Fußballfan stürzt, Verein muss zahlen
Schadenersatz. Weil er beim Verlassen des VIP-Klubs über eine Kante stolpert, erhält ein Stadionbesucher Geld. Er ist aber mitschuldig, weil er auf das Spielfeld statt auf den Boden geschaut hat.
Weil er im VIP-Klub stolpert, erhält ein Stadionbesucher Geld.
Wien. Zunächst hatte der Fußballverein dem Verunfallten ein Trikot und eine Jahreskarte als Entschädigung angeboten. Dann erwog die Haftpflichtversicherung immerhin, 3000 Euro zu zahlen. Nun ist es für den Fan nach einem Sturz im Stadion doch deutlich mehr Geld geworden. Wenngleich er selbst mitschuldig am Geschehenen ist, wie die Höchstrichter in einer aktuellen Entscheidung betonen.
Der Mann war einer von 1270 Zusehern, die sich im März 2017 das Spiel WSG Swarovski Wattens gegen SV Horn in der zweithöchsten Spielklasse gegönnt hatten. Sogar eine Karte für den VIP-Bereich hatte der Unternehmer erworben. Kurz vor der Pause erhob sich der Mann von seinem Platz. Beim Verlassen des VIP-Bereichs passierte das Unglück, als der Mann an einer für Rollstuhlfahrer anliegenden Rampe vorbeiging. Er stolperte über eine sechs Zentimeter hohe Kante, stürzte auf eine nach unten führende Treppe hinunter und verletzte sich schwer.
Das Unglück war sogar Thema in lokalen Medien. Die „Tiroler Tageszeitung“berichtete darüber, dass der Verein in einem „nett formulierten Brief“versuchte, die Sache durch die Abokarte aus der Welt zu schaffen. Für den durch das Unglück aber (zumindest vorläufig) berufsunfähig gewordenen Mann war das zu wenig. Er hat sich eine komplizierte Fraktur am Arm zugezogen, die Hand ist nicht mehr belastbar.
Allein für den bisher eingetretenen finanziellen Schaden verlangte der Mann nun vor Gericht 57.574 Euro. Zudem ist es in solchen Fällen üblich, feststellen zu lassen, dass die beklagte Seite auch für alle durch den Unfall noch künftig eintretenden Folgen haftet.
Handlauf spart Sicherung nicht
Haftet der Verein in so einem Fall? Die ersten zwei Instanzen bejahten diese Frage. Auch vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) berief sich der Verein aber darauf, dass es an der Stiege – gegenüber der Rampe – einen Handlauf gegeben habe. Das ändere aber nichts daran, dass man auch die andere Stelle sichern hätte müssen, befand der OGH. So habe eine Absturzsicherung zwischen Rampe und Treppe gefehlt.
Der Fußballfan argumentierte mit einer älteren Entscheidung. Damals war eine Frau im Kaffeehaus am Weg zum WC gestürzt. Es hatte ein Handlauf gefehlt. Der Lokalbetreiber haftete voll. Nur habe die Frau im Gegensatz zum Fußballfan nicht woanders hingeschaut, entgegnete der OGH: „Nach den Feststellungen stolperte der Kläger über die erkennbare Erhöhung der Stahlwange, weil er seinen Blick beim Gehen nicht nach vorn, sondern nach rechts auf das Fußballfeld und davor befindliche Personen richtete.“
Der Fußballverein argumentierte mit einer Entscheidung, in der eine verunglückte Frau ein Stift klagte. Es hatte nur auf einer Seite der Stiege einen Handlauf gegeben. Die Frau stürzte, als sie auf der anderen Seite ging, um eine langsame Besucherin zu überholen. Falls das Unglück überhaupt durch die fehlenden Sicherungsmaßnahmen ausgelöst wurde (das musste noch die Unterinstanz klären), bleibe die Frau im Verhältnis von 3:1 für ihr Unglück verantwortlich, befand der OGH damals.
Auch dieser Fall passe aber nicht gut zum jetzigen, meinte der OGH. Denn der Fußballverein habe nicht nur wie das Stift die Stiege zu wenig abgesichert. Sondern auch noch eine Gefahrenquelle am Boden erzeugt, über die man stolpern konnte.
Verein und Fan gleich schuld
Im Ergebnis hielt der OGH (3 Ob 6/20h) es daher für gerecht, wenn sich Fan und Verein den Schaden je zur Hälfte teilen. Das dementsprechende Urteil der Vorinstanz wurde bestätigt. Seine Meisterschaftsspiele trägt der nunmehrige Bundesligist in dieser Saison unter dem Namen WSG Tirol in Innsbruck aus, während das eigene Stadion modernisiert wird. Cupspiele fanden weiter in Wattens statt. Die Unfallstelle sicherte der Verein schon nach dem Unfall des Klägers ab. Das damalige Spiel hatte übrigens wie der nunmehrige Prozess geendet – 1:1.