Die Reduzierung der US-Truppen in Deutschland hat ihre Logik
Das Pentagon will 9500 Soldaten aus Deutschland abziehen, sagt aber Berlin nichts davon. Die Deutschen ärgern sich, doch ein Abzug wäre konsequent.
Wer wundert sich noch über irgendetwas, das in diesen Tagen aus Washington kommt? Alles ist möglich, aber nichts ist fix. Da gibt Donald Trump dem Pentagon den Auftrag, Pläne für die Heimholung amerikanischer Truppen aus dem Ausland auszuarbeiten. Das ist gut und recht, Trump hat seinen Wählern versprochen, das militärische Engagement der Vereinigten Staaten in der Welt zurückzufahren. Offenkundig hat man im Verteidigungsministerium bei dieser Überprüfung vor allem auch Deutschland unter die Lupe genommen, wo derzeit noch 34.500 US-Soldaten stationiert sind; zum Höhepunkt des Kalten Kriegs, in den 1960er-Jahren, sind es noch 274.000 Soldaten gewesen.
Das Pentagon kommt in seiner Bestandsaufnahme zu dem Schluss, dass sich 9500 Soldaten aus Deutschland abziehen oder auch verlegen ließen. Doch typische US-Politik unter Trump: Die Abzugspläne werden nicht etwa mit dem deutschen Bündnispartner diskutiert, sondern über das „Wall Street Journal“in der Öffentlichkeit lanciert. Kein Wort darüber in einem 20-minütigen Telefongespräch zwischen Trump und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, das die beiden vor Kurzem in herzlicher gegenseitiger Abneigung miteinander geführt haben sollen.
Dabei ist schon klar: Deutschland ist seit drei Jahrzehnten nicht mehr der Frontstaat zur Abwehr eines Großangriffs des Warschauer Paktes. Wie wenige andere Staaten hat die Bundesrepublik seit 1989/1991 von der Friedensdividende profitiert, hat dermaßen abgerüstet, dass die Bundeswehr heute in Teilbereichen in einem bedenklichen Zustand dasteht. Die Kritik aus Washington oder London daran ist mehr als gerechtfertigt.
Das heutige US-Militärkontingent in Deutschland ist zu einem Teil zwar immer noch eine Art Versicherungspolizze gegen ein aggressives Russland. Vor allem aber betreut es das Drehkreuz für die Operationen der US-Streitkräfte im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika. Die Luftwaffenbasis Ramstein und das Militärkrankenhaus Landstuhl gehören zu den wichtigsten Einrichtungen des US-Militärs im Ausland. In Bayern befinden sich auch die einzigen Übungsplätze, wo US-Soldaten in Europa mit scharfer Munition üben können. Wenn das Pentagon dieses Kontingent verkleinert, wird das wohl die Möglichkeit für Operationen in Nahost und Afrika einschränken, zumindest muss umgeplant werden. Aber es wäre nur ein logischer Schritt nach dem geplanten Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan und aus dem Irak.
Das Zurückfahren des US-Engagements in Deutschland wiederum würde vor allem den globalen Rivalen Russland freuen. Seit Sowjetzeiten gehört es zu den Konstanten der russischen Außenpolitik, den Zusammenhalt der transatlantischen Allianz zu schwächen, Streit zwischen den Nato-Partnern zu säen und zu schüren.
Donald Trump setzt da eigentlich mit seiner Nato-Schelte seit dreieinhalb Jahren die Intentionen Wladimir Putins um. Weniger zufrieden wäre Putin freilich, wenn aus Deutschland abgezogene US-Kampftruppen direkt nach Polen verlegt würden. Deutsche Militärexperten argumentieren, eine solche Verlegung könnte sogar eine Verletzung der Nato-Russland-Grundakte bedeuten.
Deutsche Politiker aller Parteien beklagen zu Recht die sicherheitspolitischen Alleingänge der USA – außer Links- und Rechtsextremisten, die es freuen würde, wenn sie die Amerikaner endlich loswerden. Nur klingt es reichlich altbacken, ja albern, wenn sie jetzt von einem „Weckruf“sprechen und davon, dass Europa die Sicherheitspolitik selbst in die Hände nehmen muss.
Amerikanische „Weckrufe“wegen einer gewissen Müdigkeit und Verdrossenheit mit Europa gab es schon vor Donald Trump. Und dass Europa selbst stärker für seine Sicherheit sorgen muss, hören wir inzwischen auch schon seit Jahr und Tag in Sonntagsreden von Politikern. Nur, geschehen ist in dieser Hinsicht wenig oder gar nichts. Und gerade Deutschland hat sich in dieser Hinsicht bisher als wenig innovativ und wenig initiativ gezeigt. Und das, so ist zu befürchten, wird auch weiter so bleiben.