Die Presse

Corona schafft neue Camping-Anhänger

Camping. Der Wunsch nach Abstand und Hygiene macht die Idee, mit dem eigenen Bett und Bad Urlaub zu machen, auch für einstige Nichtcampe­r interessan­t. Gefragt sind Komfort und Freizeitan­gebote für die eigene Camper-Persönlich­keit.

- VON SABINE MEZLER-ANDELBERG

Schlafen im eigenen Bett, Essen am eigenen Tisch und trotzdem nicht daheim bleiben müssen: Was bis Anfang das Jahres das perfekte Urlaubskon­zept für eingefleis­chte Camper war, hat nach Corona für viele Charme. Und das macht sich derzeit vor allem bei den Verkäufern und Vermietern von Wohnmobile­n und Caravans bemerkbar. „Wir stellen seit Anfang Mai eine verstärkte Nachfrage fest“, berichtet Thomas Neugebauer, Vorsitzend­er des Österreich­ischen Caravan Handels-Verbands ( ÖCHV) und Geschäftsf­ührer von Neugebauer Campingwor­ld. Zwar seien die Neuzulassu­ngszahlen im April um durchschni­ttlich 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken, was aber eher den Ausgangsbe­schränkung­en geschuldet war. Die Zugriffe auf der Website seines Unternehme­ns haben sich in den vergangene­n vier Wochen dagegen verdoppelt, und auch bei den Händlern tauchen momentan viele interessie­rte Kunden auf, die erstmals einen Fuß in die Welt der Wohnmobile und –wagen setzen. „Das ist derzeit eine Herausford­erung, da Neukunden natürlich sehr betreuungs­intensiv sind und man sich für diese mehr Zeit nehmen will und muss als für jemanden, der schon mehrmals ein Wohnmobil gekauft oder gemietet hat“, so der Branchenve­rtreter.

Mit Klima- und Sat-Anlage

Und zu lernen gibt es einiges, denn der Preisrahme­n für die fahrenden Hotelzimme­r spannt sich von 45.000 bis 250.000 Euro, wobei letztere „eine Innenausst­attung wie die Mercedes C-Klasse, eine vollautoma­tische Sat-Anlage mit drei Fernsehern für vorne, hinten und draußen, eine Fußbodenhe­izung und ein Raumbad haben“, zählt Neugebauer auf, was möglich ist, wenn man es sich leisten will. Der Durchschni­tt der heimischen Käufer sei aber im Bereich von 70.000 bis 90.000 Euro angesiedel­t, um die man es allerdings auch schon sehr komfortabe­l haben kann: Eine Klima- und eine Sat-Anlage gibt auf jeden Fall, genauso wie eine Markise und Solaranlag­en auf dem Dach. „Außerdem gehören in den meisten Fällen auch ein Fahrrad- oder Motorradtr­äger zum guten Standard“, berichtet er. Und natürlich eine voll ausgestatt­ete Küche samt Nespresso-Maschine, allerdings fast immer ohne Spülmaschi­ne. Denn der Abwasch mutiere beim Camping zur Männersach­e, „bei der man gern mit anderen ins Gespräch kommt“.

Wobei der Begriff Camping unter den Wohnmobil-Anbietern ungern verwendet wird, „weil man das irgendwie mit feucht und wetterabhä­ngig assoziiert“, wie Neugebauer berichtet. Bevorzugt wird der Begriff des mobilen Reisens, der auch vor Corona schon an Popularitä­t gewonnen hatte, als die Flugreisen weniger attraktiv wurden – woran sich aktuell auch erst einmal wenig ändern dürfte. Außerdem sei das Camping-Erlebnis in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer attraktive­r geworden, auch wenn Österreich dabei im Vergleich zu Ländern wie Frankreich, Deutschlan­d, Italien oder Kroatien „noch im Dornrösche­nschlaf lag“, wie es Neugebauer formuliert.

Seit ein paar Jahren holen aber auch die heimischen Standorte mächtig auf, wie Tomas Mehlmauer, Präsident des Österreich­ischen Camping Clubs (ÖCC) berichtet. „Camping hat sich von dem einstigen schalen Beigeschma­ck als Urlaub für Arme deutlich wegentwick­elt, was auch mit den großen Investitio­nen zu tun hat, die auf den heimischen Plätzen getätigt wurden.“Und die dafür gesorgt haben, dass heute auch in Österreich viele Plätze Klubanlage­n in Sachen Infrastruk­tur kaum mehr nachsteist die meistbesuc­hte Plattform im deutschspr­achigen Raum, darüber sind 400 Betriebe in Europa direkt buchbar.

4000 Betriebe weltweit. 2000 Betriebe in Frankreich, Spanien, Italien. Schwerpunk­t Frankreich und Italien, rund 1500 Campingplä­tze.

in Europa. rund 700 Betriebe hen. Da gibt es Wellness-Angebote und Aquaparks, Tennisplät­ze und Minigolf, Indoor-Spielplätz­e und Streichelz­oos – und geführte Mountainbi­ke-Touren oder Kräuterwan­derungen.

Private Bäder

Auch die Vorstellun­g, in der Früh in Badeschlap­fen dicht an dicht mit wildfremde­n Menschen Zähne putzen zu müssen, gehört auf vielen Plätzen der Vergangenh­eit an – und das nicht nur im Wohnwagen. „Inzwischen sind die Waschbecke­n in eigenen Kabinen, außerdem kann man sich bei uns auch sogenannte Familienbä­der für den ganzen Aufenthalt mieten, für die man dann einen Schlüssel bekommt und allein benutzt“, berichtet Norbert Schluga jun., Besitzer des gleichnami­gen Campingpla­tzes in Hermagor.

Was natürlich auch für den Neustart nach Corona hilfreich ist – die Campingplä­tze durften, genau wie die Hotels, am 29. Mai wieder aufsperren –, der mit eigenen Hygiene- und Abstandsko­nzepten erfolgt. Mit Sauberkeit allein lockt man heute aber – genau wie in Hotels – keine Gäste mehr, vielmehr geht es darum, Freizeitan­gebote zu machen, die auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnit­ten sind. Denn den Camper gibt es nicht: Hier tummeln sich die Wohnwagenb­esitzer, die seit Jahrzehnte­n dieselbe Parzelle auf demselben Platz ansteuern und dort neben denselben Nachbarn stehen, genau wie naturverbu­ndene Zeltcamper oder Wohnmobil-Besitzer, die wochenlang durch Europa touren. „Daher ist es heute wichtig, sich wirklich eine eigene Philosophi­e zu geben“, ist Heimo Feiel, Besitzer des Campingpla­tzes Olachgut im steirische­n Murau am Kreischber­g, überzeugt. Auf seinem Platz dreht sich diese um das Thema Nachhaltig­keit und Umweltbewu­sstsein, zum Platz gehören hier ein Bauernhof und ein Reitstall, „außerdem züchten wir Tiere, die vom Aussterben bedroht sind, haben einen großen Kräutergar­ten und zeigen, wie was produziert wird“, nennt er einige der Angebote, die die Gäste auf seinem zehn Hektar großen Platz mit 140 Stellplätz­en zu schätzen wissen. Bei den Schlugas in Kärnten dreht sich alles um Freizeitan­gebote, mit denen man sich gegenüber den Plätzen in absoluten Einserlage­n an der Adria behauptet.

Volles Gästeprogr­amm

„Wer bei uns 32 Euro für den Stellplatz pro Nacht zahlt, kann dafür mit der ganzen Familie das Programm vom AlpinSpa, das Hallenbad und die Sauna bis zu geführten Wanderunge­n zum Speckbauer­n oder Mountainbi­ketouren in Anspruch nehmen“, rechnet er vor. Neben dem Freizeitan­gebot und der Platzausst­attung hilft der Branche – die derzeit noch darunter leidet, dass durch die geschlosse­nen Grenzen und Reisewarnu­ngen die Deutschen, die gemeinsam mit den Holländern die Mehrheit der Gäste bilden, während der Pfingstfer­ien daheim geblieben sind – das langsam, aber stetig wachsende Online-Angebot. Zwar gibt es hier noch nicht so viele Möglichkei­ten wie in der Hotellerie, „aber es beginnt langsam, und immer mehr Plattforme­n machen auch das direkte Buchen von Stellplätz­en online möglich“, berichtet ÖCC-Präsident Mehlmauer (siehe Kasten).

 ?? [ Getty Images ] ??
[ Getty Images ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria