„Teamwork-Gedanke blieb zu sehr im Hintergrund“
Coronahilfen. Herbert Houf, neuer Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, hätte sich mehr Dialog in der Krise gewünscht.
Die Presse: Die Opposition hat das Budget auch abseits des „InMillionen“-Lapsus als falsch und unrealistisch kritisiert. Halten Sie es für seriös, könnten Sie als Wirtschaftsprüfer einen Bestätigungsvermerk darunter setzen? Herbert Houf: Die momentane Situation ist schwer einschätzbar. Das sehen wir auch in der Wirtschaftsprüfung. Wir haben viele Unsicherheiten und Unbekannte und die muss man möglichst kritisch würdigen und realistisch einschätzen. Da kann man in Zeiten wie diesen eine größere Bandbreite sehen als sonst. Das Budget ist eine nachvollziehbare Einschätzung, aber man kann auch andere Meinungen dazu haben.
Wie soll man das mit 20,6 Mrd. Euro bezifferte Defizit verringern?
Durch die aktuellen Maßnahmen wird die Verschuldung des Staates sicher steigen. Man ist aber optimistisch, dass man relativ rasch wieder zu einem geregelten Haushalt kommen wird. Wir haben eine sehr starke Wirtschaft, die in weiten Teilen sehr gesund ist. Optimismus ist nicht ganz unangesagt, um es vorsichtig zu formulieren.
Sind höhere Steuern denkbar? Das ginge möglicherweise nicht in die richtige Richtung. Wir haben mit den Soforthilfsmaßnahmen eher noch den Kurzfristmodus; es geht darum, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen zu sichern und natürlich auch die Beschäftigung. Die Kurzarbeit-Beschäftigten müssen auch wieder abgebaut werden. Ein Zweites ist der Langfrist-Aspekt: Wie kurbelt man die Wirtschaft wieder an? Da ist ganz wichtig, dass man etwas für Investition und Konsum tut. Es nützt nichts, wenn die Betriebe zwar operativ funktionieren, aber der Markt nicht. Das wird durch Steuererhöhungen typischerweise nicht begünstigt. Man ist gefordert, kreativere Lösungen zu finden, wie man durch lenkungspolitische steuerliche Maßnahmen positive Effekte schafft.
Der Fiskalrat hat vorgeschlagen, die Steuerstundungen zu verlängern. Wäre das sinnvoll?
Im Moment ist alles hilfreich, was die Liquidität der Unternehmen sichert. Es sind ja erhebliche Einnahmenausfälle zu verzeichnen. Dass Stundungen am Ende des Tages keine finalen Lösungen darstellen, weil irgendwann bezahlt werden muss, ist auch klar. Darauf müssen auch wir hinweisen.
Sollen die Steuerstundungen zu Steuernachlässen werden?
Nein, aber es sind diverse steuerliche Maßnahmen im Gespräch, die dazu führen können, dass sich die Steuerlast nachträglich reduzieren kann, wie Verlustrückträge und Investitionsbegünstigungen.
Was sind die größten Probleme bei den Hilfsmaßnahmen?
Die jetzige Situation ist eine Ausnahmesituation: Alles passiert unter sehr großem Zeitdruck. Normalerweise vergehen von der Idee bis zur Umsetzung Monate oder Jahre, jetzt teilweise nur Tage oder Wochen. Da kommen gewisse Dinge zu kurz. Es war richtig, dass die Regierung sehr schnell Hilfe mit namhaften Beträgen in Aussicht gestellt hat. Aber die Erwartungshaltung, die geweckt wurde, dass auch mir als kleinem Unternehmer geholfen wird, ist teilweise leider nicht erfüllt worden. In der Umsetzung haben manche Dinge doch länger gedauert, als sie hätten dauern sollen. Die Richtlinien und Instrumente funktionieren noch nicht so ganz, weil beim Aufsetzen der Teamwork-Gedanke zu sehr im Hintergrund geblieben ist. All diejenigen, die mitwirken sollen, sind nicht in ausreichendem Maße ins Boot geholt worden; da rede ich nicht nur von uns Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, sondern auch von den Banken. So konnte man nicht davon ausgehen, dass alles schnell umgesetzt wird. Die Bankensituation macht den Unternehmen Schwierigkeiten, weil die Instrumente nicht so angenommen werden, wie es erhofft wurde.
Erfolgt die Kreditvergabe zu langsam und zu zögerlich?
Ich will jetzt nicht die Banken kritisieren. Sie haben ihr eigenes Geschäftsmodell und müssen ihre eigenen Entscheidungen treffen. Sie stehen auch auf dem Prüfstand und sind gefordert. Aber wenn es darum geht, zum Beispiel mit AWS-Garantien Bankkredite zu besichern, wäre es hilfreich, wenn man das im Vorfeld bespricht, damit es dann funktioniert. Das ist noch nicht so, wie man es sich wünschen würde.
Die Zahl der Insolvenzen liegt im Moment unter den Vergleichszahlen des Vorjahres. Wann rechnen Sie mit einer ersten Welle, mit der die unterbliebenen Anträge nachgeholt werden? Ich bin kein Prophet. Der mittelbis langfristige Effekt der Krise wird stark von den lenkungspolitischen Maßnahmen abhängen. Im Herbst werden wir mehr wissen.
Jetzt, im Juni und Juli, ist traditionell die Zeit, in der das Urlaubsgeld ausgezahlt wird. Kann das heuer gut gehen?
Hilfen müssen insbesondere auch im Bereich der Beschäftigung fließen. Wir haben schon eingemahnt, dass es vor diesen Fälligkeiten passieren muss.
Wird da nicht genug ausgezahlt? Wir haben keine Statistik. Wir hören nur von unseren Klienten, dass die Zahlungen nicht so schnell fließen, wie sie sollten, und es wird sicher einige Fälle geben, wo sie nicht rechtzeitig kommen.
Wie fit sind die Unternehmen für die Zeit nach der Krise?
Die österreichische Wirtschaft ist grundsätzlich schon sehr gesund aufgestellt. Das Problem spielt sich immer in den Grenzbereichen ab. Wir haben sehr viele gute Unternehmen, die auch nach der Krise wieder schnell Tritt fassen werden, und wir haben viele, insbesondere im klein strukturierten Bereich, die letztlich von ihrer Arbeit ihr tägliches Brot verdienen müssen. Aber insgesamt wird die österreichische Wirtschaft wieder gut in Schwung kommen, wenn auch die Weltwirtschaft in Schwung kommt. Aber es wird sicher einige Grenzanbieter geben, die auf der Strecke bleiben. Ich fürchte, das ist unvermeidbar.
Allgemein gilt die Eigenkapitalausstattung in Österreich als zu gering.
Als Branche sind wir Steuerberater und Wirtschaftsprüfer immer dafür eingetreten, dass man den Kapitalmarkt stärkt. Die Stärkung des Eigenkapitals wäre wichtig, um auch für künftige Krisen besser gerüstet zu sein.
Welche Akzente wollen Sie in der Standespolitik setzen?
Wie die Krise zeigt, sind wir ganz gut positioniert. Wir sehen uns als erste Ansprechpartner der Wirtschaft. Die Kolleginnen und Kollegen und ihre Mitarbeiter sind auch Helden in dieser Krise, weil sie diese Umsetzungsschritte in einem sehr hohen Maße tragen mussten und noch immer tragen. Wir haben Kompetenz, wir haben Verantwortlichkeit, die jetzt auch abgefragt wird, wo wir gewisse Bestätigungsleistungen erbringen müssen. Also das Berufsbild ist durchaus attraktiv und bekannt, aber vielleicht nicht so bekannt, wie man es gern hätte. In den nächsten Jahren möchte ich drei Schwerpunkte setzen: Nachwuchspflege, Weiterentwicklung der Berufsfelder in der Digitalisierung und strategische Aufstellung der Kammer.