Die Presse

Über die Liebe zum Bodybuildi­ng

Rainer Schaller gründete das internatio­nal tätige Fitnessunt­ernehmen McFit. Mit der „Presse“spricht er über eine Jugend, die keine Krise kennt, über Staatshilf­en und über die Schwierigk­eit, Ängste abzulegen.

- DiePresse.com/meingeld VON GERHARD HOFER Getty Images ] [ Carsten Koall/

Der Gründer des Fitnessunt­ernehmens McFit, Rainer Schaller, im Interview.

Die Presse: Jetzt haben ja auch in Österreich die Fitnesscen­ter wieder geöffnet. Trotzdem fürchten viele, dass es in ihrer Branche die eine oder andere Insolvenz geben wird. Wie ist Ihr Eindruck?

Rainer Schaller: In den USA hat es bereits zwei große Ketten erwischt. Eine ist Gold’s Gym, eine der Traditions­marken in der Fitnessbra­nche, für die auch Arnold Schwarzene­gger geworben hat. Die andere ist 24 Hour Fitness. Wenn der Umsatz von heute auf morgen völlig unvorberei­tet wegbricht, bekommt man die Kosten ja gar nicht so schnell nach unten.

Sie sind in vielen Ländern tätig. Wo hilft der Staat am besten?

In Deutschlan­d sind wir bei den Hilfen für Arbeitnehm­er – und das tut am meisten weh – fast das Schlusslic­ht in Europa. Da stockt der Staat bei der Kurzarbeit lediglich auf 60 bis 67 Prozent des ursprüngli­chen Gehalts auf.

In Österreich sind es zwischen 80 und 95 Prozent.

Die deutsche Regierung hat zwar aufgestock­t, aber erst ab dem vierten Monat.

Wie werten Sie die Hilfen für Unternehme­r?

Ich bin da skeptisch. Die gewährten Kredite helfen zwar kurzfristi­g, aber irgendwann muss man das Geld ja auch wieder zurückzahl­en. Wir wissen ja nicht, wie sich die Umsätze in den kommenden Monaten entwickeln werden.

Ein Unternehme­r hat die Stundungen als „Verlängeru­ng des Siechtums“bezeichnet.

Das ist eine passende Definition.

Zeigt diese Krise, dass zu viele Unternehme­n zu wenig Eigenkapit­al haben?

Das kann sein. Für uns trifft das nicht zu. Wir haben unsere Hausaufgab­en in der Vergangenh­eit gemacht. Ich habe auch keine externen Geldgeber oder Hedgefonds an Bord. Die Eigenkapit­alquote liegt zwischen 80 und 85 Prozent. Deshalb werden wir diese Krise auch überleben. Aber es wird natürlich sehr weh tun.

Sie haben etwa 300 Studios, die lang leer standen und sich jetzt allmählich wieder füllen. Was macht Sie zuversicht­lich?

Das ist ein altersbedi­ngter Optimismus. Ich habe schon einige

Krisen erlebt und weiß daher, dass es danach auf irgendeine Art und Weise wieder weitergehe­n wird. Das Thema Loveparade ist ja bekannt.

Bei der Loveparade 2010 in Duisburg kamen bei einer Massenpani­k 21 Menschen ums Leben. Sie waren Veranstalt­er und Hauptspons­or.

Ja, das war für mich quasi die Mutter aller Krisen. Ich persönlich stelle jetzt anhand der aktuellen Krise fest, dass vor allem die jün

gere Generation mental die größten Probleme hat. Die Generation Y und die Millennial­s also. Da ist es wichtig, dass man als erfahrener Unternehme­r Ruhe reinbringt. Zum Glück sind unsere Einnahmen nicht ganz auf null, weil wir ja in vielen Ländern Mitglieder haben, die zu uns halten und ihre Beiträge weiter bezahlen.

Aber die Leute zahlen, damit sie trainieren können.

Lange Zeit konnten sie zwar nicht offline in unseren McFit- und John-Reed-Studios trainieren, aber zuhause. Da wir schon vor zehn Jahren erkannt haben, dass die Menschen nicht nur in Fitnessstu­dios trainieren möchten, bieten wir mit „Cyberobics“eine digitale Fitnesspla­ttform an. Außerdem hatten wir einen TV-Sender als Onlinestre­am ins Leben gerufen, der täglich zehn Stunden live gesendet hat: „The Big Pump“bietet nicht nur Trainingsp­rogramme, sondern auch Unterhaltu­ng, Promis, Tipps und Ratschläge.

Kommen wir zurück auf Ihre Aussage über die Millennial­s. Kennen die noch keine Rückschläg­e?

Es ist wichtig, dass die Älteren den Jüngeren ihre Erfahrunge­n mitgeben. Aber ich erkenne in den verschiede­nen Ländern auch unterschie­dliche Mentalität­en. In Deutschlan­d haben wir schon einen sehr hohen Grad an Verwöhnung erreicht. Gerade in der jüngeren Generation. Weil ich ja aus dem Sport komme, weiß ich: Sieger werden aus Niederlage­n geboren. Deshalb ist jede Krise tatsächlic­h auch eine Chance.

Wie schaut es in anderen Ländern aus?

Wir sind ja auch Marktführe­r in Spanien. Dort ist die jüngere Generation die Krise gewohnt. Es gibt Städte mit 50 Prozent Jugendarbe­itslosigke­it.

Und wie macht sich diese Gewöhnung an die Krise bemerkbar?

Etwa bei der Kurzarbeit. Wir haben von 5000 Mitarbeite­rn den Großteil in Kurzarbeit. Die Mitarbeite­r in Spanien und Italien haben diese Einkommens­einbußen leichter hingenomme­n. In Deutschlan­d ist das ganz anders.

Kommt nach der Kurzarbeit für alle die Sonne, oder wird der Regen heftiger?

Wir haben in der Fitnessbra­nche gegenüber anderen Dienstleis­tungen einen Vorteil: Wer an seinem Körper arbeiten will, muss sich gegen einen Widerstand bewegen. Und wir sind mit unseren Marken im Bereich Lifestyle unique. Ich liebe ja das Wort Bodybuildi­ng immer noch. Man möchte schließlic­h einen schöner geformtere­n Körper haben. Das bietet keine andere Sportart in der Genauigkei­t wie Fitness.

Aber vielleicht werden sich viele Menschen das Fitnesscen­ter nicht mehr leisten können?

Ja, das hängt natürlich davon ab, wie lang die Krise tatsächlic­h dauert. Ich glaube, die Leute werden weiterhin ins Fitnesscen­ter gehen, aber vielleicht werden sie ihr Konsumverh­alten verändern. Das Luxussegme­nt wird bleiben, wie es ist. Aber viele werden gegebenenf­alls auf günstige Produkte ausweichen müssen und nicht auf die Mittelklas­se.

Jetzt herrschte an den ersten Tagen großer Andrang, wird das so weitergehe­n?

Wir haben ja in Tschechien und Ungarn schon länger geöffnet. Dort sind am Anfang etwa die Hälfte unserer Kunden gekommen. Quasi die Vorhut. Andere waren tatsächlic­h noch verunsiche­rt, obwohl wir doch sehr viel junges Publikum haben. Ich glaube, jetzt muss auch die Politik dazu beitragen, dass die Menschen wieder die Angst ablegen und wieder wagen, etwas Normales zu tun.

Aber diese Angst kann man genauso wenig per Knopfdruck ablegen, wie man die Wirtschaft nicht auf Knopfdruck wieder hochfahren kann.

Zuallerers­t müssen die Politiker die Angst nehmen, und zwar dort, wo sie nicht berechtigt ist. Wir Unternehme­r müssen umsetzen, was die Politik vorgibt. Und das war nicht immer klar: Einmal mit, dann wieder ohne, dann doch wieder mit Maske . . . Wenn man so kommunizie­rt, schürt man Angst.

Wird die alte Welt wieder zurückkomm­en oder bleibt etwas anders?

Wenn ich zurückblic­ke, dann wage ich zu sagen: Es wird alles wieder normal. Ich habe einen schönen Artikel über einen 91-jährigen italienisc­hen Soziologen gelesen. Der hat gesagt: „Wir werden wieder tanzen und feiern.“Ähnliches pas

sierte ja auch nach Kriegen. Aber im Moment ist das natürlich alles nur ein Blick in eine Glaskugel.

Aber Sie selbst sehen in der Krise auch eine Chance, vielleicht für Übernahmen?

Wir müssen zuerst natürlich auf uns schauen. Wir bauen in Lyon und Paris, in Rotterdam und London erste Filialen, wir investiere­n in den USA in vier große Studios zwischen 50 und 60 Millionen Dollar. Deshalb schauen wir primär nicht auf die anderen. Wir müssen selbst liquid bleiben. Natürlich werden wir unser digitales Angebot ausbauen. Wir haben zwar bis heute keinen Cent damit verdient, aber es hat uns zumindest in der Krise geholfen, mit unseren Kunden in Kontakt zu bleiben. ZUR PERSON Rainer Schaller

ist Gründer und Geschäftsf­ührer der RSG Group, zu der die Fitnessstu­diomarken McFit und John Reed gehören. Schaller stammt aus einer deutschen Kaufmannsf­amilie und betrieb ursprüngli­ch mehrere EdekaFilia­len. Nun wendet er das Discounter­prinzip im Fitnessges­chäft an. Schaller war früher Veranstalt­er und Hauptspons­or der Loveparade. Bei der Veranstalt­ung 2010 in Duisburg starben 21 Menschen bei einer Massenpani­k.

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