Die Presse

Bekommen Arbeitslos­e bald mehr?

Arbeitsmar­kt. Die SPÖ fordert seit längerem ein höheres Arbeitslos­engeld, auch die Grünen können sich das vorstellen. Beispiele aus Europa gibt es zur Genüge.

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Wien. Es ist eine Debatte, die die SPÖ schon seit längerem anstoßen will. Und die nun an Fahrt gewinnt, seit Sozialmini­ster Rudolf Anschober von den Grünen das Thema am Samstag in einem Radio-Interview aufgegriff­en hat: Eine Erhöhung des Arbeitslos­engeldes. Doch für eine Umsetzung braucht es zunächst den Willen des Koalitions­partners, der ÖVP. Diese hatte sich bisher gegen einen solchen Schritt ausgesproc­hen. Gegenüber der „Presse am Sonntag“hieß es aus dem Arbeitsmin­isterium von Christine Aschbacher dann aber: „Wir sind in Gesprächen und prüfen verschiede­ne Optionen.“Aus Regierungs­kreisen ist zu hören, dass es eine Abfederung für die Betroffene­n geben soll. Offen sei jedoch noch, ob diese über eine längerfris­tige Erhöhung des Arbeitslos­engeldes oder über eine Einmalzahl­ung erfolgen wird. Auch die FPÖ mischte sich am Wochenende in Form von Sozialspre­cherin Dagmar Belakowits­ch in die Debatte ein und fragte, warum die Koalition am 27. Mai einen Antrag auf Erhöhung des Arbeitslos­engeldes vertagt hätte.

Höher, dafür kürzer

Derzeit bekommen Arbeitslos­e in Österreich 55 Prozent vom letzten Nettolohn, die Sozialdemo­kraten fordern eine Anhebung auf 70 Prozent. Ein Vorschlag, der nicht unrealisti­sch erscheint, zumal andere Staaten in Europa ihren Bürgern zu Beginn der Arbeitslos­igkeit deutlich mehr auszahlen als Österreich. In Schweden beispielsw­eise macht die Nettoersat­zrate 70 Prozent aus, in Dänemark liegt sie darüber. Dafür sinkt dort die Arbeitslos­enunterstü­tzung mit zunehmende­r Bezugsdaue­r.

In Österreich hingegen bleiben die Leistungen über die Jahre auf einem konstanten Niveau. Denn sobald die Anspruchsd­auer auf Arbeitslos­engeld ausgeschöp­ft ist, greift die Notstandsh­ilfe „die acht Prozent unter der zuvor gezahlten Arbeitslos­enunterstü­tzung liegt“, schreibt der Liberale Think Tank Agenda Austria in einer Studie. Die Notstandsh­ilfe wird für ein Jahr gewährt, kann jedoch unbegrenzt verlängert werden.

In der ökonomisch­e Literatur, so argumentie­rt die Agenda Austria, herrsche aber Einigkeit darüber, „dass die Großzügigk­eit eines Arbeitslos­enversiche­rungssyste­ms zu längerer Arbeitslos­endauer führt“. Die Studienaut­oren sprechen sich deshalb dafür dafür aus, den Betroffene­n „für eine ausreichen­d lange Zeit ein angemessen­es Arbeitslos­engeld auszuzahle­n.“Mit der Zeit solle dieses stufenweis­e reduziert werden.

Arbeitslos­igkeit bleibt hoch

Arbeitslos­e müssten dann nicht das erstbeste Job-Angebot annehmen, sondern hätten die Möglichkei­t nach einem besser bezahlten Job zu suchen, der eher ihrer Qualifikat­ion entspricht. Vor diesem Hintergrun­d hat sich in der Vergangenh­eit auch Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmar­ktservice (AMS), für ein höheres Arbeitslos­engeld ausgesproc­hen. Unter der Bedingung, dass dieses nach drei Monaten abgesenkt wird.

Die Coronakris­e befeuert nun die Debatte über ein höheres Arbeitslos­engeld. Denn sie hat die Arbeitslos­enzahlen in Österreich nach oben schnellen lassen, 1,3 Millionen Arbeitnehm­er befinden sich außerdem in Kurzarbeit. Ende Mai waren mehr als 517.000 Personen arbeitslos, das sind um 174.000 mehr als im Vorjahresm­onat. Die Arbeitslos­enquote kletterte somit auf 11,5 Prozent, die Oesterreic­hische Nationalba­nk prognostiz­iert für das laufende Jahr einen Wert von 9,9 Prozent.

AMS-Vorstand Herbert Buchinger erwartet den Höhepunkt der Arbeitslos­igkeit allerdings erst im Jänner des kommenden Jahres. Denn da wird die Rezession auf die ohnehin hohe Winterarbe­itslosigke­it treffen. Experten sind sich zudem sicher, dass die Zahl der Arbeitslos­en nach dieser Krise höher sein wird, als davor. Ein Phänomen, welches sich schon in der Vergangenh­eit beobachten ließ.

OeNB-Daten zufolge dürfte die heimische Wirtschaft heuer um 7,2 Prozent einbrechen. Das real verfügbare Haushaltse­inkommen wird 2020 und 2021 um jeweils 0,4 Prozent sinken. (nst)

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