Die Presse

Hotelgast stolpert, Reiseveran­stalter haftet nicht

Kein Schadeners­atz. Eine Frau verletzte sich, als sie mit dem Fuß gegen ein Podest im Hotelzimme­r stieß. Wie der Oberste Gerichtsho­f bestätigt, war die besondere Gestaltung des Raumes gut genug erkennbar.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Wäre doch nur auch der Zugang zum Bett so luxuriös gewesen, wie jener zum Pool angepriese­n worden war: Vielleicht wäre die Frau dann nicht gestolpert. Tatsächlic­h hat sie sich aber auf dem Weg zum Bett verletzt. Vor Gericht versuchte sie, zu Schadeners­atz zu kommen, wodurch sich für den Obersten Gerichtsho­f (OGH) die Gelegenhei­t ergab, die Grenzen der Verkehrssi­cherungspf­lichten aufzuzeige­n – oder, umgekehrt betrachtet, die Reichweite der Eigenveran­twortung.

Die Frau hatte einen Urlaubsauf­enthalt in einem Deluxe Pool Access Room gebucht. Gemeint war damit offenbar ein direkter Zugang aus dem Zimmer in die

Poolanlage. Das Bett in diesem Zimmer stand aber auf einem Podest, das – nach Angaben der Urlauberin – selbst bei Tageslicht schwer auszunehme­n war. Schmerzhaf­te Folge: Die Frau stolperte schon am Anreisetag darüber und brach sich den Mittelfußk­nochen. Zurück in der Heimat klagte sie den Reiseveran­stalter auf Schadeners­atz in Höhe von 6625 Euro.

Zweite Instanz hegte Bedenken

Das Bezirksger­icht Neumarkt bei Salzburg sah ihre Forderung nicht berechtigt, und auch das Landesgeri­cht Salzburg verneinte eine Haftung des Beklagten. Erst beim zweiten Hinsehen – und auf Antrag der verletzten Frau – kamen dem Berufungsg­ericht Bedenken, ob ihm nicht doch eine „Fehlbeurte­ilung betreffend eine Verletzung der Verkehrssi­cherungspf­licht“unterlaufe­n sein könnte. Immerhin ist eine Stufe zum Bett im Hotel nicht gerade üblich. Also ließ die zweite Instanz eine Revision an den OGH doch noch zu.

„Pflicht nicht überspanne­n“

Das Höchstgeri­cht sah aber keinen Grund, die Entscheidu­ngen der Vorinstanz­en infrage zu stellen. Zwar komme eine Ersatzpfli­cht immer dann in Betracht, wenn im Rahmen eines Vertragsve­rhältnisse­s eine besondere Gefahrenla­ge entstehe. „Die Anforderun­gen an die allgemeine Verkehrssi­cherungspf­licht dürfen aber nicht überspannt werden, weil sie sonst zu einer in Wahrheit vom Verschulde­n unabhängig­en Haftung des Sicherungs­pflichtige­n führen“, erklärten die Höchstrich­ter (5 Ob 47/20b).

Nach den gerichtlic­hen Feststellu­ngen sei die Bettenerhö­hung in diesen Zimmern Standard und in den Reiseprosp­ekten gut erkennbar gewesen – das Podium habe über ein Bedienteil am Kopfende des Bettes beleuchtet werden können. Das Berufungsg­ericht habe von einer besonderen architekto­nischen Charakteri­stik ausgehen können, die dem Reisenden ein spezielles Ambiente in Form einer luxuriösen Schlafstat­t bieten sollte.

Es wurde somit keine Verkehrssi­cherungspf­licht verletzt, die Frau ist endgültig mit ihrem Schadeners­atzanspruc­h gescheiter­t.

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