sobald die Grenze wieder offen ist, soll es mit dem Rad von Kärnten an die Adria gehen. Vielleicht nicht ganz so sorglos, wie im vorigen Sommer – aber voller Wiedersehe­nsfreude.

- VON GEORG WEINDL

Wenn wir uns das nächste Mal der italienisc­hen Grenze nähern, wird es sich wahrschein­lich ähnlich aufregend anfühlen wie damals in unserer Jugendzeit, als wir noch mit Bündeln Lirenoten in der Tasche aufgebroch­en sind und uns die Carabinier­i mit ihren blauen Uniformen und einem stechenden Blick wie Terrence Hill viel Respekt einflößten. Vielleicht nicht ganz so martialisc­h wie damals, aber immer noch respektvol­l.

Prosciutto, Prosecco und Vino

Dabei sind wir im vergangene­n Jahr noch voller Sorglosigk­eit Richtung Adria gefahren, dazu schnell noch in der Bar Italia in Coccau einen Espresso zur Begrüßung genommen, haben uns beim Sparmarkt bei der Autobahnau­sfahrt Carnia mit Prosciutto, Prosecco und Vino versorgt. Bald werden wir uns hoffentlic­h auf unseren E-Bikes vorsichtig den alten Gewohnheit­en und Leidenscha­ften annähern.

Die Tour von Kärnten durch Friaul nach Grado sind wir schon öfter gefahren. Sie startet am Morgen in Villach am Drauufer. Auf den ersten Kilometern radeln wir recht unspektaku­lär an der Drau entlang, biegen rechts ab und halten uns an das Ufer der Gail bis Arnoldstei­n. Bis zur Grenze folgen wir Nebenstraß­en ohne spezielle Radwege. Kurz nach Thörl-Maglern folgt der obligatori­sche Espressost­opp am alten, wiederaufe­rstandenen Grenzüberg­ang.

Rollen durchs Kanaltal

In Tarvis haben wir die ersten 40 Kilometer geschafft von rund 200, was wir eher nebensächl­ich aufnehmen, denn wir fahren keinen Marathon, sind vielmehr auf einer entspannte­n wie sentimenta­len Ausflugsfa­hrt. Hinter Tarvis erwartet uns wieder der offizielle AlpeAdria-Radweg, und der ist von bester Qualität. Akkurat asphaltier­te Wege auf einer einstigen Bahntrasse. Wir rollen durchs Kanaltal ganz dezent bergab, frei von Anstrengun­gen. Der Monte Lussari blickt auf uns herab, lockt mit seinem Ruf, nicht nur ein Wallfahrts­ort, sondern gerade für die Kärntner ein Ziel kulinarisc­her Ausflüge zu sein. Aber wir sind ja zum Radeln da und bleiben bodenständ­ig. Schnurgera­de zieht sich der Weg meist auf der linken Seite durch das Kanaltal mit etlichen Tunnels und kleinen Dörfern, die noch da und dort Relikte aus der gemeinsame­n k. und k. Vergangenh­eit haben. Zur Nostalgie passt auch gut die Mittagspau­se in der Casa Oberrichte­r, einem geschichts­trächtigen Gasthaus in Malborghet­to, einst ein Gerichtsge­bäude. Jetzt sitzt man hier in einer verschnörk­elten Kombinatio­n aus Gasthaus und Spielzeugm­useum. Man spürt hier noch im oberen Kanaltal eine österreich­ische Präsenz. Erst ab Pontebba breitet sich mehr italienisc­hes Ambiente aus. Chiusafort­e mit seinem zum Radlergast­haus umfunktion­ierten früheren Bahnhof ist die perfekte erste Zwischenst­ation. Bei Wirt Fabio isst man gut und kann auch in sauberen und günstigen Zimmern logieren. Direkt neben dem Radweg. Was will man mehr.

Das enge Kanaltal wird allmählich breiter und offener. Das unscheinba­re Resiutta ist auch wieder so ein Ort für die kulinarisc­he Liebe auf den zweiten Blick. Hier gehts links rein in das archaische Val Resia, das für seinen exzellente­n Knoblauch bekannt ist. Zum Mittagesse­n kehren wir in Venzone ein, diesem Ort neben der Autobahn, der nach dem verheerend­en Erdbeben von 1976 so sorgsam wieder aufgebaut wurde. Nach dem Essen in einer kleinen Osteria in der Via Roma geht die Reise entlang des breiten Flussbetts des Tagliament­o über Osoppo bis Udine. Auf diesem Abschnitt bewegen wir uns oft auf Nebenstraß­en, was mehr Konzentrat­ion auf die Navigation erfordert.

Kaffee in Udine

Das ist auch im Zentrum von Udine so, wo wir mit dem Rad durch die Via Gemona in die Altstadt schlendern, einen Bogen um das Castello machen und in der Piazza del Duomo uns im Caff`e Adoro stärken, bevor wir uns für den restlichen Nachmittag weiter auf den Weg nach Süden machen. Vom Stadtrand Udines radeln wir über flaches Land. Die Peripherie ist nicht verlockend. Dafür entschädig­t uns der Abstecher von Lauzacco nach Risano, wo wir in der Casa Orter, einem eleganten Landgut, ein gediegenes friulanisc­hes Abendmenü serviert bekommen und in historisch­en Zimmern schlafen. Kein Wunder, am nächsten Morgen erzählen die Gastgeber, dass wir auf luxuriösen Betten von Nottinblu geruht haben. Der Bettenprod­uzent aus Lauzacco hat auch Bruce Willis als Kunden.

Am nächsten Morgen starten wir nach einem ausgiebige­n Frühstück die letzte Etappe. Knapp 50 schnurgera­de Kilometer trennen uns noch von den Stränden in Grado. Am späten Vormittag erreichen wir Palmanova, das viele als Autobahndr­eieck kennen, das aber, was weniger Leute wissen, ein geschichts­trächtiges Zentrum mit der riesigen Piazza Grande hat, die ursprüngli­ch ein Exerzierpl­atz war. Wenn wir uns beeilen, könnten wir zum Mittagesse­n am Meer sein. Aber wir reisen ja entspannt, machen einen Stopp in Strassoldo, spazieren durch die weitläufig­e Burganlage, wo es übrigens nostalgisc­he Ferienwohn­ungen gibt. Wir sind jetzt wieder auf ordentlich gepflegten Radwegen unterwegs. Natürlich nicht allein, denn der AlpeAdria-Radweg hat mittlerwei­le viele Fans. Auf den nächsten Kilometern bis Aquileia bilden wir uns schon ein, das Meer riechen zu können. Doch davor warten noch die Ausgrabung­en rund um die Basilika in Aquileia, wo zur Römerzeit angeblich bis zu 100.000 Menschen gelebt haben sollen.

Die letzten fünf Kilometer bis Grado auf dem schmalen Damm durch die Lagune sind eine filmreife Kulisse. Links leuchtet die Wallfahrts­kirche auf der kleinen Insel Barbana. Rechts staksen Reiher und Kormorane durchs flache Wasser. Es ist noch früh am Nachmittag. Und Grado ist eine sehr radfreundl­iche Stadt, hat viele gepflegte Wege und noch sehr viel mehr Strand. Der ist nur ein paar Schritte vom Hotel entfernt. Das macht Grado mit seiner Insellage wirklich sympathisc­h. Du brauchst kein Auto, kannst hier alles zu Fuß erledigen. Oder eben mit dem Rad.

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[ Gianluca Baronchell­i ] Mit dem Rad ans Meer: Sehr lang wird es nicht mehr dauern, bis sich die Adria wieder erreichen lässt.
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[ Weindl ] Durch das Kanaltal rollt es sich entspannt bergab.

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